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Friedensnobelpreis 2017 Auszeichnung für Anti-Atomwaffen-Kampagne Ican

Der Friedensnobelpreis 2017 geht an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (Ican). Die in Genf ansässige Organisation erhält die hoch renommierte Auszeichnung für ihre weltweiten Bemühungen zur Abrüstung.

Von: Heike Westram, Roana Brogsitter

Stand: 06.10.2017 | Archiv

Transparent | Bild: Reuters

Der Kampf gegen Atomwaffen war bereits vorab Favorit für die Verleihung in diesem Jahr gewesen, nachdem US-Präsident Donald Trump wiederholt damit gedroht hatte, das Abkommen mit dem Iran aufzukündigen und Nordkorea im Streit um seine atomare Aufrüstung nicht eingelenkt war.

ausführlicher Bericht

Sascha Hach (l-r), Xanthe Hall und Anne Balzer von ICAN Deutschland, äußern sich am 06.10.2017 bei einer Pressekonferenz in Berlin zur Verleihung des Friedensnobelpreises an die "International Campaign to Abolish Nuclear Weapons" (ICAN). | Bild: pa/dpa/Kay Nietfeld zum Artikel Auszeichnung in Oslo Friedensnobelpreis für Anti-Atomwaffen-Kampagne Ican

Die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (Ican) bekommt den Friedensnobelpreis 2017. Die Entscheidung besitzt angesichts der Atomtests in Nordkorea eine hohe politische Signalkraft. Von Heike Westram und Roana Brogsitter [mehr]

"ICAN", ein Bündnis aus 450 Friedensgruppen und Organisationen, erhalte die Auszeichnung für "ihre Arbeit, Aufmerksamkeit auf die katastrophalen humanitären Konsequenzen von Atomwaffen zu lenken", wie das norwegische Nobelkomitee in Oslo bekanntgab. "Ican" habe sich immens um ein vertragliches Verbot solcher Waffen bemüht.

Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen setzt sich seit zehn Jahren für ein vertragliches Verbot von Atomwaffen ein. "Ican" hatte unter anderem das im Juli in New York beschlossene UN-Abkommen für ein Atomwaffenverbot begleitet.

"Durch ihre inspirierende und innovative Unterstützung der UN-Verhandlungen über einen Vertrag zum Verbot nuklearer Waffen hat Ican eine große Rolle dabei gespielt, etwas herbeizuführen, das im heutigen Zeitalter einem internationalen Friedenskongress entspricht."

Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende des Komitees für den Friedensnobelpreis

Deutschland hat Vereinbarung nicht unterzeichnet

Ican nach der Nominierung zum Friedensnobelpreis 2017

Kritiker sehen in der Vereinbarung allerdings eher einen symbolischen Akt, da er nicht von den Atommächten unterzeichnet wurde. Auch Deutschland hat das Abkommen nicht unterzeichnet. Die Bundesregierung gratulierte "Ican" dennoch zum Nobelpreis. "Die Bundesregierung unterstützt das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen", sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Doch die Notwendigkeit nuklearer Abschreckung bestehe weiterhin, da einige Staaten Atomwaffen als Mittel militärischer Auseinandersetzungen betrachten, so Demmer.

Keine Reaktion auf Trump

Die Preisvergabe sei nicht als Zurechtweisung in welcher Richtung auch immer zu verstehen, machte Reiss-Andersen auf eine Frage klar, ob die Auszeichnung etwas mit der Kritik von US-Präsident Donald Trump am internationalen Atomabkommen mit dem Iran zu tun habe. Der Preis sei eine Ermutigung und schicke Botschaften an alle Länder dieser Erde - vor allem aber an diejenigen, die im Besitz von Atomwaffen sind. 

«Wir leben in einer Welt, in der das Risiko größer als seit langer Zeit ist, dass Atomwaffen gebraucht werden», erklärte das Komitee. Als Beispiel für die Gefahr, dass weitere Länder nach Atomwaffen strebten, führte es in ihrer Begründung explizit Nordkorea an.

Friedensnobelpreis als wichtigste Auszeichnung weltweit

Die Bekanntgabe des Friedensnobelpreisträgers ist jedes Jahr der Höhepunkt in der Reihe der sechs Nobelpreis-Verkündungen. Er gilt als wichtigste Auszeichnung weltweit und hat einen hohen politischen Stellenwert. Theoretisch hat die Jury über den Preis die Möglichkeit, in einen aktuellen Konflikt einzugreifen. Genau dies hat sie in diesem Jahr getan.

