Immer noch warten Lastwagen voll mit Hilfslieferungen an der ägyptischen Grenze.
Bildrechte: pa/dpa/ZUMAPRESS.com | Stringer

Immer noch warten Lastwagen voll mit Hilfslieferungen an der ägyptischen Grenze.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Ägypten: Grenzübergang zu Gaza wird wohl Freitag geöffnet

Die Versorgung der Menschen im Gazastreifen steht nach UN-Angaben wegen der Abriegelung des Gebiets vor dem Kollaps. Israel hat Ägypten erlaubt, in begrenztem Umfang humanitäre Hilfe durchzulassen. Das soll offenbar ab Freitag der Fall sein.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Nach 13 Tagen völliger Abriegelung und massiver israelischer Luftangriffe als Reaktion auf den Hamas-Großangriff hat sich die Versorgungslage für die mehr als zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens weiter verschlechtert. Der britische Premierminister Rishi Sunak begrüßte bei einem Kurzbesuch in Israel, dass die Regierung in Jerusalem der Lieferung humanitärer Hilfsgüter von Ägypten aus über den Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen zugestimmt habe. Die erhoffte Öffnung von Rafah ließ aber zunächst weiter auf sich warten. Die Nachrichtenagentur AFP meldete am späten Donnerstagnachmittag, dass das am Freitag der Fall sein werde. AFP bezog sich dabei auf das ägyptische Fernsehen.

Am Grenzübergang Rafah seien durch israelische Luftangriffe verursachte Schäden beseitigt worden, hieß es. "Wir hoffen, dass es morgen eine Überquerung gibt", sagte auch der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus. Zugleich warnte er: "Aber aufgrund der Erfahrungen der letzten Tage sind wir zugleich besorgt, ob es geschehen wird."

EU fordert mehr Hilfe für Palästinenser im Gazastreifen

Die Europäische Union bezeichnete die Zusage für die Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen als einen Anfang. Es müsse aber mehr getan werden, um den internationalen Verpflichtungen nachzukommen, sagte EU-Kommissionssprecher Balazs Ujvari.

Man begrüße die Ankündigung Israels, die Lieferungen von Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten aus Ägypten nicht zu behindern, erklärte der Sprecher. Die Hilfe sei jedoch sowohl in Bezug auf die Menge als auch auf die Art der Lieferungen begrenzt. "Es muss daran erinnert werden, dass das humanitäre Völkerrecht alle Parteien verpflichtet, sicheren und ungehinderten humanitären Zugang zu Menschen in Not zu gewährleisten", sagte Ujvari. Einschränkungen in Bezug auf die Menge, den Bestimmungsort und die Kategorien der Güter stünden mit dieser Verpflichtung nicht im Einklang.

Der Kommissionssprecher kündigte ein zweites Flugzeug mit Soforthilfe an, das in Ägypten landen werde. Insgesamt stehen damit etwa 50 Tonnen lebenswichtiger Güter, Medikamente, Lebensmittel und Wasser bereit.

Karte: Übersicht des Gazastreifens

Rund 165 Lastwagen mit Hilfsgütern stauen sich vor Rafah

Israel hatte nach dem Besuch von US-Präsident Joe Biden am Vortag einer Öffnung von Rafah für die Lieferung von Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten zugestimmt. Treibstoff, der für die Erzeugung von Strom notwendig ist und auf den die überfüllten Krankenhäuser im Gazastreifen dringend angewiesen sind, wurde nicht erwähnt. Am Donnerstag stauten sich rund 165 Lastwagen mit humanitären Versorgungsgütern auf ägyptischer Seite vor dem Übergang Rafah. Nach ägyptischen Angaben mussten zunächst Zufahrtsstraßen repariert werden, die durch israelische Luftangriffe beschädigt worden seien.

Das fürchtet Ägypten

Die Vereinten Nationen schätzen, dass derzeit rund eine Million der 2,4 Millionen Einwohner des Gazastreifens in dessen Südteil geflohen sind. Auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel, die an den Süden des Gazastreifens grenzt, stauen sich bereits Lkw-Konvois mit Hilfslieferungen für den Gazastreifen.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte am Mittwoch erklärt, dass sein Land mit einer Öffnung einverstanden sei, wenn Israel den Grenzübergang nicht bombardiere. Der Präsident will nach Darstellung von Biden den Grenzübergang Rafah von seinem Land in den Gazastreifen für etwa 20 Lastwagen öffnen. Diese würden humanitäre Güter in das Palästinenser-Gebiet bringen, sagte Biden. Der US-Präsident lobte al-Sisi, der bei den Gesprächen "sehr entgegenkommend" gewesen sei. Ein Sprecher des US-Präsidialamts sagt, die Lastwagen sollten in den kommenden Tagen losfahren.

"Wir wollen so viele Lastwagen rüberschicken wie möglich", sagte Biden. Zugleich warnte er: "Wenn die Hamas die Lieferungen beschlagnahmt oder sie nicht durchlässt, dann wird es beendet."

Der ägyptische Regierungschef hatte zuletzt vor einer militärischen Auseinandersetzung zwischen seinem Land und Israel gewarnt, sollte Ägypten Palästinenser aus dem Gazastreifen aufnehmen und auf der Halbinsel Sinai ansiedeln. "Sinai würde dann die Basis für weitere Angriffe gegen Israel", sagte er. "Israel wird sich dann bestimmt wehren." Die Folge dürften Angriffe auf ägyptisches Territorium sein. Deshalb sei eine Evakuierung der Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Ägypten unmöglich. Der Norden des Sinai gilt seit Längerem als instabil und als Rückzugsgebiet militanter Islamisten.

