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Bergwald und Schutzwald Bergwälder brauchen besonderen Schutz

Die Hälfte der bayerischen Alpen ist mit Wald bedeckt. Der Bergwald muss besonders geschützt werden - weil er besonders wichtige Funktionen erfüllt und weil er besonders gefährdet ist.

Stand: 15.03.2021

Das Klausbachtal im Berchtesgadener Land. Beim Wald in Bayern nimmt der Bergwald eine besondere Stellung ein: Der Großteil davon ist als Schutzwald definiert - weil er so wichtige Schutzfunktionen erfüllt. Der Wald selbst muss jedoch auch geschützt und fit für den Klimawandel und die Zukunft gemacht werden. | Bild: picture-alliance/dpa/Zoonar/Rico Ködder

Die Hälfte der bayerischen Alpen - rund 260.000 Hektar - ist mit Wald bedeckt. Er schützt Menschen, Häuser und Straßen vor Hochwasser, Lawinen, Erdrutschen und Steinschlägen. Die Bäume bewahren den Boden vor Erosion und filtern Wasser. Der Bergwald ist außerdem Lebensraum für viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten, viele davon sind gefährdet, wie zum Beispiel das Auerhuhn. Aufgrund seiner wichtigen Schutzfunktionen sind 60 Prozent des Gebirgswaldes nach dem Bayerischen Waldschutzgesetz als Schutzwald ausgewiesen.

Bergwald und Schutzwald

Der Begriff "Schutzwald" wurde bereits 1852 im ersten Forstgesetz für Bayern beschrieben. Das Waldgesetz für Bayern definiert in Artikel 10 den Schutzwald als Wald in den Hoch- und Kammlagen, auf Standorten, die zur Verkarstung neigen oder stark erosionsgefährdet sind, als Wald, der dazu dient, Lawinen, Felsstürzen, Steinschlägen, Erdabrutschungen, Hochwassern, Überflutungen, Bodenverwehungen oder ähnlichen Gefahren vorzubeugen oder die Flussufer zu erhalten. Von den etwa 260.000 Hektar Bergwald besitzen 60 Prozent Schutzwaldstatus: Rund 147.000 Hektar Wald sind in Bayern als Schutzwald ausgewiesen. Damit wird der Bergwald großteils zum Schutzwald - der selbst besonders schützenswert ist. Quelle: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Der Bergwald ist gefährdet

Klimawandel im Bergwald

In den Alpen ist der Klimawandel deutlich zu spüren: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad Celsius gestiegen - fast doppelt so viel wie im weltweiten Mittel.

Der Bergwald ist jedoch auch selbst in Gefahr. Experten gehen davon aus, dass sich der Klimawandel besonders drastisch auf die Bergwelt auswirkt, die Temperaturen dort schneller steigen und extreme Wetterereignisse wie Starkregen zum Beispiel häufiger auftreten. Doch nicht nur der Klimawandel, auch Stürme, Schädlinge und sogar das darin lebende Wild setzen dem Wald in den Bergen so zu, dass er besonders geschützt und gepflegt werden muss.

Borkenkäfer: Kleine Käfer bringen dem Wald in Bayern den Tod

Der Bergwald wäre eigentlich ein natürlicher Mischwald

Ein Sturm fegt Bäume nieder. Ein Bergwald, der aus vielen verschiedenen Baumarten unterschiedlichen Alters besteht, ist widerstandsfähig.

Die natürliche Baumgrenze in den bayerischen Alpen liegt etwa bei 1.700 Metern. Den natürlichen Bewuchs bis 1.400 Meter bildet Bergmischwald mit den Hauptarten Fichte, Tanne und Buche. Je höher man kommt, umso mehr Fichten trifft man an: Sie ist gut an das raue Gebirgsklima und die kurze Vegetationszeit angepasst. Ab ungefähr 1.500 Metern besteht der natürliche Bergwald hauptsächlich aus Fichten, einzelnen Bergahornbäumen, Lärchen und Vogelbeeren. An wenigen Stellen, hauptsächlich in den Berchtesgadener Alpen und im Wettersteingebirge, gibt es auch Lärchen-Zirben-Wälder. Auf trockenen Südhängen, in Föhntälern oder auf Kiesflächen entlang der größeren Flüsse dominieren Kiefern. In Block-, Schlucht- und Hangschuttwäldern sind Edellaubholzarten wie Bergahorn, Bergulme und Esche zuhause.

