Unser Universum Urknall - Der Anfang von allem

Von: Franziska Konitzer, Stefan Geier

Stand: 22.08.2023

Am Anfang war der Urknall: Aus einem unendlich winzigen Punkt soll vor rund 13,82 Milliarden Jahren unser Universum entstanden sein. Unser Kosmos, aller Raum und alle Zeit existieren erst seit diesem Punkt - oder?

Dieses Bild zeigt einen Ausschnitt aus einer Aufnahme des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Es ist quasi ein "Babyfoto" unseres Universums, das älteste Bild, das wir vom Universum machen können.  | Bild: ESA/Planck Collaboration

Das Universum ist unendlich groß und es war schon immer da? Nein. Obwohl Wissenschaftler zu Beginn des 20. Jahrhunderts tatsächlich von einem solch statischen Universum ausgegangen sind, fanden sie seitdem heraus: Das Universum dehnt sich aus, es expandiert. Das bedeutet aber auch, dass es irgendwann vor langer Zeit überhaupt erst damit begonnen haben muss, sich auszudehnen. Diesen Beginn, diesen Anfang von Allem, nennen Wissenschaftler den Urknall.

Entdeckt: Die Ausdehnung des Universums

Der Astronom Edwin Hubble (1889 - 1953) hat entdeckt, dass sich weit entfernte Galaxien von uns aus gesehen wegbewegen - egal, in welche Himmelsrichtung man schaut. Das war der erste Hinweis darauf, dass sich das Universum in alle Richtungen ausdehnt.  | Bild: picture alliance / Photo12/Ann Ronan Picture Librar | -

Edwin Hubble entdeckte, dass sich weit entfernte Galaxien alle von uns wegbewegen. Es war der erste Hinweis auf die Ausdehnung des Universums.

Idealisiert: Das Universum als Guglhupf

Das Universum als Guglhupf: Man kann sich unser All vereinfacht als Hefekuchen vorstellen, in dem die einzelnen Galaxien wie darin verbackene Rosinen sind. Im Backofen geht der Kuchen auf. Dabei entfernt sich alles voneinander, nicht nur die Rosinen.  | Bild: picture alliance / Zoonar | Karl Allgäuer

Perfektes Modell-Universum: der Guglhupf, in diesem Fall mit Amaretto-Rosinen

Um sich die Ausdehnung des Universums zu verbildlichen, könnt ihr euch das All vereinfacht als Hefekuchen vorstellen. Die einzelnen Galaxien würden den darin verbackenen Rosinen entsprechen. Im Backofen geht der Kuchen auf. Dabei entfernt sich alles voneinander, nicht nur die Rosinen.

Vorstellungskraft: Alles bewegt sich von allem weg

"So ähnlich kann man sich das im Universum vorstellen. Da trifft auch das Hefekuchen-Modell zu, also ein Hefekuchen, in dem Rosinen verteilt sind. Ich setze mich auf eine Rosine und der Kuchen wird gebacken. Dann bewegen sich alle anderen Rosinen von mir weg."

Jochen Weller, Ludwig-Maximilians-Universität München, Research Group Physical Cosmology

DIY: Anleitung für ein expandierendes Universum

  • Wenn ihr keine Rosinen im Hefekuchen mögt, könnt ihr euch das expandierende Universum auch alternativ veranschaulichen. Dafür benötigt ihr folgende Zutaten: einen Luftballon, einen Stift und etwas Puste.
  • Malt auf den Luftballon in unaufgeblasenen Zustand Punkte auf. Diesen Schritt könnt ihr euch sparen, wenn ihr über einen bereits zuvor bepunkteten Luftballon verfügt.
  • Pusten!
  • Ihr werdet sehen: Alle Punkte auf dem Luftballon bewegen sich voneinander weg. Es gibt auch keinen Mittelpunkt auf der Oberfläche des Luftballons, der sich nicht bewegen würde.
  • So ähnlich verhält es sich mit den Galaxien im Universum. Sie alle bewegen sich voneinander weg. Es gibt keinen Mittelpunkt des Universums.
  • Der Luftballon ist natürlich eine Vereinfachung. Seine Punkte dehnen sich auf einer zweidimensionalen Oberfläche aus, während in unserem Kosmos dreidimensionale Galaxien expandieren. Streng genommen ist es die vierdimensionale Raumzeit selbst, die expandiert.
  • Hier stößt die Analogie des Luftballons an ihre Grenzen.

