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Immunisierung So funktionieren Impfstoffe

Impfen: Das bedeutet, den Körper auf Gefahren vorzubereiten, denen er irgendwann in der Zukunft ausgesetzt sein könnte. Eine trainierte Immunabwehr kann Krankheitserreger niederkämpfen, gegen die sie ohne Vorbereitung keine Chance hätte. Welche Prozesse spielen sich im Körper bei einer Impfung ab?

Stand: 28.04.2021

Was passiert bei einer Impfung? Die Immunabwehr im Körper wird in Gang gesetzt. Im Bild: Darstellung von Blutzellen   | Bild: colourbox.com

Zu den stärksten Waffen der Immunabwehr gehören die Antikörper. Millionen zirkulieren davon im Blut und heften sich an Krankheitserreger an. Die mit Antikörpern gespickten Erreger werden anschließend von Abwehrzellen erkannt und gefressen.

Impfen ist die Vorbereitung auf künftige Krankheiten

Auf jeden Erreger passen nur bestimmte Antikörper. Während einer Infektion steigt die Produktion dieser passenden Antikörper so lange, bis der Eindringling besiegt ist. Danach mottet der Körper die Produktions-Zellen für diese Antikörper ein. Sollte der gleiche Erreger noch einmal in den Körper gelangen, aktiviert die Abwehr diese Zellen und produziert die entsprechenden Antikörper daher viel schneller als beim ersten Kontakt. Deshalb hat der Erreger bei der zweiten Infektion kaum Chancen.

Dieses "Gedächtnis" des Immunsystems ist der Grund, dass man viele - nicht alle - "Kinderkrankheiten" nur einmal durchmacht, und dass man den Körper durch diese sogenannte Aktiv-Impfung auf künftige Krankheiten vorbereiten kann.

Impfstoffherstellung

Erreger als Impfstoff

Für die Herstellung von Impfstoffen werden unter anderem Viren in Zellkulturen gezüchtet.

Impfstoffe werden aus den Erregern von Krankheiten hergestellt. Die Mikroorganismen müssen dazu zunächst in ausreichenden Mengen angereichert werden. Dafür gibt es verschiedene Verfahren. Sie beruhen meist darauf, dass Bakterien in geeigneten Nährmedien und Viren in Zellkulturen gezüchtet werden. Zum Beispiel werden für den Grippeimpfstoff Millionen von Hühnereiern bebrütet, die mit Grippeviren angeimpft sind. Einzelne Bestandteile eines Erregers für einen Impfstoff können aber auch gentechnisch hergestellt werden.

Tot- und Lebendimpfstoffe

Unterteilt werden die Impfstoffe in Tot- und in Lebendimpfstoffe. Totimpfstoffe enthalten abgetötete Keime, Bestandteile der Zelloberfläche der Erreger, oder ihr entgiftetes Gift. Für die "Abtötung" werden verschiedene, auch für den Menschen giftige Substanzen wie Formaldehyd oder Phenol eingesetzt. Trotz Reinigung des Impfstoffes können diese noch enthalten sein. Sie sind aber ungefährlich. So entspricht die maximal erlaubte Menge an Formaldehyd (0,02 Prozent) - also einem Fünfzigstel der Menge, die bei einem Allergietest eingesetzt wird (1 Prozent). Einer der umstrittensten Zusätze ist das quecksilberhaltige Thiomersal. Es ist in den heutigen Fertigspritzen allerdings nicht mehr enthalten.

Lebendimpfstoffe

Für Lebendimpfstoffe werden die Erreger unter Bedingungen gezüchtet, die nicht optimal für das Wachstum sind. Derartig geschwächt sind sie nicht mehr in der Lage, die Krankheit zu verursachen. Trotzdem vermehren sie sich im Körper und trainieren die Immunabwehr, können die Krankheit aber nicht mehr auslösen. Bei der Schluckimpfung gegen die Kinderlähmung konnte es in sehr seltenen Fällen passieren, dass ein abgeschwächter Erreger zurückmutierte und wieder seine ursprünglichen, gefährlichen Eigenschaften erwarb. Eine sogenannte Impfpolio oder Kontaktpolio konnte so auftreten. Nachdem die Kinderlähmung in Deutschland ausgerottet war, wurde deshalb auf einen Totimpfstoff per Spritze umgestellt.

Kombinationspräparate

Viele Impfstoffe werden heute als sogenannte Kombinationspräparate hergestellt, in denen verschiedene Impfstoffe enthalten sind. So kann die Anzahl der Injektionen, also Stiche mit der Spritze, deutlich reduziert werden, was für Kinder weniger Stress bedeutet. Außerdem hat es den Vorteil, dass Hilfs- und Zusatzstoffe, die möglicherweise Impfreaktionen auslösen könnten, nur einmal im Kombi-Präparat benötigt werden. Ein solches Kombinationspräparat ist der Sechsfach-Impfstoff gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Haemophilus influenza Typ B (Hib), Keuchhusten und Polio.

Impfen hieß bisher: Herstellung von Antikörpern

Obwohl Pocken als ausgerottet gelten, wird der Impfstoff für den Notfall heute noch millionenfach in Deutschland gelagert.

