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Erfinder der Pauschalreise Mit Thomas Cook all inclusive um die Welt

Mitte des 19. Jahrhunderts packt die Menschen das Reisefieber. Wer es sich leisten kann, fährt nach London, Paris oder sogar nach Ägypten. Möglich macht das Thomas Cook: Er verkauft erstmals Reisen als Komplettpaket. Die erste Pauschalreise startet am 5. Juli 1841.

Stand: 05.07.2020 | Archiv

historisches Reiseplakat des Reiseunternehmers Thomas Cook | Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

Thomas Cook wird 1808 geboren und wächst in der Nähe von Leicester, ungefähr 200 Kilometer nördlich von London, auf. Dort erlernt er bei einem Onkel das Schreinerhandwerk.

Thomas Cook

An seinem Onkel kann Thomas Cook aber auch die verheerende Wirkung übermäßigen Alkoholkonsums studieren. Mit zwanzig wird Cook Laienprediger in einer Baptistengemeinde und setzt sich vehement gegen die Trunksucht ein. Als in der benachbarten Stadt Loughborough ein Treffen von Alkoholgegnern geplant ist, hat er eine Idee: Die Mitglieder der Temperenzler-Vereinigung von Leicester sollen daran teilnehmen. Mit dem neuartigen Verkehrsmittel Eisenbahn will er sie in den 16 Kilometer entfernten Ort bringen.

Reise mit Spaß und Verpflegung - Erfolgsmodell Komplettpaket

Neuartiges Transportmittel: die Eisenbahn

Um für seinen Ausflug Mitreisende zu finden, druckt Cook Reklamezettel und verteilt sie in Leicester und den umliegenden Dörfern. Außerdem druckt er Tickets und verkauft sie für einen Schilling. Neben Hin- und Rückfahrt ist "eine zusätzliche Attraktion in Form einer Gala" im Preis inbegriffen. Die Gala besteht darin, dass die Reiseteilnehmer im Park von einem Freund von Thomas Cook Tee und Gebäck angeboten bekommen. Außerdem werden sie während der Reise von einer Blaskapelle unterhalten.

Die erste Pauschalreise 1841

Am frühen Morgen des 5. Juli 1841 fährt die Lokomotive in den Bahnhof von Leicester ein. Sie zieht neun Waggons hinter sich her, die weder Dach noch Sitze haben. 570 Passagiere und die Blaskapelle steigen ein, während Hunderte darauf warten, ihnen nachzuwinken. Unterwegs und bei der Ankunft in Loughbourogh schlägt den Ausflüglern Jubel entgegen. Die Reise ist ein Erfolg und Thomas Cook der Erste, der einer Gruppe von Menschen ein Paket an touristischen Leistungen verkauft hat: eine gemeinsame Fahrt zu einem bestimmten Ziel, alkoholfreie Getränke, Attraktionen. Die Pauschalreise ist erfunden!

Vom Ehrenamt zum Unternehmer Thomas Cook

Gruppenreisen mit Thomas Cook

Cook verdient mit der Reise nach Loughborough keinen Penny. Auch mit den Reisen in die nähere und weitere Umgebung, die er in den nächsten drei Jahren für die Vereinigung der Alkoholgegner plant, organisiert und leitet, macht er keinen Gewinn. Doch dann veranstaltet er seine erste kommerzielle Reise: 350 Personen fahren mit ihm nach Liverpool. Viele von ihnen sehen zum ersten Mal in ihrem Leben das Meer.

Erfinder von Reisekatalog und Reisescheck

All inclusive ins Ausland

Die erste Auslandspauschalreise bot Thomas Cook seinen Landsleuten am 17. Mai 1861 an: Mit Eisenbahn und Schiff ging es auf das europäische Festland nach Paris - all inclusive, natürlich bis auf Hochprozentiges. Das kam dem erklärten Alkoholgegner auch weiterhin nicht ins Rundumpaket.

Cook hat vorher mit Eisenbahngesellschaften verhandelt, Restaurants und Hotels in Augenschein genommen und ein genaues Reiseprogramm ausgearbeitet: "A Handbook of the Trip to Liverpool". In diesem Handbuch sind sämtliche Stationen der Reise genau verzeichnet, bis hin zu den Abfahrts- und Ankunftszeiten der Züge. Jeder, der mitfahren will, kann sich ein genaues Bild von dem machen, was er für sein Geld geboten bekommt. Damit verfasst Thomas Cook den ersten Reisekatalog der Welt.

Reiseschecks von Thomas Cook

Bald weitet Cook sein Angebot aus. Er veranstaltet Reisen nach Schottland, dann zu den Weltausstellungen in London und Paris. Um unterwegs den Zahlungsverkehr zu erleichtern, führt er zwei Hilfsmittel ein, die noch heute gebräuchlich sind: den Hotel-Voucher und den Reisescheck.

Mit Thomas Cook einmal um die Welt

Ein Dampfer von Thomas Cook

Immer mehr Menschen reisen mit Thomas Cook. Erst durch ganz Europa, später nach Ägypten und ins Heilige Land. 1872 veranstaltet das Unternehmen seine längste Reise: In 222 Tagen fahren die Teilnehmer mit dem Dampfer über den Atlantik, durchqueren den amerikanischen Kontinent, reisen mit dem Schiff nach Japan und auf dem Landweg über China und Indien zurück nach Europa.

Thomas Cook-Reisebüro in Jerusalem

Damit ist nicht nur die Pauschal-Weltreise geschaffen, sondern auch der Weg gebahnt zum Ärger über die Pauschal-Touristen. Der in Italien lebende irische Journalist Charles Lever etwa störte sich als einer der Ersten an den Reisegruppen von Thomas Cook, die sich durch die Altstädte von Florenz oder Siena schoben:

"Sie kommen nicht zu zweit oder zu dritt, sondern sie kommen in Horden. Sie starren uns an, lachen uns aus und stören unsere Gottesdienste; sie missbilligen unsere Kleidung, rümpfen die Nase über unsere Küche und machen sich über unsere Sprache lustig. Wenn sich an diesem touristischen Treiben nichts ändert, dann wird uns nichts Geringeres als ein Krieg wieder die Wertschätzung verschaffen müssen, die wir einst in Europa genossen haben."

Charles Lever, Journalist

Vom Reiseveranstalter zum Logistikunternehmen

Das Büro von Thomas Cook an der Londoner Fleet Street um 1890

Als Thomas Cook nicht mehr alle Reisen selber leiten kann, macht er seinen Sohn John Mason Cook zu seinem Partner. Unter seiner Leitung wird die Firma Thomas Cook und Sohn zu einem Großunternehmen mit Niederlassungen in zahlreichen Ländern. Es führt auch Transporte für die britische Armee durch und übernimmt Postdienste in Ägypten.

Doch je mehr Betätigungsfelder John Mason auftut, desto größer werden die Differenzen zwischen ihm und seinem Vater. Thomas Cook zieht sich schließlich im Jahr 1879 aus dem Geschäft zurück. Im Alter von 83 Jahren stirbt er, sein Sohn John Mason überlebt ihn nur um sechs Jahre. Dessen drei Söhne verkaufen das Familienunternehmen 1928 an einen ausländischen Konzern. Im Jahr 2019, rund neunzig Jahre später, geht das einstige Familienunternehmen insolvent.

Übrigens: Mit seinem berühmten britischen Namensvetter James Cook, der ein knappes Jahrhundert vor ihm buchstäblich durch die Weltgeschichte segelte, war Thomas Cook, soweit bekannt ist, nicht verwandt.


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