Erkennen Sie die Laubbäume?

Der natürliche Bergmischwald wurde verdrängt

Alpen ohne Bäume: Bergwälder wurden schon vor Jahrhunderten für Viehweiden gerodet.

Etwa ab dem 12. Jahrhundert ließen sich immer mehr Menschen im bayerischen Alpenraum nieder. Schon im 15. Jahrhundert hatten sie den Wald auf ein Drittel seiner ursprünglichen Fläche zurückgedrängt. Almbewohner schafften Platz für Alm- und Weideflächen und nutzten das Holz zum Bauen und Heizen. Große Mengen an Holz wurden auch für die Salzgewinnung und Glasherstellung verbraucht. Holz war wichtiger Rohstoff und Wirtschaftsfaktor. Über die Flüsse wurden Baumstämme nicht nur ins Voralpenland, sondern sogar bis nach Wien und Budapest geflößt.

"Alles was Blätter hat, muss raus" aus dem Wald

"Alles was Blätter hat, muss raus", lautete damals die Devise, im Wald wurde der Fichte der Vorzug gegeben: Sie war sowohl für die Salzherstellung als auch für das Flößen besser geeignet: Buchen ließen das Feuer zum Sieden zu heiß werden und waren zu schwer und trieben schlechter auf dem Wasser. Vor allem im 19. Jahrhundert bepflanzte man Berghänge großflächig mit Fichten.

Vom Mischwald zum Fichtenwald in den bayerischen Alpen

Gesucht statt Fichtenflächen: ein anpassungsfähiger, widerstandsfähiger Bergmischwald, der auch weiterhin seine Schutzfunktionen erfüllen kann.

Über die Jahrhunderte wurde so die Baumgrenze an vielen Orten nach unten verschoben. In den von Natur aus eigentlich artenreichen Bergmischwäldern ging der Bestand an Laubbäumen massiv zurück. Die Bergwälder wurden großteils zu Fichtenwäldern. Über die Hälfte der Bäume, fast 60 Prozent, im Alpenraum sind heute Fichten. Die Tanne macht rund sieben Prozent aus, die Kiefer zwei Prozent. Die Buche hat einen Flächenanteil von fast 20 Prozent, Bergahorn und Esche kommen zusammen auf rund zehn Prozent. Lärchen, Zirben, Vogelbeeren, Mehlbeeren, Erlen, Birken und Weiden spielen in den bayerischen Alpen eine untergeordnete Rolle.

Voraussetzungen für einen intakten Schutzwald

Ein intakter Schutzwald

Als Schutzwald kann der Bergwald seine Funktionen nur dann optimal erfüllen, wenn er intakt ist: Er sollte dauerhaft aus verschiedenen Baumarten unterschiedlichen Alters bestehen.

Verschiedene Baumarten

Natürlicherweise besteht der Bergmischwald vor allem aus Fichten, Buchen und Tannen. Weil die einzelnen Baumarten mit unterschiedlichen Böden und Klimabedingungen zurechtkommen, ist er so besonders anpassungsfähig und widerstandsfähig. Wenn sich die Wuchsbedingungen zum Beispiel durch klimatische Veränderungen ändern oder Schädlinge auftreten, sind auch nicht alle Baumarten gleich betroffen. Die Schutzfähigkeit des Bergmischwalds bleibt dann erhalten - vor allem, weil er neben den Hauptbaumarten meist auch noch Arten wie Bergahorn, Bergulme, Esche, Linde, Kiefer, Mehl- und Vogelbeere aufweist.

