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Wald in Gefahr Was dem Wald Probleme macht

"Saurer Regen", Borkenkäfer und Klimawandel - es gibt viele Gefahren für den Wald. An den meisten ist der Mensch mitschuldig und kann auch aktiv etwas dafür tun, dass es dem Wald besser geht.

Stand: 29.08.2022

Ein Waldstück mit abgestorbenen Fichten an den Hängen des Brockens. Die Nadelbäume sind vom Borkenkäfer befallen, dazwischen noch grüne Nadelbäume. Der Nationalpark Harz will die ökologische Sanierung weiter vorantreiben. | Bild: dpa-Bildfunk/Klaus-Dietmar Gabbert

Der Wald in Deutschland ist nicht gesund, das zeigen zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahrzehnte, nicht zuletzt der jährliche Waldzustandsbericht. Viele verschiedene Umweltfaktoren bedrohen den Wald.

1. "Saurer Regen" schädigt Boden und Bäume

Angefangen hat es mit der Sorge um den "sauren Regen" - in den 1980er-Jahren die größte Gefahr für den Wald in den westlichen Industrienationen. Damals wurde Konsens, wie stark Stickoxide, Schwefeldioxid und Ammoniak, die aus Industrieanlagen, Autoabgasen, Haushalt und Landwirtschaft in die Atmosphäre geblasen werden, Bäume schädigen. Diese giftigen Gase gelangen über Regenwasser an Blätter und Nadeln, wo sie sich in Schwefel- und Salpetersäure verwandeln. Dieser "saure Regen" beeinträchtigt die Fotosynthese, stört den Pflanzenstoffwechsel und beschädigt Wurzeln.

Zugleich werden diese Gase von den Bäumen aber auch als Nährstoffe genutzt. Diese einseitige "Düngung aus der Luft" sorgt jedoch für ein unausgewogenes Wachstum. Die Bäume werden anfälliger für Pilzbefall, Insektenfraß, Trockenheit oder Frost, manche verkraften das alles nicht und sterben ab. Vor allem Weißtannen, Kiefern, Fichten und Eichen reagieren sensibel auf diesen Giftcocktail.

Waldsterben durch "sauren Regen" (Aufnahme von 1983).

Bekannt war das Phänomen zwar schon Jahrzehnte vorher, doch erst als die Bilder der zerstörten Bäume und Wälder um die Welt gingen, reagierte die Politik. Maßnahmen zur Luftreinhaltung wurden umgesetzt, hierzulande ist der "saure Regen" nicht mehr die Hauptgefahr für den Wald. 1983 begann man in Deutschland mit der Veröffentlichung der "Waldschadensberichte", heute heißen sie "Waldzustandsberichte."

Auch in Asien ist "saurer Regen" ein Problem, denn die schnelle Industrialisierung in den letzten Jahrzehnten, vor allem in Ostasien, führt zu mehr Luftverschmutzung und Abgasen. Auch hier zeigt sich, dass Maßnahmen zur Lufreinhaltung den "sauren Regen" stark verringern können.

2. Luftschadstoffe stressen den Wald

Zahlreiche Luftschadstoffe sind problematisch für den Wald.

  • Schwefeldioxid (SO2): Der Schadstoff wird passiv über die Spaltöffnungen der Blätter und Nadeln auf genommen und kann ihre Funktion beeinträchtigen. SO2 kann auch Zellen zerstören und die Aufnahme von Kohlendioxid verringern. Das stört den Energiestoffwechsel der Bäume (Fotosynthese). Blätter und Nadeln sterben ab, man sieht das an braunen Flecken am Rand. Darüber hinaus kann der Boden versauern.
  • Stickstoffmonoxid (NO): Stickstoffmonoxid-Verbindungen tragen vor allem zur Versauerung des Bodens bei, aber verschlechtern auch die Fotosyntheseleistung der Bäume.
  • Ammoniak (NH3): Ammoniak hat ebenfalls einen Einfluss auf die Bodenversauerung. Darüber hinaus trägt es über den Stickstoffkreislauf zur Überdüngung des Bodens bei. Das ist ein Problem, weil Wälder in der Regel auf stickstoffarme Umgebungen angepasst sind. Eine Folge: Die Pflanzen reagieren empfindlicher bei großer Kälte und Frost.
  • Ozon (O3): In der Atmosphäre wirkt Ozon als UV-Filter, in Bodennähe hat das Gas aber schädliche Auswirkungen auf die Wälder. Ozon wird auch über die Spaltöffnungen aufgenommen. Sichtbare Folgen sind abgeworfene oder fleckige Blätter und Nadeln oder ein geringeres Wachstum der Bäume.