Bei der Impfung "infiziert" man den Körper mit abgeschwächten Erregern. Das können lebende Erreger sein, die durch spezielle Zucht oder Bestrahlung geschwächt sind (Lebendimpfstoff). In anderen Fällen dienen abgetötete Erreger als Impfstoff (Totimpfstoff). Besonders sicher ist ein Impfstoff, wenn nur einzelne Bestandteile des Erregers enthalten sind, die zum Beispiel gentechnisch hergestellt wurden. Die Immunabwehr reagiert auf die Trainings-Gegner wie auf echte Erreger: Sie produziert die passenden Antikörper. Weil der Trainings-Erreger aber geschwächt ist, baut der Körper sein Antikörper-Gedächtnis auf, ohne dass es zur Krankheit kommt. Damit hat er den entscheidenden Trainings-Vorsprung, mit dem er eine wirkliche Infektion erfolgreich bekämpfen kann.

mRNA-Impfstoffe – die neue Vakzin-Generation

Ganz anders erfolgt hingegen die Herstellung von sogenannten mRNA-Impfstoffen, wie beispielsweise die Präparate von Biontech/Pfizer und Moderna, die gegen das Coronavirus schützen sollen.

Die mRNA-Impfstoffe nutzen zur Immunisierung nicht inaktivierte oder abgeschwächte Krankheitserreger wie herkömmliche Impfstoffe. Der mRNA-Wirkstoff konfrontiert stattdessen einige Körperzellen mit der Erbinformation des Virus, die in der mRNA (= messenger Ribonucleic-acid) gespeichert ist. Die mRNA liefert den Bauplan für einzelne Proteine des Virus, die auch als Antigene bezeichnet werden. Die Antigene aktivieren das Immunsystem und rufen im Erfolgsfall die schützende Immunantwort hervor.

Bei mRNA-Impfstoffen bekommt der Körper im Gegensatz zu herkömmlichen Impfstoffen also nur die genetische Information geliefert. Der Körper bildet das Antigen dann selbst. Bei einem späteren Kontakt erkennt das Immunsystem im Prinzip das Antigen wieder und kann das Virus gezielt bekämpfen.

Impfstoffzulassung

Zuständigkeit in Deutschland ...

Ist für die nationale Zulassung von Impfstoffen zuständig: das Paul-Ehrlich-Institut

Zuständig für die nationale Zulassung von Impfstoffen ist in Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut im hessischen Langen. Es wird jedoch praktisch kein Impfstoff mehr ausschließlich für den deutschen Markt zugelassen. Über Zulassungs-Anträge von Impfstoffen, die zentralisiert für ganz Europa zugelassen werden sollen, entscheidet die Europäische Kommission.

... und auf europäischer Ebene

Die Koordination dafür übernimmt die Europäische Arzneimittelbehörde EMA (European Medicines Agency). Ganz allgemein gibt der CHMP - der Ausschuss für Humanarzneimittel - Empfehlungen zur Zulassung beziehungsweise Nichtzulassung aller Arzneimittel im Humanbereich an die EU-Kommission, die dann letztlich darüber entscheidet. In dem Ausschuss sitzen Vertreter aller Mitgliedstaaten. Zusätzlich gibt es verschiedene wissenschaftliche Gremien und Arbeitsgruppen, wie zum Beispiel die Vaccines Working Party. In die Vaccines Working Party, die Empfehlungen zu allen Fragen im Zusammenhang mit Impfstoffen an den CHMP gibt, entsendet das Paul-Ehrlich-Institut zwei Vertreter.

Antragsdauer

Ein Zulassungsverfahren dauert in der Regel ungefähr sieben Monate. In dieser Zeit werden die vom Antragsteller eingereichten Unterlagen geprüft. Gibt es Nachfragen der Berichterstatter oder fehlen Unterlagen, wird die Uhr angehalten. Ein beschleunigtes Zulassungsverfahren mit kürzerer Zulassungsdauer ist allerdings auch möglich.

Zulassungsverfahren

Vereinfacht lässt sich das Europäische Zulassungsverfahren folgendermaßen darstellen: Pro Mitgliedsland verfassen die beiden Berichterstatter je einen Bewertungsbericht, der nach Diskussion im Ausschuss in ein Gutachten einfließt. Dieses Gutachten ist Entscheidungsgrundlage für die Kommission, ob der Impfstoff zugelassen werden kann oder nicht. Hat ein Mitgliedsland Bedenken, verzögert sich die Zulassung, da dann noch Fragen an den Hersteller gestellt werden. In der Regel kürzer ist der Prozess, wenn ein Impfstoff schon in einem Land zugelassen ist und nun auch in anderen Ländern eingesetzt werden soll.

Meldepflicht

Gravierende Impfreaktionen müssen gemeldet werden

Ist ein Impfstoff zugelassen, liegt die Verantwortung bei Ärzten und Patienten. Nach dem Infektionsschutzgesetz sind über das normale Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Auswirkungen zu melden. Normal sind Lokalreaktionen wie Rötung, Schwellung und Schmerzen im Bereich der Einstichstelle, Fieber bis 39,5 Grad Celsius, Kopf- und Gliederschmerzen und Unwohlsein. Auch das Auftreten masern- oder mumpsähnlicher Symptome innerhalb von einer bis vier Wochen nach der Impfung gehört noch zur normalen Impfreaktion. Alles, was darüber hinaus geht, sollte umgehend medizinisch untersucht und gegebenenfalls an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden. Dieses leitet die Meldung dann zur Überprüfung an das Paul-Ehrlich-Institut weiter.


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