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Pandemien und Epidemien Wie Pandemien entstehen

Es gibt immer wieder neue Infektionskrankheiten. Auslöser sind Viren oder Bakterien. Manche Erreger bleiben lokal begrenzt, andere wandern als Pandemie um die Welt.

Von: Veronika Bräse

Stand: 03.01.2023

Das Corona-Virus SARS-CoV-2 wurde im Jahr 2019 zum ersten Mal in China in der Großstadt Wuhan nachgewiesen. Dann wanderte es um den gesamten Globus und richtete viel Leid an: Die Johns Hopkins Universität zählte im Dezember 2022 weit über sechseinhalb Millionen Todesopfer. In Deutschland ist das Coronavirus zwar immer noch vorhanden, aber es breitet sich nicht mehr unkontrolliert aus, Virologen gehen von einem baldigen Ende der Pandemie aus. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Seuchen, Epidemien und Pandemien hat es immer wieder gegeben. Das Szenario könnte sich also auch in Zukunft wiederholen.

Der Unterschied zwischen Epidemie und Pandemie

Bleibt der Ausbruch einer Infektionskrankheit räumlich begrenzt, spricht man von einer Seuche oder Epidemie. Tritt die Krankheit in mehreren Ländern oder sogar weltweit auf, handelt es sich um eine Pandemie.

Definition einer Pandemie

Eine Pandemie bezeichnet eine weltweite Epidemie. Sie wird durch neue Erreger verursacht, die in der Lage ist, schwere Erkrankungen hervorzurufen und sich gut von Mensch zu Mensch zu verbreiten. Da dieser Erreger zuvor nicht oder sehr lange nicht in der menschlichen Bevölkerung vorgekommen ist, ist das Immunsystem nicht darauf vorbereitet und somit weitgehend ungeschützt. Pandemien führen meist zu hohen Todeszahlen.

Influenzaviren verbreiten sich jedes Jahr

Grippewellen sind meist Epidemien, bis auf die schweren nach den Weltkriegen. Dazu zählt die sogenannte "spanische Grippe" von 1918/1919. Allein in Europa forderte sie mindestens 20 Millionen Menschenleben. Auf der Nordhalbkugel breitet sich die saisonale Grippe mittlerweile immer im Herbst und Winter aus. Da sich die jährlichen Grippeviren ähnlich sind, kann sich das Immunsystem in der Regel dagegen wehren. Auch ein Impfstoff lässt sich jedes Jahr aufs Neue finden. Jährlich sterben in Deutschland bis zu 15.000 Menschen an der saisonalen Grippe, vor allem Senioren und Vorerkrankte. In den meisten Fällen läuft es aber glimpflich ab, weil ein gewisser Schutz vorhanden ist, auch wenn sich das Grippevirus immer wieder minimal verändert.

Bisher unbekannte Erreger können Pandemien auslösen

Alle dreißig oder vierzig Jahre passiert es, dass sich ein Influenzavirus durch Mutationen drastisch wandelt. Möglich ist auch, dass ein Coronavirus wie SARS-CoV-2 plötzlich zum Problem wird. Das menschliche Immunsystem kann einem neuen Erreger wenig entgegensetzen.

"Das vorrangige Kriterium für eine Pandemie ist: Es muss sich im Prinzip um ein völlig neues Virus für den Wirt Mensch handeln. Das heißt, der Immunschutz gegen dieses Virus fehlt. Ganz so wie wir es bei SARS-CoV-2 erlebt haben: Wir haben überhaupt keine Immunantworten, auf die wir zurückgreifen können."

Gerd Sutter, Virologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Leicht übertragbare Erreger können zu einer Pandemie führen

Überträgt sich ein neues Virus, mit dem sich das Immunsystem noch nicht auseinandergesetzt hat, auch noch leicht von Mensch zu Mensch, kann eine Pandemie entstehen.

"Das ist der zweite Faktor bei einer Pandemie: Der Erreger kann ganz schnell und leicht von Mensch zu Mensch übertragen werden. Somit verbreitet er sich womöglich auf der ganzen Welt."

Gerd Sutter, Virologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Ist ein Erreger dem Immunsystem neu und überträgt er sich leicht von Mensch zu Mensch, kann er sich in Windeseile auf der ganzen Erde verbreiten. Bei SARS-CoV-2 kommt hinzu, dass das Virus bereits zu einem frühen Zeitpunkt ansteckend ist, noch bevor ein Infizierter Symptome zeigt. Außerdem überträgt sich das Virus leicht über Aerosole. Es reicht dafür lauteres Sprechen, kräftiges Ausatmen, Singen oder Nießen.