UN: Extreme Wasserknappheit in Gaza

Dennoch zeigte sich Ägypten zuletzt auch hilfsbereit. "Wir sind sehr daran interessiert, dass Hilfe den Gazastreifen in dieser schwierigen Zeit erreicht", hatte kürzlich al-Sisi gesagt.

Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths forderte einen "sofortigen, sicheren Zugang für humanitäre Hilfe im gesamten Gazastreifen". Er wies vor allem auf die extreme Wasserknappheit hin. Die Menschen seien zunehmend gezwungen, sich aus unsicheren Quellen zu versorgen, wodurch die Bevölkerung dem Risiko von durch Wasser übertragenen Krankheiten ausgesetzt sei.

Westliche Politiker bemühen sich um Entschärfung des Konflikts

Vor einer möglichen Bodenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen zur Zerschlagung der Hamas setzten westliche Politiker unterdessen ihre Bemühungen fort, eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern. Hunderte Hamas-Terroristen hatten am 7. Oktober Israel überfallen und das schlimmste Massaker unter israelischen Zivilisten seit der Staatsgründung 1948 angerichtet. Bei Kämpfen und durch Raketenbeschuss starben mehr als 1.400 Menschen in Israel, mehr als 4.600 wurden verletzt. Israel mobilisierte daraufhin 300.000 Reservisten und zog starke Kampftruppen an der Gaza-Grenze zusammen. Bei israelischen Luftangriffen starben seit dem 7. Oktober nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen 3.785 Menschen und rund 13.000 wurden verletzt.

Baerbock startet zu Krisengesprächen in Jordanien, Israel und Libanon

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) brach angesichts des Gaza-Kriegs zu einer neuen Runde von Krisengesprächen nach Jordanien, Israel und in den Libanon auf. Vor dem Flug nach Jordanien sicherte sie Israel die "unverbrüchliche Solidarität" der Bundesregierung zu. "Der Kampf gilt der Hamas, nicht der palästinensischen Zivilbevölkerung" - auch diese leide enorm, fügte Baerbock hinzu. "Schon viel zu viele Frauen, Männer und Kinder sind gestorben." Ihr sei daher wichtig, den Palästinenserinnen und Palästinensern deutlich zu machen, "dass wir auch ihr Leid sehen". Sie wolle die Reise auch nutzen, um sich für die Freilassung der Hamas-Geiseln einzusetzen, unter denen auch Deutsche sind.

Verteidigungsminister Boris Pistorius reiste zu Gesprächen über die militärische Zusammenarbeit nach Israel. Der SPD-Politiker wollte dort seinen israelischen Kollegen Joav Galant treffen. Nach dem Großangriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel soll die Reise ein Zeichen der Solidarität setzen. Erwartet wurde, dass die beiden auch über die von Israel erbetene Lieferung von Material für die Streitkräfte sprechen, darunter Sanitätsausrüstung. Pistorius war zuvor im Libanon, wo er deutsche Soldaten traf, die dort für die UN-Mission Unifil im Einsatz sind.

Netanjahu zu Sunak: Dunkelste Stunde Israels

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte bei dem Treffen mit Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak in Tel Aviv, vor Israel liege ein langer Krieg. "Dies ist unsere dunkelste Stunde. Es ist die dunkelste Stunde der Welt. Wir müssen zusammenhalten und gewinnen", betonte Netanjahu. Es werde Höhen und Tiefen geben, es werde Schwierigkeiten geben. Ein langer Krieg liege vor Israel. "Wir brauchen Ihre kontinuierliche Unterstützung." Dies sei nicht nur Israels Kampf, sagte der Regierungschef. "Es ist der Kampf der freien Welt, der Kampf um die Zukunft." Es sei ein Kampf gegen "die modernen Barbaren, die schlimmsten Monster auf dem Planeten". Sunak sagte, sein Land stehe an der Seite Israels. "Und wir wollen auch, dass Sie gewinnen", betonte der britische Premier, der anschließend nach Saudi-Arabien weiterreisen wollte.

Britischer Außenminister will Ägypten, Katar und Türkei besuchen

Der britische Außenminister James Cleverly kündigte indes eine Reise in strategisch wichtige Staaten der Region an. Er wolle Partner in Ägypten, Katar und der Türkei treffen, teilte sein Ministerium in London auf X mit. Ziel der dreitägigen Reise seien Bemühungen, um eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern. "Es ist in niemandes Interesse - weder der Israelis, der Palästinenser noch des weiteren Nahen Ostens - dass andere in den Konflikt hineingezogen werden", hatte Cleverly vorab mitgeteilt. Dabei geht es vor allem um die - wie die Hamas - mit dem Iran verbündete Schiitenmiliz Hisbollah, die vom Libanon aus an Israels Nordgrenze eine zweite Front eröffnen könnte. Seit Tagen kommt es dort immer wieder zu Gefechten und Beschuss, bei dem schon auf beiden Seiten Menschen starben.

Mit Informationen von dpa

Zeitstrahl (dunkel): Geschichte der israelisch-palästinensischen Dauerkrise

Audio: Israel lässt Hilfslieferungen aus Ägypten in den Gazastreifen zu

Am Grenzübergang zwischen Ägypten und dem Gazastreifen stehen seit Tagen Hilfs-Konvois Schlange
Bildrechte: REUTERS/Stringer
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Am Grenzübergang zwischen Ägypten und dem Gazastreifen stehen seit Tagen Hilfs-Konvois Schlange

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!