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Komponisten-Lexikon Henry Purcell - Der "britische Orpheus"

Henry Purcells Musik bewegt die Menschen - bis heute: Kein Wunder, dass man dem Barockkomponisten den ehrenvollen Titel "Orpheus britannicus" - also britischer Orpheus - verliehen hat. Seine Begabung zeigte sich schon als Kind.

Von: Sylvia Schreiber

Stand: 06.01.2019 | Archiv

Grell und laut, so dürfte sein erster Schrei geklungen haben, wie eben bei jedem Baby. Geboren wurde der bedeutende englische Komponist Henry Purcell vor 350 Jahren – vermutlich am 10. September 1659. Bereits als Kleinkind trällert Henry anders als die Kinder in der Londoner Nachbarschaft, irgendwie melodiöser. Gerade mal acht Jahre ist er alt, als Klein-Henry ein kompliziertes dreistimmiges Lied komponiert. Sein Vater Thomas, selbst ein Musiker, freut sich riesig über das tolle Lied und sorgt sogar dafür, dass es gedruckt wird. Dieses selbst komponierte Lied ist nicht nur Henry Purcells erstes richtiges Werk, sondern gleichzeitig so etwas wie die Eintrittskarte in den berühmtesten Knabenchor Englands, in die Königliche Kapelle. 

Singen für den König!

Noch heute tragen die Chorsänger der "Chapel Royal" eine schmucke Uniform.

In der "Chapel Royal" sind die Goldkehlchen Englands versammelt, die dem König vorsingen: zum einen im Gottesdienst in der Kirche, aber bestimmt auch, wenn es seiner Majestät mal etwas langweilig ist ... Nur zwölf Jungen gehören zur Königlichen Kapelle, sie werden nach einer schweren Prüfung aufgenommen. Gelernt wird viel, zum Beispiel das Spiel auf der Bratsche, der Orgel und der Laute, außerdem Lesen, Latein und Rechnen. Die Regeln im Internat sind streng: Wer sich nicht gut benimmt, also schwatzhaft, frech oder faul ist, der bekommt Prügel und geschlafen wird bereits um 8 Uhr. Henry ist ziemlich stolz auf seine farbenprächtige Uniform und die vielen Hüte, Handschuhe und Schuhe. Schließlich gehört er nun zum Hofstaat des Königs und da darf er nicht aussehen wie eine Vogelscheuche. 

Ob Henry ein guter Schüler ist, das wissen wir leider nicht, aber dass er außerordentlich musikalisch ist, das wissen wir schon. Denn er bekommt mit 14 Jahren gleich eine Arbeit: Henry Purcell wird Aufseher, Erbauer, Verbesserer, Ausbesserer und Stimmer der Orgeln, Flöten und Schnabelflöten. Übrigens komponiert Henry nebenbei jede Menge. Das spricht sich bald herum, oder vielleicht hat auch sein Vater nachgeholfen und es den wichtigen Personen am Hof erzählt, jedenfalls erhält Henry Purcell mit 19 Jahren einen ziemlich bedeutenden Job: Er wird Komponist für das Streichorchester des Königs. Weil Henry Purcell ein fleißiger junger Mann ist, bekommt er kurz darauf noch ein Amt aufgetragen. Er wird Organist an der Westminster Kathedrale.

Der britische Orpheus

Henry Purcells Musik bewegt die Menschen: Kein Wunder, dass man ihm den ehrenvollen Titel "Orpheus britannicus" - also britischer Orpheus - verleiht. Das ist nicht einfach irgendein glitzernder Orden, den man sich auf die Jacke heften kann, sondern das bedeutet: Purcells Musik ist schön wie die von Orpheus, dem Dichter und Sänger aus dem alten Griechenland.

Purcells Leben läuft also ziemlich glatt: Seine Kompositionen kommen überall gut an, er verdient damit auch ein ordentliches Sümmchen. Zudem schreibt er allerlei Stücke fürs Theater, also für die Bühne. Als sein Meisterwerk gilt die Oper "Dido und Aeneas". Auch seine Schauspielmusik zu "The Fairy Queen" – eine Bearbeitung von Shakespeares "Sommernachtstraum" wird bis heute aufgeführt. Aus Purcells Feder stammen außerdem eine Reihe von sehr bekannten festlichen Trompeten-Stücken.

Das Komponieren geht bei ihm fast von selbst, denn die verrücktesten, außergewöhnlichsten Melodien sprudeln nur so aus ihm heraus. Tag und beinahe die ganze Nacht arbeitet Purcell. Seine Frau findet das gar nicht witzig und schimpft öfter mal mit Henry. Aber das beeindruckt ihn nicht wirklich, stattdessen verschwindet er beim Donnerwetter seiner Frau schnurstracks ins nächste Wirtshaus. Da trinkt er zwei, drei Bierchen gegen den Ärger und dann noch einige gegen den Durst.

Komponieren für die Ewigkeit!

Aber vielleicht hätte er doch auf seine Frau hören sollen, denn Henry Purcell wirkt bald ziemlich schwach und hustet viel. Seine Gesichtsfarbe ist längst nicht mehr rosig, sondern mausgrau, um die Augen herum zeigen sich unzählige Runzeln. Dabei hat er erst seinen 35. Geburtstag gefeiert. Ab da geht alles schnell: Im Herbst des Jahres 1695 komponiert Purcell bereits im Bett, das Aufstehen fällt ihm schwer. Doch an welcher Krankheit er leidet, ist uns leider nicht überliefert. Am 21. November stirbt der "Orpheus britannicus". Mit einer riesigen Feier wird er im Nordschiff der Westminsterkirche unter der Orgel begraben. Seine "Trauermusik für Königin Maria II. von England", die er nur ein halbes Jahr vor seinem eigenen Tod komponiert hat, soll die Trauergäste zu Tränen gerührt haben. Knapp 300 Jahre später verwendet sie Standley Kubrick 1971 als Titelmusik in seinem Film "A Clockwork Orange".


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