Unterschiedliches Alter

Auch Bäume verschiedenen Alters und damit auch verschiedener Höhen machen einen Bergwald stabil und widerstandsfähig. Der Wind kann nicht einfach so durch- und ganze Baumflächen kahlfegen. Lawinen, Erdrutsche und Steinschläge werden besser abgefangen. Wenn ältere Bäume absterben oder gefällt werden, können jüngere Bäume in der Umgebung deren Funktion nahtlos übernehmen. Die Tanne hat den großen Vorteil, dass sie jahrzehntelang im Schatten der älteren Bäume überleben und dann entstehende Lücken rasch füllen kann.

Dauerhafter Bestand

Damit der Bergwald seine Funktion als Schutzwald erfüllen kann, muss er dauerhaft bestehen: Ist der Boden von Wurzeln durchsetzt, wird er vor Erosion geschützt. Im Schutz der älteren Bäume können sich die jüngeren entwickeln und später deren Aufgaben nahtlos übernehmen.

Quelle: Broschüre "Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen". Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten"

Gebirgswald und Schutzwald in den Bergen stärken

Wem der Bergwald in Bayern gehört

53 Prozent des Bergwaldes in den bayerischen Alpen sind Staatswald und damit Eigentum des Freistaats Bayern.
43 Prozent sind Privatwald.
4 Prozent sind Kommunalwald, gehören also Städten und Gemeinden. (Quelle: Broschüre "Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen". Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten")

Knapp zehn Prozent der Schutzwälder - etwa 14.000 Hektar - können ihren Schutzfunktionen nicht mehr optimal nachkommen und müssen deshalb saniert werden. Aufgrund der Waldbesitzverteilung im Gebirge liegen 70 Prozent davon im Staatswald, 21 Prozent im Privatwald und 9 Prozent im Kommunalwald. Vor allem die Fichte leidet in den tieferen Lagen unter der im Klimawandel zunehmenden Hitze und Trockenheit. In den höheren Lagen könnten manche Bäume vielleicht sogar von höheren Durchschnittstemperaturen und längeren Vegetationsperioden profitieren.

"Als sanierungsnotwenig gelten Schutzwälder, wenn ihre Funktionstauglichkeit deutlich gestört ist und diese im Rahmen der regulären Waldbewirtschaftung nicht wieder hergestellt werden kann."

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Ziel: Bergmischwald mit weniger Fichten und mehr Tannen

Tannenoffensive

Im Rahmen der "Tannenoffensive" soll der Anteil der klimatoleranten Weißtanne im Bergwald in den nächsten Jahrzehnten auf deutlich über 10 Prozent gesteigert werden. Quelle: Broschüre "Grundsätze der Waldbewirtschaftung im Hochgebirge". Bayerische Staatsforsten

Bei der Pflege und des Wiederaufbaus von Gebirgswald und Schutzwald in den Bergen müssen die Folgen des Klimawandels berücksichtigt werden. Der Bergwald muss sich an die sich ändernden Umweltbedingungen anpassen können und widerstandsfähiger werden. Viele verschiedene, standortgemäße Baumarten sind gefragt, der Bergwald soll damit langfristig großflächig verjüngt werden. Ziel sind weniger flachwurzelnde Fichten, dafür mehr Buchen, Edellaubbäume und Tannen. Tannen besitzen ein tiefreichendes Wurzelwerk und halten den Klimaveränderugen gut stand, sie sind für den Bergwald unverzichtbar.

Junge Bäume vor Verbiss und Schnee schützen

Die jungen Bäume können jedoch nur wachsen, wenn sie nicht gleich von Wild wie Rehen oder Gämsen beschädigt werden. Gerade im Schutzwald muss der Wildbestand deshalb durch Jagd reguliert werden. Genauso müssen die zarten Bäume auch durch Verbauungen vor Gleitschnee geschützt werden.

Politische Maßnahmen stärken den Bergwald

1984: Bergwaldbeschluss

Die Grundlage für den Erhalt und die Pflege des Bergwaldes bildet der Bergwaldbeschluss des Bayerischen Landtags von 1984: Der Beschluss enthält unter anderem Vorgaben zur Bewirtschaftung des Bergwalds und zum Umgang mit Schalenwild, um dem Wald vor Verbiss zu schützen.