Video: Der Urknall bei Space Night science

Altes Licht: Durch die Jahrmilliarden bis fast zurück zum Urknall

Das Hubble eXtreme Deep Field ist eine der berühmtesten Aufnahmen des Hubble Weltraumteleskops. Es zeigt Galaxien, deren Licht teilweise weit über 13 Milliarden durch das Universum unterwegs war.  | Bild: NASA; ESA; G. Illingworth, D. Magee, and P. Oesch, University of California, Santa Cruz; R. Bouwens, Leiden University; and the HUDF09 Team

Das Hubble eXtreme Deep Field zeigt Galaxien, deren Licht teilweise über 13 Milliarden Jahre durch das Universum unterwegs war.

Wenn sich alles immer schneller voneinander weg bewegt, kann man berechtigterweise fragen: Woher kommt alles? Derartige Zeitreisen können Astronomen und Kosmologen mit Licht unternehmen. Sie arbeiten mit Teleskopen wie beispielsweise dem Hubble Weltraumteleskop oder dem James Webb-Weltraumteleskop. Damit können sie altes Licht einsammeln, alt genug, dass Forscherinnen und Forscher damit fast ganz zurück zum Anfang schauen können.

Licht ist schnell. Genauer gesagt, ist Licht das Schnellste, das wir bislang kennen. Es reist mit rund 300.000 Kilometern pro Sekunde durch das All. Würde man auf dem Mond eine große Lampe anknipsen, die auf der Erde sichtbar ist, dann braucht es eine gute Sekunde, bis wir ihr Licht sehen. Etwas weiter weg scheint unsere Sonne, von ihr zu uns braucht das Licht etwa acht Minuten. Ihr Licht ist also acht Minuten 'alt', wenn es auf die Netzhaut in unseren Augen trifft. Je weiter also der Ort entfernt ist, von dem wir Licht einsammeln können, desto älter ist es.

Ist ein Teleskop gut genug, kann man damit Lichtteilchen aufschnappen, die fast so alt sind wie das Universum selbst.

Ältestes Licht: Wann war der Urknall?

Der kosmische Mikrowellenhintergrund wurde von der Weltraummission Planck über Jahre hinweg genau vermessen.  | Bild: ESA and the Planck Collaboration

Der kosmische Mikrowellenhintergrund ist sehr homogen. Die Farbunterschiede geben Temperaturschwankungen von wenigen Millionstel Grad an.

Auch die besten Teleskope der Welt können nicht bis ganz zurück zum Urknall sehen. Denn ganz am Anfang war das Universum noch viel zu dicht und viel zu heiß, als dass sich Licht darin hätte ausbreiten können. Rund 400.000 Jahre hat es wohl gedauert, bis unser Kosmos so weit ausgedehnt und abgekühlt war, dass er für Licht durchsichtig werden konnte. Die Strahlung, die zu diesem Zeitpunkt freigesetzt wurde, erfüllt unser Universum bis heute. Es ist die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung.

Zuletzt hat das Planck-Weltraumteleskop diesen Mikrowellenhintergrund für den gesamten Himmel genau vermessen und sozusagen ein "Babyfoto" des Universums gemacht. Doch was in den ersten 400.000 Jahren direkt nach dem Urknall passiert ist, kann auch die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung nicht direkt verraten. Somit ist sie Babyfoto des Universums und Vorhang vor dem Urknall zugleich.

Allerdings konnten Wissenschaftler mithilfe der Daten des Planck-Weltraumteleskops genauer bestimmen, wann der Urknall wohl stattgefunden hat: vor rund 13,82 Milliarden Jahren.

Nach dem Urknall: Wie sah das Universum kurz nach dem Urknall aus?

"Genau genommen sehen wir eben nichts, weil es zu heiß ist, um etwas wirklich sehen zu können. Wir fühlen, dass es sehr heiß ist. Wenn wir uns fragen würden, was wir fühlen können, dann ist das vielleicht irgendwo heißer, irgendwo weniger heiß ... Fühle ich da so etwas, was sich ansammelt, oder das sich irgendwo mehr Materie ansammelt als woanders? Erstaunlicherweise ist die Antwort: Nein, das tun wir nicht. Sondern alles würde, unabhängig davon, wo ich meine Arm hinausstrecke, gleich heiß sein."

Anna Ijjas, New York University, New York, Center for Cosmology and Particle Physics

Aber: Was ist wirklich beim Urknall passiert?

Ein Zeiger wird an der Kirchturmuhr der Lübecker Jakobikirche angebracht.  | Bild: picture alliance/dpa | Rainer Jensen

Sinnbild für den Anfang der Zeit beim Urknall: Ein Zeiger wird an der Turmuhr der Lübecker Jakobikirche angebracht.

