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Leonardo da Vinci Universalgenie der Renaissance

Leonardo da Vinci malte das berühmteste Lächeln der Welt - das der Mona Lisa. Außerdem konstruierte er Waffen und träumte vom Fliegen - seine Hand brachte tausend Ideen zu Papier. Er war das Universalgenie der Renaissance.

Von: Dorit Kreissl, Marlene Riederer

Stand: 14.04.2022 | Archiv

Leonardo da Vinci - im Hintergrund die Mona Lisa | Bild: picture alliance/imageBROKER

Leonardo da Vinci war ein Künstler, der sich zum Wissenschaftler machte. Er war einzigartig auf seine Weise - unerreicht in der Vielfalt seines Schaffens, denn er war ein Meister auf vielen Gebieten - nicht nur auf dem der Malerei: Er war Bildhauer, Anatom, Musiker, Stadtplaner, Geograph, Ingenieur, der optische Geräte, Schleusen, Kriegsmaschinen und Fluggeräte konstruierte.

Die Kunst als Vorstufe der Naturwissenschaft

Selbstporträt von Leonardo da Vinci

Für Leonardo da Vinci war der scheinbare Gegensatz von Kunst und Wissenschaft aufgehoben. Beide Bereiche menschlichen Strebens und Schaffens gehörten für ihn untrennbar zusammen: Da Vinci war Künstler und Naturwissenschaftler in einem. Mit ihm begann die naturwissenschaftliche Moderne. Aus seinen Studien, ob nun künstlerisch oder wissenschaftlich angelegt, entwickelte er Visionen, die seiner Zeit weit voraus waren.

Schon zu Lebzeiten ein Universalgelehrter

Diese Vielseitigkeit verschaffte ihm schon zu Lebzeiten den Ruf eines Universalgelehrten. Einer seiner ersten Biographen, Giorgio Vasari, schwärmte 1568:

"Leonardo da Vinci zeichnete sich in allem, was er tat, durch unvergleichliche Begabung aus. Der Ruhm seines Namens erhöhte sich ständig, sodass er nicht nur von seinen Zeitgenossen, sondern weit mehr noch von seiner Nachwelt aufs höchste gepriesen wurde."

Giorgio Vasari, da Vinci-Biograph, 1568

Die Geburtsstunde des Leonardo da Vinci

Am 15. April 1452 kam Leonardo in Vinci bei Empoli auf die Welt, und man nannte ihn später nach diesem kleinen toskanischen Dorf: Leonardo da Vinci. Als uneheliches Kind waren seine beruflichen Chancen von vorneherein begrenzt: Notar, wie sein Vater konnte Leonardo nicht werden, Handwerker dagegen schon. Er wurde in einer Florentiner Werkstatt zum Maler und Bildhauer ausgebildet, denn das waren zur damaligen Zeit Handwerksberufe. Der Typ des individualistischen Künstlers entfaltete sich erst mit Leonardo und seinen Zeitgenossen Michelangelo und Raffael. Insgesamt lassen sich heute aber nur etwa 15 Gemälde dem Künstler da Vinci eindeutig zuordnen. Kunsthistoriker rätseln bis heute über sein Leben und Werk.

Der Mensch Leonardo da Vinci

Zeichnung von Leonardo da Vinci

Über den Menschen Leonardo da Vinci ist nur wenig bekannt. Eine der frühen Quellen ist vor allem Giorgio Vasari, der selbst Maler war. Vasari war ein phantasievoller Mann und ein großer Geschichtenerfinder. Viele seiner Erzählungen sind wohl anekdotisch. Zum Beispiel beschreibt er Leonardo als Mann, "der mit bewundernswerter körperlicher Schönheit begnadet ist". Doch bis heute weiß man nicht genau, wie der Künstler wirklich ausgesehen hat. Ob das bekannte Turiner Selbst-Porträt wirklich von ihm ist, wird heute bezweifelt.

Mit linker Hand - Skizzen und Notizen von besonderer Kunstfertigkeit

Leonardo ist wohl auch einer der berühmtesten Linkshänder der Geschichte, und er machte daraus eine besondere Kunstfertigkeit: Die meisten seiner Notizen schrieb er in Spiegelschrift von rechts nach links. Text und Bild sind in seinen Arbeitsheften eng verflochten. Er schrieb seine Theorien über die Malerei, seine Erkenntnisse über wissenschaftliche Forschungen nieder und illustrierte sie mit unzähligen Zeichnungen, verfasste Rätsel und Aphorismen.

Technische Zeichnungen von da Vinci

Technische Zeichnung von Leonardo da Vinci

Er stellte zeichnerisch die systematischen Methoden der damaligen Naturwissenschaften überaus anschaulich dar. Er visualisierte Theorien und Erkenntnisse mit solcher Eindringlichkeit und Perfektion, dass seine "technischen Zeichnungen" selbst wieder zu Kunstwerken wurden.