3. Fichten-Monokultur ist anfällig

Jahrhundertelang wurde der Wald vor allem wirtschaftlich genutzt und dabei entstanden in großem Stil Fichten-Monokulturen. Diese Forste sind aber besonders anfällig für Schädlinge und können schlecht mit der Klimaveränderung umgehen. Seit einigen Jahrzehnten setzen Forstwirte und Umweltschützer darum auf den Waldumbau - weg von der Monokultur, hin zum naturnahen Mischwald.

4. Klimawandel schwächt Bäume

Wärmere Sommer und längere Dürreperioden vertragen viele Bäume nicht, sie trocknen aus. In Deutschland leiden vor allem Fichte und Buche darunter, während das etwa der Tanne offenbar weniger ausmacht. Mischwälder kommen mit dem Klimawandel besser zurecht.

Ebenfalls problematisch: Die Jahreszeiten verändern sich durch den Klimawandel. Das Frühjahr kommt früher und ist milder, der Herbst bleibt länger ungewöhnlich warm. Darum verlängern sich für Bäume die Zeiten des Wachstums. Das kann zu Stress führen und das Zusammenspiel von Pilzen, Bakterien, Viren und Bäumen durcheinanderbringen.

Häufigere und stärkere Unwetterereignisse wie Stürme haben massive Auswirkungen auf den Wald und können zu einer explosionsartigen Ausbreitung von Schädlingen führen.

5. Schädlinge bedrohen die Wälder

Weil der Klimawandel und Monokulturen Wälder anfälliger machen, können sich verschiedenste Schädlinge ausbreiten und ganze Landstriche befallen.

Bekanntestes Beispiel ist der Borkenkäfer. Er selbst profitiert nicht nur vom wärmeren Klima, er schlägt auch bevorzugt im Zuge von Sturmschäden zu, etwa nach "Kyrill" 2007 oder "Emma" 2008. Besonders Wälder im Nordosten Frankens, aber auch Wälder in anderen Regionen Deutschlands leiden immer öfter unter der Invasion des kleinen Schädlings, der von Totholz auch auf gesunde Bäume überspringen kann. Seit 2018 sollen durch die anhaltende Dürre und so auch durch den damit einhergenden Borkenkäferbefall in Deutschland laut Andreas Bitter, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, 400.000 Hektar Wald zerstört worden sein, heißt es im Mai 2022 auf tagesschau.de.

Berg- und Feldulme sind heute weitgehend aus unserer Waldlandschaft verschwunden, dahingerafft von einem Pilz, der vor Jahrzehnten aus Asien eingeschleppt wurde. Komplizen dabei waren zwei heimische Borkenkäfer-Arten: der Große und der Kleine Ulmensplintkäfer. Beim Anlegen ihrer Larvengänge übertrugen sie den tödlichen Pilz auf die Bäume. Nur die Flatterulme erwies sich als ziemlich resistent und wird noch angebaut. Allerdings ist sie eher kleinwüchsig und liefert nicht so viel Holz.

Der Asiatische Laubholzbockkäfer ist meldepflichtig.

Ein weiteres Insekt, das die Bäume bedroht, ist der Asiatische Laubholzbockkäfer. Schädlinge dieser Art tauchten erstmals im Oktober 2014 in der Gemeinde Schönebach im Landkreis Günzburg in Schwaben auf. Betroffene Waldflächen müssen unter Quarantäne gestellt werden. Innerhalb dieser Zone müssen im Umkreis von 100 Metern um jeden befallenen Baum die Laubbäume, die als Wirtspflanzen für den Asiatischen Laubholzbockkäfer in Frage kommen, gefällt und verbrannt werden. Befallene Bäume sind nicht mehr zu retten und sterben binnen weniger Jahre ab. Darum ist der Käferbefall auch meldepflichtig und wird engmaschig überwacht.