Die Pest verbreitete sich rasend schnell

Die Pest, die vor allem im 6. und 14. Jahrhundert in Europa wütete, gehört zu den verheerendsten Epidemien überhaupt. Sie ist noch nicht besiegt: Die WHO meldete zwischen 1978 bis 1992 insgesamt 1.451 Todesfälle in 21 Ländern. Im Jahr 2017 gab es in Madagaskar mehrere Tausend Ansteckungen - 200 Menschen starben. 2019 bestätigte China vier Pestinfektionen. Die Krankheit lässt sich heutzutage mit Antibiotika behandeln.

Die schlimmsten Pandemien der Geschichte

Pest

Die Pest gibt es auch heute noch.

Die Pest wurde durch ein hochgradig ansteckendes Bakterium ausgelöst und von infizierten Flöhen und Ratten auf Menschen übertragen. Es gab die Beulen- und die Lungenpest. Im 14. Jahrhundert starb ein Drittel der europäischen Bevölkerung an der Pest. Heute lässt sich die Infektion mit Antibiotika behandeln.

Spanische Grippe

Die Spanische Grippe ging Anfang des 20. Jahrunderts als Pandemie um die Welt.

Die Spanische Grippe wurde durch ein Influenza-Virus (H1N1) ausgelöst. Ihr erlagen vor allem jüngere Menschen zwischen 20 bis 40 Jahren. Zwischen 1918 und 1920 starben rund 50 Millionen weltweit an der Spanischen Grippe.

Asiatische Grippe

Für die asiatische Grippe konnte ein Impfstoff gefunden werden.

Die Asiatische Grippe hatte ihren Ursprung in China. Sie war leicht von Mensch zu Mensch übertragbar und forderte weltweit in den Jahren 1957 und 1958 ein bis zwei Millionen Todesopfer. In Deutschland starben rund 30.000 Menschen.

Cholera

Die Cholera fordert bis heute Todesopfer.

Bei der Cholera wird vor allem der Dünndarm durch Bakterien infiziert. Das führt zu Erbrechen und Durchfall. Sie hat bereits sieben Pandemien ausgelöst. Die jüngste begann 1961 und hält bis heute an. Weltweit sind mehrere Millionen Menschen an Cholera gestorben. Die jährliche Mortalität liegt bei etwa 100.000 Todesfällen.

AIDS

Die Immunschwächekrankheit AIDS ist heute eine chronische Erkrankung.

Das HI-Virus tritt seit 1980 auf und verursacht beim Menschen die Immunschwächekrankheit AIDS. Das Virus wird durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten wie Blut, Sperma, Vaginalsekret und Muttermilch übertragen. Bisher sind rund 36 Millionen Menschen an AIDS gestorben.

SARS

Unklar ist, ob Schleichkatzen SARS übertragen können.

SARS ist eine Atemwegserkrankung, die durch ein Coronavirus ausgelöst wird. Immer noch ist ungeklärt, ob das Virus von Fledermäusen oder Schleichkatzen auf den Menschen übergegangen ist. Die Pandemie in den Jahren 2002 und 2003 führte weltweit zu 1.000 Todesopfern.

Schweinegrippe

Die Schweinegrippe gehört zu den Zoonosen.

Die sogenannte Schweinegrippe geht - ebenso wie die Spanische Grippe - auf das Influenza-Virus H1N1 zurück. Sie wurde im Jahr 2009 erstmals entdeckt. Weltweit schätzt man rund 18.000 Todesfälle.

MERS

MERS steht für "Middle East Respiratory Syndrome" und ist eine Atemwegserkrankung.

Genauso wie SARS wird auch MERS von einem Virus aus der Familie der Coronaviren verursacht. Es ist von Fledermäusen auf Kamele und dann auf den Menschen übergegangen. MERS ist seit 2012 bekannt und forderte rund 850 Todesopfer.

SARS-CoV-2

Das SARS-CoV-2-Virus hat eine Pandemie ausgelöst mit über 6,5 Millionen Todesopfern weltweit.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat seinen Ursprung wahrscheinlich auf einem Tiermarkt in der Großstadt Wuhan in China. Es gehört somit auch zu den Zoonosen, kann im Menschen verschiedene Organe befallen und zum Tod führen.

