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Mythos Theaterwissenschaft Drama, Baby!

Im Studium beschäftigen sie sich mit Soliloquium und Performativität, sie können stundenlang über den Sub-Text des Bühnenbilds diskutieren oder Goethes Faust rezitieren: Theaterwissenschaftler. In Praxisprojekten müssen sie der trockenen Theatergeschichte Leben einhauchen. Und ihre ersten Stücke selbst auf die Bühne bringen.

Von: Christoph Wittmann

Stand: 30.01.2018 | Archiv

Mythos Theaterwissenschaft: Drama, Baby!

Tamo Gvenetadze wollte eigentlich Film studieren. Die Georgierin ist erst vor sechs Jahren als AuPair nach Deutschland gekommen. Seitdem geht sie entschlossen ihren Weg: Deutsches Abi, Studium.. Als es mit einem Studienplatz an der HFF München nicht klappt, entdeckt sie ihre alte Leidenschaft wieder. Ihr Traum: Theaterregisseurin zu werden

"Fast alle meiner positiven Kindheitserinnerungen haben mit Theater zu tun. Wir haben in einer Gruppe getanzt, hatten viele Aufführungen, mindestens einmal im Monat.

Wenn wir Pause hatten, dann hat mir der Geruch gefehlt, der Bühnenstaub. Ich bin da gerne, als Zuschauer oder auf der Bühne oder dahinter.

Dann hab ich erfahren, dass es in München Theaterwissenschaft gibt und noch dazu mit einer Bühne, wo man sich austoben kann und das war sehr anziehend!"

(Tamo Gvenetadze)

Vom trockenen Zitieren zur praktischen Analyse

Im Grundstudium muss sie sich erst Mal durch den theoretischen Teil quälen. Wie bei allen Geisteswissenschaften geht es um die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens. In den Seminaren beschäftigt sie sich mit ästhetischer Theorie, also auch Symbolik von dem, was auf der Bühne geschieht, von Bühnenbild und Kostüm und natürlich ausführlich mit der Analyse von dramatischen Texten.

"Jeder Theaterabend ist einzigartig, unwiederholbar. Und trotzdem gibt es Grundmuster. So lernt man im Studium, wie Theater funktioniert, warum ein Stück in unserem Zeitalter funktioniert, warum ein Renaissancestück auch heute noch funktioniert, ja warum ein antikes Stück wie 'Medea' heute noch funktioniert.
Theater ist Leidenschaft, ist Kraft und Wissen."

(Tamo Gvenetadze)

5x pro Woche ins Theater

So oft es ihr Zeitplan zulässt, geht sie mit Freunden ins Theater. Manchmal bis zu fünf Mal pro Woche. Diese Begeisterung sollte man mitbringen, findet Tamo. Zu ihren Vorbildern gehören Robert Wilson, Renè Pollesch oder Christopher Rüping. Sein „Hamlet“ in den Münchner Kammerspielen ist eines von Tamos Lieblingsstücken.

"So was Krasses hab ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ich hab mir in dem Moment gedacht, wenn ich jemals so was Unglaubliches inszenieren kann, dann werde ich sagen, ok, ich hab mein Leben gelebt.
Theater kann Menschen weiterentwickeln, selbst ein Theaterstück, aus dem man eher rausgeht, weil es einem nicht gefällt, verändert einen. Man diskutiert, dadurch wächst ein Mensch und so wie das mit einem was ausmacht, so macht das auch mit der ganzen Gesellschaft was."

(Tamo Gvenetadze)

Im vierten Semester ist es endlich so weit: Tamo darf zum ersten Mal selbst inszenieren. Wie viele andere theaterwissenschaftliche Institute betreibt auch die LMU eine studentische Studiobühne. Im Moment finden die Aufführungen in einem kleinen Hinterhoftheater statt. Tamo ist verantwortlich für Regie, Bühnenbild. Ihre Kommilitonin Jessica unterstützt sie als Dramaturgin bei der Textfassung.  

Ob sie ihr theoretisches Wissen anwenden kann? Gerade die Menschenführung, die Arbeit mit den Schauspielern, die Kommunikation mit den Bühnentechnikern, mit dem gesamten Team, ist eine Herausforderung, die man in keinem Seminar lernt. Als Regisseurin muss sie den Laden zusammenhalten, ist als „Chefin“ die Autorität bei den Proben. Gar nicht so einfach, wenn als Schauspieler nur die eigenen Freunde auf der Bühne stehen.

"Es ist einerseits angenehm, weil man mit denen ja viel und gerne redet, andererseits muss man aufpassen, dass man keine falschen Punkte trifft. Denn wenn was schiefläuft, ist es eben nicht nur auf Arbeitsebene, sondern auch auf Privatebene. Man muss einfach bei jedem den richtigen Ton treffen, ich muss mit jedem anders sprechen.
Die Schauspieltheorien aus dem Grundkurs haben mir da sehr geholfen, wenn man denen erklärt, wie man in eine Rolle reinschlüpft, vor allem, da nicht alle meine Freunde als Schauspieler ausgebildet sind."

(Tamo Gvenetadze)

Szene aus "Himmel über Tiflis" von Tamo Gvenetadze.

Für viele ist das Theaterwissenschaftsstudium nur Einstieg und Übergangsstation. Danach bewerben sie sich noch auf Regie-, Schauspiel- oder Theaterschulen, wo sie vor allem den praktischen Feinschliff erhalten. Ob’s mit der Karriere am Theater klappt, ist dennoch fraglich. Es gibt nur sehr wenige Stellen, einigen Theaterwissenschaftlern, sofern sie nicht der Uni erhalten, bleibt nur die Peripherie des Kulturbetriebs, in Behörden oder Pressestellen. Manche wechseln auf die andere Seite und bringen ihre Skills als Theaterkritiker in Stellung. Tamo will kämpfen und sich durchbeißen, vielleicht bald eine begehrte Regieassistenz bei einem der Großen an Land ziehen.  

Die Premiere von „Himmel über Tiflis“ läuft jedenfalls sensationell. Das Publikum sitzt sogar noch auf den Treppen. Und auch die anderen Vorstellungen sind gut besucht. Im Oktober 2018 wird „Himmel über Tiflis“ vielleicht noch einmal in den Spielplan aufgenommen. Außerdem plant Tamo für den Sommer eine neue Inszenierung: „Tattoo“ von Igor Bauersima.


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