Die kurze Antwort auf die Frage, was beim Urknall passiert ist, lautet: Niemand weiß es. Und: Niemand kann es wissen. Natürlich könnt ihr extrapolieren und das expandierende Universum im Geiste zurückspulen. Es wird kleiner und immer heißer, ihr hebt den Vorhang des kosmischen Mikrowellenhintergrunds, seht nichts mehr und dann wird es noch mal viel kleiner und noch viel heißer. Zu klein, zu heiß, als dass Atome zusammenhalten würden. Das Universum ist mit einer unvorstellbar heißen, wabernden Suppe gefüllt. So weit kommt die gängige Urknall-Theorie gerade noch. Aber was zum Zeitpunkt Null geschah, das kann die Urknall-Theorie schon nicht mehr beschreiben. Streng genommen ist die Urknall-Theorie eine Geschichte, die erst nach dem eigentlichen Urknall einsetzt.

Wenn ihr euch jetzt fragt, was vor dem Urknall war, lautet manchmal die Antwort von Wissenschaftlern darauf, dass diese Frage keinen Sinn ergibt. Denn im Urknall sei nicht nur die Materie entstanden, die unser Universum erfüllt, sondern auch die Raumzeit an sich. Somit gab es kein "vor" dem Urknall, da die Zeit selbst erst mit dem Urknall entstanden sei.

Kurz nach dem Urknall: Quantenfluktuationen und Inflationstheorie liefern Erklärung

"Wenn wir um uns rumgucken, sehen wir ja überall am Himmel Galaxien. Und die Frage ist, wo die eigentlich herkommen, was ihr Ursprung ist. Die Modellvorstellung lautet, dass es im frühen Universum trotzdem Regionen gab, die mehr Masse hatten als andere Regionen, die weniger Masse hatten. Diese Schwankungen auf der kleinsten Ebene der Teilchen werden mit der Ausdehnung des Universums riesengroß. Sie bilden die Saatkörner für Galaxien und alle Strukturen, die wir im Universum sehen. Und jetzt können wir nachschauen, wie die Galaxien im Universum verteilt sind, und ob das mit der Verteilung, die wir aus den kleinsten Skalen aus der Mikrophysik kennen, in Einklang zu bringen ist. Und das funktioniert sehr, sehr gut."

Jochen Weller, Ludwig-Maximilians-Universität München, Research Group Physical Cosmology

Wirklichkeit? Der Urknall und seine Alternativen

  • Das Szenario, was kurz nach dem Urknall passiert ist, wird mit sogenannten Urknall-Theorien beschrieben.
  • Die Urknall-Theorien setzen ganz kurz nach dem Urknall ein und reichen bis zur Entstehung der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung, rund 300.000 bis 400.000 Jahre nach dem Urknall.
  • Ältere, bzw. jüngere, Beobachtungen haben Wissenschaftler nicht. Einige Hoffnung wird aber in Gravitationswellen gesetzt, die als Reste vom Urknall eigentlich übrig geblieben sein sollten. Mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten sind diese Gravitationswellen derzeit aber noch nicht messbar.
  • Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung ergeben, dass seit dem Urknall rund 13,82 Milliarden Jahre vergangen sind. Seitdem dehnt sich das Universum aus.
  • Eine Komponente von Urknall-Theorien ist die kosmische Inflation: Sie beschreibt, dass das Universum ganz zu Beginn exponentiell, also inflationär, gewachsen ist. Diese Inflation könnte Quantenfluktuationen aufgeblasen und eingefroren haben. Diese Fluktuationen spiegeln sich als winzige Temperaturschwankungen im kosmischen Mikrowellenhintergrund wieder. Heutzutage sind sie als großräumige Strukturen im Universum zu sehen, als riesige, dunkle Leerräume, als hell leuchtende Filamente und Haufen aus Galaxien.
  • Allerdings können Urknall-Theorien nicht alles erklären. So wissen wir beispielsweise seit einigen Jahrzehnten, dass sich das Universum nicht nur ausdehnt, sondern auch, dass es dabei immer schneller wird. Was dahintersteckt, wissen Forscher allerdings nicht. Sie nennen es deshalb Dunkle Energie.
  • Solange man das Wesen der Dunklen Energie nicht kennt, kann man auch die Entwicklung des Universums nicht vollständig beschreiben.
  • Ein weiteres Problem: Beim Urknall kommen sich zwei existierende Theorien ins Gehege, nämlich Einsteins Relativitätstheorie und die Quantenphysik. Beide treffen für sich betrachtet Vorhersagen, die bislang durchgängig experimentell bestätigt sind. Allerdings vertragen sich diese beiden Theorien nicht, sie lassen sich mathematisch nicht miteinander in Einklang bringen. Das ist ein Problem, wenn man beide gleichzeitig braucht, so wie beim Urknall. Es gibt derzeit keine funktionierende Theorie der Quantengravitation.
  • Da der Urknall derzeit nicht vollständig verstanden ist und auch gängige Urknall-Theorien an ihre Grenzen stoßen, haben auch alternative Erklärungsversuche und Szenarien eine Daseinsberechtigung.
  • Manche von ihnen sind mehr, manche weniger plausibel.
  • Eine bizarre Theorie spielt beispielsweise mit dem Gedanken, unser Universum könnte aus einem Schwarzen Loch herausgeploppt sein. Allerdings gibt es wahrscheinlich keine Möglichkeit, diese Theorie zu beweisen oder zu widerlegen.
  • Eine andere Theorie ersetzt den Big Bang, den Urknall, mit einem Big Bounce. Urprall statt Urknall, ein ständiger Kreislauf. Demnach hat sich das Universum vor dem Urknall zusammengezogen und schließlich wieder ausgedehnt. Die Frage, ob das nun schon ewig so geht, oder ob auch dieser Kreislauf irgendwann einmal begonnen hat, kann allerdings auch die Big Bounce Theorie nicht beantworten. In gewisser Weise hat man das Problem des eigentlichen Anfangs damit lediglich verschoben.
  • Darüber hinaus fehlen auch dieser Theorie die Belege. Die Big Bounce Theorie kann aber zumindest mathematisch bei Wissenschaftlern punkten, da sie keine Theorie der Quantengravitation benötigt.
  • Es gibt es noch weitere Vorschläge, wie der Urknall vonstatten gegangen sein könnte. Es gibt Theorien, die folgende Faktoren in Betracht ziehen: Spiegelversen, Multiversen, chaotische Inflation, Plasma-Universen.
  • All diese Theorien eint, dass sie zwar mathematisch möglich sein könnten, keine von ihnen aber bislang überprüfbare Vorhersagen gemacht hat.
  • Deshalb nutzen die meisten Wissenschaftler heute das Standardmodell der Kosmologie mit einem Urknall als Anfang des Universums, um die Entstehungsgeschichte und die Entwicklung unseres Kosmos nachzuvollziehen, auch wenn es weitaus nicht alle offenen Fragen beantworten kann.