Erreger sind anfangs unberechenbar

Ob ein Erreger das Zeug dazu hat, sich über den Erdball zu verbreiten und großen Schaden anzurichten lässt oft am Anfang der Ausbreitung noch nicht erkennen. Das zeigt sich erst im Laufe der Zeit.

"Wir kennen nicht alle detaillierten Charakteristika, die generell zu einem echten Pandemie-Virus führen. In der Petrischale oder in in-vitro Experimenten können wir zumindest noch keine Aussage treffen, ob sich aus einem Virus mal ein gefährliches Pandemie-Virus entwickeln wird."

Gerd Sutter, Virologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Zoonosen - Infektionen durch Tiere

Tiere können Erreger übertragen und zu Pandemien führen. Zecken sind besonders gefürchtet.

Es gibt Infektionskrankheiten, die ihren Ursprung bei Tieren haben. Wie und wann SARS-CoV-2 erstmals vom Tier auf den Menschen übertragen wurde, ist nach wie vor ungeklärt. Fest steht, dass der erste größere Covid-19 Ausbruch sich 2019 auf einem Tiermarkt im chinesischen Wuhan ereignete. Dort werden Pangoline (Schuppentiere) verkauft, die in China als Delikatesse gelten. Neben Fledermäusen stehen die Schuppentiere im Verdacht, das Virus auf den Menschen übertragen zu haben - wie schon eine frühere Version des SARS-Virus im Jahr 2003. Auch die sogenannte Schweinegrippe, die 2009 entdeckt wurde, hatte ihren Ursprung im Schwein. Das Ebola-Virus, das in den Jahren 2014 und 2015 in Westafrika wütete, stammte von der Fledermaus. Auch Tollwut und Borreliose kommen bei Tier und Mensch vor. In solchen Fällen spricht man von Zoonosen. 

UNO warnt vor Anstieg der Zoonosen

Virologen gehen davon aus, dass es weltweit etwa 40 Viren gibt, die ein Pandemiepotential hätten. Tiere können diese Viren in sich tragen, ohne daran zu erkranken. Kommen sich Mensch und Tier zu nah, kann es zu einer Übertragung kommen.

"Wenn wir weiterhin die Tierwelt ausbeuten und unsere Ökosysteme zerstören, können wir in den kommenden Jahren einen stetigen Strom von Krankheiten erwarten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden."

Inger Andersen, Chefin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP)

Die sechs Warnstufen der Weltgesundheitsorganisation

Stufe eins

Geringes Risiko: Keine neuen Subtypen des Erregers werden beim Menschen entdeckt.

Stufe zwei

Höheres Risiko: Ein im Tierreich zirkulierender Subtyp birgt ein möglicherweise höheres Krankheitsrisiko für den Menschen.

Stufe drei

Pandemische Warnperiode: Die Tierkrankheit breitet sich auf andere Länder und Kontinente aus. Menschen stecken sich zwar an, aber nur im Ursprungsland und nur bei sehr engem Kontakt.

Stufe vier

Steigende Übertragungsrate: Im Ursprungsland und außerhalb werden kleinere Herde von Mensch-zu-Mensch-Übertragungen festgestellt. Noch ist das Virus nicht sehr gut an den Menschen angepasst.

Stufe fünf

Signifikante Übertragungsrate: Es kommt zu Mensch-zu-Mensch-Übertragungen in größerer Zahl, auch außerhalb des Ursprungslandes oder -kontinents. In dieser Phase ist das Virus besser an den Menschen angepasst.

Stufe sechs

Pandemie-Periode: Ein Virus wird weltweit in der gesamten Bevölkerung von Mensch zu Mensch übertragen.

Wenn Mensch und Tier immer näher zusammenrücken, weil Lebensräume aufgrund wachsender Bevölkerungszahlen enger werden, schwindet der natürliche Puffer zu den Wildtieren, die gefährliche Erreger in sich tragen können. Wärmere Temperaturen, die wegen des Klimawandels auftreten, schaffen für Keime jeder Art ideale Bedingungen, sich zu vermehren und zu verbreiten. Viele Faktoren führen dazu, dass Pandemien in Zukunft vermutlich noch häufiger auftreten werden als bisher.   

Sendungen zu Pandemien und Epidemien:


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