Armbrust von Leonardo da Vinci

Mit Mechanik beschäftigte sich Leonardo da Vinci vor allem in seiner Mailänder Zeit. 1483 bewarb er sich um eine Hofstelle bei Ludovico Sforza. Der Herzog von Mailand lag im Krieg mit der Seemacht Venedig. Leonardo diente sich ihm als Waffenkonstrukteur an: Einige der Waffen wurden tatsächlich gebaut, andere blieben Utopie, zum Beispiel Leonardos Riesen-Armbrust auf Rädern oder sein Streitwagen, der das Prinzip des Panzers vorwegnahm.

Mechanischer Flügel von Leonardo da Vinci

17 Jahre diente Leonardo dem Herzog: als Wissenschaftler, Ingenieur, Maler und auch als Festorganisator: Als Hofkünstler hatte Leonardo Zeit für seine wissenschaftlichen Studien. Er fertigte Modelle für Teile des Mailänder Doms, beschäftigte sich mit der Mechanik von Strömungen, konstruierte Wasser-Schleusen, plante die ersten Flugmaschinen.

Das letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci

In den Mailänder Jahren entstanden auch einige bedeutende Gemälde – die "Felsgrottenmadonna", die "Dame mit dem Hermelin" und vor allem das berühmte "Abendmahl", das neun Meter lange und 4,20 Meter hohe Wandgemälde. Damit gelang ihm die lebendigste und natürlichste Darstellung, die bis dato ein religiöses Thema erfahren hatte.

Die anatomischen Studien des Leonardo da Vinci

Studien zu den menschlichen Proportionen von da Vinci

Um 1489 begann Leonardo mit seinen Studien zur Proportion, Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers. Auf der Suche nach der idealen menschlichen Proportion vermaß er monatelang systematisch die Körper junger Männer. Vorbild seiner Arbeit am "Goldenen Schnitt" war die Figur des antiken Architekten Vitruv, die er durch seine empirischen Untersuchungen korrigierte und weiterentwickelte. Der nackte Vitruv-Mann von da Vinci, der mit ausgestreckten Armen und Beinen in die geometrischen Figuren von Kreis und Quadrat eingebunden ist, ziert heute die italienischen Ein-Euro-Münzen oder das Logo einer Krankenkasse.

Schädel-Skizze von Leonardo da Vinci

In seinem Willen, den menschlichen Körper perfekt abzubilden, ging Leonardo jedes Risiko ein und überwand Ekel und Grausen. In Mailand begann er 1487 Leichen zu sezieren – trotz Verbots der Kirche. Er eignete sich so Kenntnisse über den inneren Aufbau des Menschen an und wurde zu einem der Wegbereiter der modernen Anatomie. Und er bildete ab, was er sezierte: Hunderte von Zeichnungen der inneren Organe, Muskeln, Nervenstränge, des Gehirns und des Knochengerüsts entstanden.

1499 stürzten die Franzosen den Herzog von Mailand. Leonardo kehrte zurück nach Florenz und heuerte zwischenzeitlich bei dem Despoten Cesare Borgia als "Kriegsingenieur" an. Anfang 1503 begann er das Bild, das zum berühmtesten der Welt werden sollte.

Das Lächeln der Mona Lisa

Die rätselhafte Mona Lisa war die Florentinerin Lisa del Gioconda. Vasari schreibt, dass der Künstler sein Modell bei Laune hielt, indem er Lautenspieler und Geschichtenerzähler engagierte, um Lisa das berühmte Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Das Porträt entwickelt eine suggestive Kraft, es entsteht eine Interaktion zwischen Bild und Betrachter. Das liegt auch an der von Leonardo entwickelten Maltechnik des Sfumato, die wie ein Weichzeichner wirkt. Die Mona Lisa inspiriert Generationen von Malern.

In seinen letzten Jahren arbeitete Leonardo unter anderem am monumentalen Wandgemälde der Anghiari-Schlacht für den Großen Ratssaal des Palazzo Vecchio in Florenz. Nach drei Jahren ließ er es unvollendet zurück. 1513 wechselte er nach Rom zu seinem neuen Gönner Guliano de Medici und begann eines seiner letzten Meisterwerke "Johannes der Täufer". 1516 folgte er dem Ruf des französischen Königs Franz I. als Hofmaler in Cloux bei Amboise. Hier starb er mit 67 Jahren am 2. Mai 1519.

Einfach abzubilden, reichte da Vinci nicht

Rund 500 Jahre später rätseln die Menschen immer noch über Leben und Werk des Renaissance-Künstlers. Leonardo da Vinci hat die Malerei auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt. Er verstand sich als Universalgelehrter, der durch seine Forschungen über die Natur und den Menschen zu ihrem Wesen vordrang. Nur so konnte er sie meisterhaft und richtig darstellen. Einfach abzubilden, reichte dem Künstler nicht. Leonardo wollte verstehen.

Todestag von Leonardo da Vinci im Jahr 1519

Vor mehr als 500 Jahren starb das italienische Universalgenie Leonardo da Vinci am 2. Mai 1519 im Alter von 67 Jahren in Cloux bei Amboise, wo er für den französischen König Franz I. als Hofmaler arbeitete.


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