1986: Schutzwaldbeschluss

1986 ist das Geburtsjahr der Schutzwaldsanierung in Bayern: Der Bayerische Landtag beschloss, den Zustand und die Gefährdung der Schutzwälder zu ermitteln und Defizite zu beheben.

1991: Alpenkonvention

Die Alpenkonvention von 1991 ist ein völkerrechtlicher Vertrag zum Schutz und der nachhaltigen Entwicklung der Alpen. Unterzeichner sind die Bundesrepublik Deutschland, alle weiteren sieben Alpenstaaten und die Europäische Union. Das Bergwaldprotokoll aus dem Jahr 1994 setzt die Ziele der Alpenkonvention im Bereich der Berg- und Schutzwälder um.

2008: Bergwaldoffensive

2008 hat die Bayerische Staatsregierung die Bergwaldoffensive ins Leben gerufen. Die beschlossenen Maßnahmen in bestimmten Projektgebieten unterstützen vor allem private und kommunale Waldbesitzer dabei, den Bergwald für den Klimawandel und damit für die Zukunft fit zu machen.

2015: Alpenstrategie der EU

Die EU-Kommission beschloss 2015 auf Initiative Bayerns und weiterer Alpenregionen die Alpenstrategie der Europäischen Union (EUSALP). Im gemeinsamen Aktionsplan sind verschiedene ökonomische und ökologische Schwerpunkte festgehalten - unter anderem auch der Schutz der Bergwälder.

Weitere Maßnahmen

Mittlerweile gibt es viele verschiedene Arbeitsgemeinschaften, Aktionspläne, Projekte, Plattformen, Netzwerke und Förderprogramme, die alle ein Ziel haben: den Bergwald erhalten und stärken.
(Quelle: Broschüre "Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen". Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten")

Maßnahmen zum Bergwald-Schutz in Bayern

Private und kommunale Waldbesitzer, die Bayerischen Staatsforsten und die Bayerische Forstverwaltung arbeiten gemeinsam daran, den Bergwald zu pflegen und zu stärken. In alten Beständen werden die Kronen gelichtet, damit die jungen Bäumchen im Schutz ihrer großen Nachbarn aufwachsen können. Wo sich nicht von selbst Mischbaumarten niederlassen, werden sie gepflanzt. Später werden ältere Baume entnommen, um dem Nachwuchs Platz zu schaffen. Beim regelmäßigen Durchforsten bekommen gesunde Bäume mehr Licht und Platz. Entnommene Äste und Bäume können an Ort und Stelle verrotten und den übrigen Pflanzen Nährstoffe liefern. Vom Borkenkäfer befallene Stämme müssen rechtzeitig erkannt und abtransportiert werden.

Erfolge bei der Bergwald-Pflege in Bayern

11. Dezember - Internationaler Tag des Berges

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat den 11. Dezember zum Internationalen Tag des Berges ("International Mountain Day") deklariert. Damit soll das Bewusstsein für die enorme Bedeutung der Bergwelt einschließlich der Bergwälder gestärkt werden.

Die Pflege von Bergwald ist im Vergleich zum Wald im flachen Land aufwändiger, schwieriger, gefährlicher und teurer. Und die Erfolge lassen länger auf sich warten, weil der Wald im Gebirge aufgrund der niedrigeren Temperaturen und kürzeren Vegetationsperioden langsamer wächst. Viele Dutzend Millionen Euro flossen in den vergangenen Jahrzehnte bereits in den Schutz und die Pflege von Bergwald und Schutzwald. Millionen junger Bäume wurden gepflanzt. Die über die Jahre geleistete Arbeit zeigt Erfolg: In den Jungbeständen nähern sich die verschiedenen Baumarten wieder der natürlichen Verteilung im Bergmischwald an. Bei knapp zwei Drittel aller bearbeiteten Sanierungsflächen wurden die Sanierungsziele laut dem Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forstenbislang bislang erreicht.

Bergwald in Bayern - Quellen und weiterführende Infos:


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