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Forderung nach fairer Bezahlung Doktorarbeit mit Tarifvertrag

Muss die Doktorarbeit eine Zeit des Hungerlohns sein? Um die Bezahlung  von Doktoranden ist eine Diskussion entbrannt. Denn die Universitäten haben nicht genug Geld, um alle Doktoranden mit vollen Stellen zu entlohnen, , oft ist die Situation für Nachwuchsforscher prekär. Campus Magazin fragt Doktoranden, welche Finanzierung sie sich in ihrer Qualifikationsphase wünschen.

Von: Monika Haas

Stand: 07.11.2020

Forderung nach fairer Bezahlung: Doktorarbeit mit Tarifvertrag

Die Junge Akademie, die Gewerkschaft Bildung und Erziehung GEW und Stiftungen machen kontroverse Vorschläge, wie sich Nachwuchswissenschaftler in Zukunft fairer und verlässlich  finanzieren können, damit sie sich ohne Geldsorgen auf ihre Doktorarbeit konzentrieren können.

"Ich wünsche mir eine Vollzeitstelle, bezahlt nach Tarif und am besten unbefristet."

(Jan-Hinnerk Freytag, Doktorand und Mitglied GEW)

Allerdings arbeitet Jan-Hinnerk derzeit  auf einer halben Stelle an der Europa-Universität Flensburg. Vollzeitstellen sind für Promovierende außerhalb großer Forschungsinstitute, etwa  Max-Planck Institute in Deutschland unüblich. Und: Trotz entsprechender Empfehlung des Bundes-Wissenschaftsministeriums und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) arbeitet Freytag  deutlich mehr für die promotionsferne und schlecht bezahlte  “Teilzeit”-Stelle als für sein Promotions-Thema – wie der Großteil der Nachwuchsforscher. Hinzu kommt: Die durchschnitliche Promotionsdauer liegt bei vier Jahren, befristete Stellen werden aber höchstens für drei Jahre vergeben.

GEW: Unbefristete Festanstellung

Wie finanzieren sich Doktoranden?

Die Gewerkschaft Bildung und Erziehung hat einen Leitfaden zur Promotion entwickelt und fordert, dass aus bisherigen Richtlinien gesetzliche Vorgaben werden, die alle Hochschulen  umsetzen müssen: 75% freie Zeit für die Promotion  und eine Vollzeitstelle für jeden, Die Realität sieht anders aus. 1300 Euro netto  monatlich - für einen Teilzeitvertrag findet Jan-Hinnerk seine Bezahlung formal angemessen, er liegt damit im Durchschnitt. Aber angesichts von Zusatzaufgaben und realen Zeitaufwand  fühlt er sich prekär bezahlt.

Mehr  Verlässlichkeit und Unabhängigkeit

"Ohne Doktoranden wäre Forschung und Lehre an Universitäten garnicht mehr möglich."

(Philipp Jäker, Doktorand)

Die Professoren und Professorinnen sind beschäftigt mit Projekt- und Förderanträgen und Betreuung, sie haben nicht die Zeit selbst im Labor zu stehen, so sein Argument. Philipp hat nach seinem Chemie-Abschluss in einem EU Projekt geforscht und schlägt vor, dass Deutschland sich ein Vorbild an der Schweiz oder den Niederlanden nimmt:

"Die Verträge einer Bundesuniversität wie der ETH Zürich sind deutlich  besser, und in den Niederlanden hatten Promovierende eine Befristung von drei Jahren, mussten sich also nicht wie ich zwischendrin immer wieder neu auf eine Stelle bewerben."

(Philipp Jäker, Doktorand)

Je nach Thema und Form der Promotion,  intern in einem Hochschul- oder DFG Projekt oder extern, bestimmen Betreuer, Uni  und Fachbereich darüber, ob NachwuchsforscherInnen die Chance haben, sich über eine Hochschulstelle als wissenschaftliche Hilfskraft zu finanzieren. Oder jobben müssen. 

Die junge Akademie: Tarifvertrag für alle

Unfair findet das  heutige System “Die junge Akademie”, die Nachwuchsorganisation der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina und macht einen Vorstoß:

"Wir schlagen einen eigenen bundesweiten 'Tarifvertrag Promotion' für alle vor, .. befristet und mit Vollzeitstellen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Forschungszeit."