Video: Endlich verstehen, wie alles anfing

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Der Urknall: Endlich verstehen, wie alles anfing | Quarks | Bild: Quarks (via YouTube)

Der Urknall: Endlich verstehen, wie alles anfing | Quarks

Hinter dem Vorhang: Hinweise zum Urknall

Die Entdeckung von Gravitationswellen war neben einem Nobelpreis auch schon eine Briefmarke wert. Könnten Sie auch Hinweise auf den Urknall liefern? | Bild: picture alliance / Andrea Voß-Acker, Wuppertal/Gravitationswellen © S. Ossokine, A. Buonanno (AEI), SXS, W. Benger (AHM)/dpa | Andrea Voß-Acker, Wuppertal

Könnten vielleicht Gravitationswellen Hinweise zum Urknall liefern?

Gravitationswellen: Jenseits des Babyfotos des Urknalls?

"Gravitationswellen entstehen auch im Urknall oder in der Phase der ganz schnellen Ausdehnung. Gravitationswellen entstehen eigentlich immer, wenn man Materie unregelmäßig beschleunigt. Jetzt kann man sich natürlich nicht vorstellen, dass so etwas wie der Urknall, das gewalttätigste Ereignis in der Geschichte des Universums, keine Gravitationswellen erzeugt hat. Eigentlich sollte es diese Gravitationswellen als Hintergrund überall geben - als Nachglühen des Urknalls, ähnlich wie die kosmische Hintergrundstrahlung, nur eben in den kosmischen Gravitationswellen. Wenn wir diese Art von Gravitationswellen entdecken könnten, wäre das wie ein Buch des Urknalls, worin wir direkt lesen könnten. Das wäre dann nicht mehr das Babyfoto vom Universum. Sondern es wäre wirklich das embryonale Stadium, das wir da untersuchen könnten. Damit könnten wir unsere Modelle sehr genau überprüfen."

Jochen Weller, Ludwig-Maximilians-Universität München, Research Group Physical Cosmology

Urknall-Theorie: Das Beste zum Schluss - oder ganz am Anfang?

Die Geschichte unseres Universums hatte einen Anfang, wir nennen ihn Urknall. Sein wahres Wesen und seinen Ursprung kennen wir nicht und können wir wahrscheinlich gar nicht kennen. Aber die theoretische Beschreibung von allem, was danach kam, nämlich die Urknall-Theorie, ist im Moment immer noch die beste, die wir haben.

Der Urknall - Quellen und Sendungen zum Thema