Bayern 2 - Hörspiel

Das Hörspiel als Podcast Franz Kafka: Das Schloss

Stand: 06.04.2017 | Archiv

Cover ARD Audiothek Das Schloss - Hörspiel nach Franz Kafka | Bild: BR

Makel eines ewig Überzähligen

Drei Gassen, zwei Gasthöfe und ein Schloss. Alles auf engstem dörflichen Raum: draußen ist Winter. Der rätselhafte Neuankömmling K. betritt diese kleine, kalte Welt des Grafen Westwest mit ihren eigenen und eingefahrenen Gesetzen. Den Makel eines ewig Überzähligen, des Außenseiters, wird er, ‚Landvermesser’ K., hier nie verlieren. Ob der Gast im Dorfgasthaus ein heimatloser Querulant ist oder wirklich als Landvermesser kommt, das wird in der fragmentarischen Versuchsanordnung Das Schloss, die Franz Kafka 1922 schrieb und die 1926 posthum von seinem Freund Max Brod veröffentlicht wurde, nie eindeutig geklärt.

Stumpfheit - und die hiesige Ordnung der Dinge

Erstarrung und Bürokratie, Willkür, Argwohn und Fremdenhass verbergen sich hinter den winterlichen Masken dörflicher Stumpfheit. Hier ist offenbar das moralisch reinigende Mandat des wehrhaften Außenseiters gefragt.

Kafka lässt seinen Helden K. erst einmal hungrig, müde und allein eintreffen, in der ungastlichen Wirtsstube des ‚Brückenhofes‘. Doch An- und Weiterkommen, das schwant auch dem Kafka-unkundigen Zuhörer, werden schnell zum heiklen Unterfangen. Der Zutritt zum mysteriösen Schloss bleibt K. beharrlich verwehrt. Ohne Status und Legitimation wird er zusehends zum Irrgänger – ähnlich den Ortsansässigen, die teilnahmslos durch die „hiesige Ordnung der Dinge“ treiben, ohne dass „Ordnung“ oder „Dinge“ je durchschaubar wären. Nur in den Anfangskapiteln des Romanfragments wird überhaupt eine Handlung entwickelt. Alle weiterführenden Kapitel dagegen sind durch lange in sich kreisende Gespräche geprägt. Der kausale Ablauf verliert sich zunehmend. Ob der bürokratische Apparat des Schlosses K. will oder nicht, ob die Bauern ihm trauen, die Schankmädchen ihn lieben, das bleibt ungewiss; der ‚Roman’ bleibt Fragment.

Die Inszenierung des Hörspiels

Schauspielerin Sandra Hüller während der Aufnahmen

Die Chiffren der Entfremdung, die Kafkas Das Schloss bietet, überträgt die 12-teilige Hörspielproduktion von Klaus Buhlert in eine dunkel ironische Inszenierung von Sprache und Klang. Mit: Michael Rotschopf, Devid Striesow, Werner Wölbern, Steven Scharf, Peter Kurth, Corinna Harfouch, Stefan Zinner, Jens Harzer, Gerti Drassl, Sandra Hüller, Samuel Finzi, Moritz Kienemann, Dieter Fischer, Wowo Habdank, Deleila Piaskov, Margit Bendokat, Wolfram Berger, Götz Schulte, Anna Drechsler, Benedict Lückenhaus, Bibiana Beglau, Johannes Silberschneider, Stefan Wilkening. Bearbeitung, Komposition und Regie: Klaus Buhlert. BR 2016

Von der Kritik gefeiert

"Den geheimnisvollen, unvollendeten Roman, der mit vielen Streichungen und Nachträgen herausgegeben wurde, hat Klaus Buhlert in eine eigenständige Komposition von Stimmen und Tönen verwandelt. Er inszeniert den Text wie das Skript zu einem grotesk-gruseligen Film. Das Hörspiel besticht durch Genauigkeit, einen aus dem Satzbau gewonnenen Rhythmus und eine grandiose Ensembleleistung. So können wir den Roman »aushorchen«, ohne ihm sein Geheimnis zu nehmen."

- Jurybegründung hr2-Hörbuchbestenliste 4/2017

Regisseur Klaus Buhlert im Video

Aus dem Hörspielstudio

Regisseur Klaus Buhlert: Über die Inszenierung von Kafkas "Der Process" und "Das Schloss" (1/4)


Regisseur Klaus Buhlert: Über die Inszenierung von Kafkas "Der Process" und "Das Schloss" (2/4)


Regisseur Klaus Buhlert: Über die Inszenierung von Kafkas "Der Process" und "Das Schloss" (3/4)


Regisseur Klaus Buhlert: Über die Inszenierung von Kafkas "Der Process" und "Das Schloss" (4/4)

Die Welt von Franz Kafka

Franz Kafka wurde 1883 als Sohn jüdischer Eltern in Prag geboren. Besuch des humanistischen „Staatsgymnasiums mit deutscher Unterrichtssprache in Prag-Altstadt“. Ab 1901 Jurastudium an der „Deutschen Universität Prag“, daneben Besuch kunstgeschichtlicher und germanistischer Vorlesungen. Ab 1905 Freundschaft mit Max Brod. 1906 Promotion. Ab 1908 Beamter der Arbeiter-Unfalls-Versicherungs-Anstalt in Prag. 1912 erste und zweite Fassung von Der Verschollene, Das Urteil, Die Verwandlung. 1914 Verlobung mit Felice Bauer, die sechs Wochen später wieder aufgelöst wird, Der Process, In der Strafkolonie. 1917 erneute Verlobung und Entlobung mit Felice Bauer, Erkrankung an Tuberkulose. 1919 Brief an den Vater, 1922 Beginn von Das Schloß, Ein Hungerkünstler, frühzeitige Pensionierung, 1924 stirbt Kafka.

Veröffentlichungen zu Lebzeiten: Betrachtung (1912), Der Heizer. Ein Fragment (1913), Die Verwandlung (1915), Das Urteil (1916), In der Strafkolonie (1919), Ein Landarzt. Kleine Erzählungen (1920), Ein Hungerkünstler. Vier Geschichten (1924).

Veröffentlichungen postum u.a.: Der Prozeß (1925), Das Schloß (1926), Amerika (1927), Beim Bau der Chinesischen Mauer. Ungedruckte Erzählungen und Prosa aus dem Nachlass (1931), Gesammelte Schriften. 6 Bände, hrsg. v. Max Brod (1935–1937).

Hörspieladaptionen u.a.: Der Prozeß (NWDR 1951, SDR 1960), Das Schloß (SWF/RB 1953), Amerika (SWR 1957), Bericht für eine Akademie (SFB 1963, ORF 2013), Der Gruftwächter (ORF 1969, DRS 1974), In der Strafkolonie (DRS 1981, BR 2007), Josephine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse (WDR 1985), Forschungen eines Hundes (ORF/WDR 1987), Der Bau (DRS 1993, ORF 2011), Die Verwandlung (NDR 2002), Der Process (BR 2010), Der Verschollene (SWR 2011), Beschreibung eines Kampfes (SRF 2013).