(Prof. Dr. Robert Kretschmer)

Als Juniorprofessor im Bereich Chemie an der Friedrich-Schiller Universität Jena betreut Kretschmer selbst Promotionen. Der Reformvorschlag soll eine gute Finanzierung für alle Promovierenden sichern  unabhängig vom Budget der Hochschule und von einzelnen Betreuern. Selbst abhängig von befristeten Drittmitteln und Projekten könnten Professoren kaum attraktive Stellen schaffen. Ein „Tarifvertrag Promotion“ soll auch langfristig den Wissenschaftsstandort Deutschland in seiner Vielfalt sichern. Aktuell ist die  Zahl der Promovierenden mit derzeit rund 170 000, zwar hoch, aber:

"Je nach Fachbereich gibt es bereits heute mehr offene Forschungsstellen als qualifizierte Bewerber."

(Prof. Dr. Robert Kretschmer)

Die GEW glaubt nicht, dass ein einheitlicher“Tarifvertrag Promotion” nötig ist und verweist auf bestehende Tarife, die ohne lange politische Verfahren jetzt rasch verbessert werden könnten.

Kompass im Tarifwirrwarr

Gehalt von Doktoranden

Wie eine Stelle tatsächlich honoriert wird, unterscheidet sich je nach Hochschule und Bundesland. Es zählen TV-K und TV-L also Tarife der Kommunen und der Länder für den öffentlichen Dienst. Wichtig ist, erst einen ersten Jahresvertrag abzuschließen. Denn nur im Anschluss daran gibt’s für alle Folgeverträge egal welcher Befristung  eine Höherstufung gemäß Berufserfahrung.

Das  Honorar fällt bei einer 1/2 oder ¼ Stelle entsprechend niedriger aus. Hessen ist nicht dem Tarifvertrag der Länder beigetreten, sondern hat einen eigenen TV-H abgeschlossen.

Stiftungen: Einheitslösung bringt keine Chancengleichheit

13 Begabtenförderwerke, die  Deutsche Forschungsgesellschaft und auch Hochschulen fördern Promotionen. Die Stipendiengeber sehen ebenfalls Verbesserungsbedarf bei der oft prekären Finanzierung. Aber eine Pauschallösung “Tarifvertrag Promotion” überzeugt sie nicht.

"Ich sehe nicht, wie hier die diversen Bedürfnisse und Wünsche von Promovierenden berücksichtigt würden."

(Dr. Annette Julius, Generalsekretärin Studienstiftung d.dt. Volkes)

Die Sorge: Stipendiengeber würden quasi die neue Uni-Stelle der Promovierenden finanzieren, womöglich auf Kosten ihrer Unabhängigkeit und freier Forschungszeit. Andernfalls sei ein „Tarifvertrag Promotion“ ebenfalls ungerecht, sofern sich Stipendiaten weiterhin trotz „Vollzeit-Stelle“ voll auf ihre Forschung konzentrieren dürften, während Nicht-Stipendiaten für ihre Stelle weiterhin bei Prüfungsverfahren, Lehrveranstaltungen etc. mitarbeiten müssten.

Promotionsstipendien

  • individuelle Förderung (Reisezuschuss, Preis)
  • 1365 Euro steuerfrei
  • Büchergeld, ggf. Zuschlag für Kinderbetreuung
  • diverse Angebote ideeller Unterstützung und ein Netzwerk
  • Förderdauer max. 3 Jahre

Alternative: Mehr Individuelle Förderung?

Promovierende können sich auch auf  Einmalzahlung von Stiftungen für besondere Themen oder Reisestipendien  etwa beim Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) oder der Studienstiftung bewerben.

"Ich kann mit meinem Stipendium auch zu Forschungstreffen nach China oder in den Oman reisen. Und mich freiwillig engagieren, in Projekten und bei der Lehre an meiner Universität."

(Valeska Decker, Stipendiatin)

85% aller Doktorarbeiten werden durch ein Stipendium mitfinanziert. Förderzeitraum und Höhe variieren. Sie reichen von einem Preisgeld, über ein Landesstipendium in Höhe von knapp 1000 Euro, bis zu Vollzeit-Stipendien von Hochschulstiftungen. Begabtenförderwerke, Hochschul- und private Stiftungen fördern freie Promotionen in verschiedenen Fachgebieten, wie in Geistes- , Kultur- oder Sprachwissenschaften, deren Bereiche vergleichsweise geringe Unterstützung und Drittmittel von Wirtschaft oder Industrie erhalten.

"Ich habe neben meinem Stipendium noch eine ¼ Stelle bei meinem Doktorvater und fände es bedauerlich, wenn die Freiheit, die mir das Stipendium bietet, verloren ginge."

(Thea Göhring, Doktorandin)

Thea Göhring schreibt an der Universität Bonn ihre Doktorarbeit und ist als Botschafterin der Deutschen Studienstiftung von ihrer Finanzierungswahl überzeugt. Auch vom Lösungsvorschlag der Stiftungen: Mehr Gelder für neue gutdotierte Stipendien, damit deutlich mehr Promovierende frei und unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Betreuer forschen können.


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