Manche Entscheidungen erscheinen allerdings rückblickend fragwürdig. Dies zeigt zuletzt die scharfe Kritik an der Friedensnobelpreisträgerin von 1991, Aung San Suu Kyi. Seinerzeit wurde sie als Ikone des friedlichen Kampfes für Freiheit und Demokratie gefeiert. Heute ist sie Regierungschefin in Myanmar. Ihre heute passive Haltung zur Unterdrückung und Verfolgung der Rohingya-Minderheit steht für viele in krassem Widerspruch zur Ehrung von einst. Viele fordern deshalb, ihr den Preis wieder abzuerkennen. Dies ist laut den Statuten des Preises jedoch nicht möglich.

Welche Namen auch immer schon vorab durch die Medien geistern - reine Spekulation. Denn das Nobel-Komitee hält bis zur letzten Minute geheim, wer den Nobelpreis bekommt. Wer zwar nominiert war, ihn aber doch nicht bekommt, darüber wird noch weitere fünfzig Jahre Stillschweigen gewahrt. Bekannt ist nur, dass 215 Personen und 103 Organisationen nominiert waren.

Fünf deutsche Friedens-Nobelpreisträger

1901 wurde der Friedensnobelpreis zum ersten Mal vergeben - an Henri Dunant, den Gründer des Roten Kreuzes, und an Frédéric Passy, den Gründer der französischen Friedensgesellschaft. Seither haben insgesamt fünf Deutsche den Friedensnobelpreis erhalten - zuletzt 1971 der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt für seine Ostpolitik.

Die Jury

Der Friedensnobelpreis ist der einzige der renommierten Preise im Gedenken Alfred Nobels, der nicht vom schwedischen, sondern einem norwegischen Komitee vergeben wird. Nobel selbst hat nie erklärt, wie es zu dieser Ortswahl kommt. Doch da zu Nobels Lebzeiten Schweden und Norwegen noch vereinigt waren und das norwegische Parlament nur für innenpolitische Fragen verantwortlich war, hielt Nobel die Norweger vermutlich für nicht so leicht manipulierbar. Vergeben wird der Preis von fünf Politikern, die vom norwegischen Parlament gewählt werden, darunter Ex-Politiker und Friedensforscher. Ausgezeichnet werden soll wer

"am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker und für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen gewirkt hat."

Alfred Nobel darüber, wem der Friedensnobelpreis gebührt

Seit 1960 werden auch der Einsatz für Menschenrechte und seit 2004 das Wirken für die Umwelt geehrt. Verliehen wird er - wie auch die anderen 5 Nobelpreise - am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels. Das Preisgeld wurde dieses Jahr auf neun Millionen schwedische Kronen erhöht. Dies entspricht rund 940.000 Euro.

Preisträger der vergangenen Jahre

  • 2016: Juan Manuel Santos, Präsident von Kolumbien, für seine Anstrengungen, den mehr als fünfzig Jahre andauernden Bürgerkrieg in dem Land zu beenden
  • 2015: Tunesisches Quartett für nationalen Dialog für ihre Bemühungen um eine pluralistische Demokratie in Tunesien
  • 2014: Malala Yousafzai (Pakistan) & Kailash Satyarthi (Indien) für ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Kindern und für deren Recht auf Bildung
  • 2013: Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OVCW) für ihren weltweiten Einsatz gegen Chemiewaffen
  • 2012: Die Europäische Union für ihre jahrzehntelange Verbreitung von Frieden und Versöhnung
  • 2011: Ellen Johnson Sirleaf, Leymah Gbowee und Tawakkul Karman für ihren gewaltfreien Kampf für die Sicherheit von Frauen und für das Recht der Frauen auf volle Beteiligung an friedensbildender Arbeit.
  • 2010: Liu Xiaobo, inhaftierter Dissident und Bürgerrechtler aus China
  • 2009: der damalige US-Präsident Barack Obama für seine Bemühungen um eine Stärkung der internationalen Diplomatie
  • 2008: Martti Ahtisaari für seine Vermittlungen in zahlreichen internationalen Kriegen und Konflikten
  • 2007: Al Gore und der Weltklimarat für ihren Kampf gegen den Klimawandel
  • 2006: Professor Mohammed Junus für seine Grameen Bank in Bangladesch
  • 2005: Die Internationale Atomenergieorganisation IAEO und ihr Generalsekretär Mohammed el-Baradei
  • 2004: Wangari Muta Maathai
  • 2003: Schirin Ebadi
  • 2002: Jimmy Carter
  • 2001: Die UNO und ihr Generalsekretär Kofi Annan

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