Der Japanische Eschenprachtkäfer könnte in Zukunft auch Eschen in Deutschland bedrohen. Der grün-metallisch gefärbte Käfer ist in Russland heimisch und kann den dortigen Bäumen kaum etwas anhaben. Doch er wurde von dort aus in die USA eingeschleppt und befällt Eschen. Die Larven des Käfers fressen Gänge in die Bastschicht der Bäume und zerstören so die Gefäßstruktur. Die Eschen sterben dann ab. In Nordamerika fällt man deshalb rigoros alle Eschen im Umkreis von mehreren Kilometern, sobald ein von Käfern befallener Baum entdeckt wird. In Deutschland sind die Eschenprachtkäfer noch nicht nachgewiesen.

Der Eichenprozessionsspinner kann sich durch den Klimawandel in Deutschland immer weiter ausbreiten. Diese Schmetterlingsraupen fressen ihre Wirtsbäume kahl, wenn sie in Massen auftreten. Aber auch dem Menschen bereitet der Eichenprozessionsspinner Probleme, weil die Raupen Haare haben, die bei Berührung Allergien auslösen können

Esche, die von Chalara fraxinea befallen ist.

Auch Pilzerkrankungen schädigen Bäume. So zum Beispiel der Pilz Chalara fraxinea, der Eschen befällt. Das "Falsche Weiße Stengelbecherchen" stammt ebenfalls aus Asien. Der Schlauchpilz lässt Triebe absterben und Baumkronen welken, wenn er über die Blätter in das Mark der Triebe vordringt.

6. Wildverbiss schädigt junge Triebe

Die einen wetzen sich am Baum, die anderen fressen ihn an: Hirsche und Rehe können Bäumen ganz schön zusetzen.

Gibt es viel Schalenwild in den Wäldern, gibt es höchstwahrscheinlich auch viel Wildverbiss und Fegeschäden, also Schäden an Rinde und Ästen, weil zum Beispiel Hirsche ihr Geweih an Bäumen abstreifen. Beides schadet den Bäumen ungemein. Baumtriebe sind ein Leckerbissen für die Tiere. Doch das kann das Wachstum eines Waldes bremsen. Vor allem die Gipfeltriebe sind begehrt. Doch wenn die abgenagt sind, kann der Baum nicht mehr optimal wachsen. Aus ökonomischer Sicht ist er dann entwertet und kann nur noch Brenn- und kein Qualitätsholz mehr liefern.

Problematischer ist jedoch der Schaden aus biologischer Sicht: Bei Keimlingen kann schon ein einmaliger Verbiss zum Sterben des Baumes führen. Auch älteren Pflanzen setzt ein mehrmaliges Anfressen zu. Rehe zum Beispiel bevorzugen Tannen und Laubbäume - und weniger Fichten und Kiefern. Die Sorge: Mit ihren Mahlzeiten können die Tiere dazu beitragen, dass die Baumartendiversität sinkt.

Entsprechende Rahmenbedingungen im Bundesjagdgesetz (BJG) sind daher zum Schutz des Waldes wichtig. Konkret heißt das: Die Jäger müssen so viel Wild schießen, dass sich der Wald naturnah verjüngen kann. Laut Statistik des Deutschen Jagdverbands sind es je nach Jagdjahr zum Beispiel bundesweit weit über eine Million Rehe, Rot- und Damhirsche. Wichtig dabei: Die Jagd allein führe aber noch nicht zum Waldumbau, Mischwälder müssten aktiv gepflanzt werden, so der DJV. Waldbesitzer, Tierschützer und Jäger geraten hierüber immer wieder in Streit.

Ein Plastikschutz vor Wildverbiss bei einer Rotbuche.

Bei zu viel Wild werden Areale mit jungen Bäumen zum Schutz aufwändig und kostspielig umzäunt. Junge Triebe können auch direkt an den Spitzen geschützt werden.

Wie hoch der Wildbestand letztlich sein sollte, um Wald und Wild in Einklang zu bringen, hängt immer vom Zustand des Waldes ab. Um den zu dokumentieren, werden die Reviere regelmäßig auf Verbiss-Spuren hin untersucht. Diese Daten sind dann die Grundlage für die künftige Abschussplanung. In Bayern wird dieser Plan in Abstimmung zwischen Revierinhabern, Jägern und Jagdbehörden bei Rehen immer für drei Jahre festgelegt. Die Jagd soll dann dafür sorgen, dass der Wildverbiss wieder abnimmt - und die Bäume ungestört wachsen können.

Wald in Gefahr - Quellen und weitere Infos:


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