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Schmerz durch Fitness Wenn Training Muskeln auflöst

Es passiert selten, aber hin und wieder doch: Muskeln lösen sich nach extremem Sport auf. "Rhabdomyolyse" heißt das Phänomen. Es kann jeden treffen, Gewichtheber wie Freizeitsportler. Der Grund: exzessives, ungewohntes Training.

Von: Yvonne Maier/Anna Küch

Stand: 17.08.2022

Eine Sportlerin trainiert mit schweren Gewichten. Wer exzessiv trainiert, kann extreme Muskelschmerzen und Rhabdomyolyse bekommen.  | Bild: picture-alliance/dpa

Wenn man Sport betreibt, bekommt man häufig Muskelkater. Der kann unangenehm sein, ist aber weiter nicht gefährlich. Das dachten sicher auch die drei Frauen, die alle im selben schottischen Fitnessstudio trainierten. Extremes Training, das war es schon, aber ungesund?

Alle drei gingen nacheinander zum Hausarzt, als ihre Muskelschmerzen plötzlich sehr heftig wurden - und der Arzt war bei allen dreien derselbe. Ein glücklicher Zufall, denn die Frauen hatten keine normalen Muskelschmerzen, erklärt Hazel Henderson vom schottischen Gesundheitsamt. Eine der Frauen konnte ihre Arme vor Schmerzen nicht mehr ausstrecken, eine andere hatte so starkes Brennen in den Oberschenkeln, das sie nicht einmal mehr Treppen gehen konnte, alles war geschwollen und steif.

"Sie hatte einen schokoladenbraunen Urin. Das ist ein sehr schlechtes Zeichen."

Dr. Hazel Henderson, Gesundheitsamt Schottland

Muskeln lösen sich einfach auf

Als eine der drei ins Krankenhaus eingeliefert wurde zeigten Bluttests: Ihre Muskeln lösten sich auf und zwar von der extremen Belastung im Fitness-Studio.

"Sie machte mit ihrem Personal Trainer ein extremes Beintraining. Eine Stunde lang immer wieder die gleichen Übungen. Kniebeugen und Po nach hinten schieben. Immer und immer wieder. Die Frau war medizinisch nicht vorbelastet, hatte keine Krankheiten, nichts. Sie war absolut gesund und fit."

Dr. Hazel Henderson, Gesundheitsamt Schottland

Der Fachbegriff für dieses Phänomen lautet "belastungsabhängige Rhabdomyolyse", dabei lösen sich die Hüllen der überbeanspruchten Muskelzellen auf, ihr Inhalt läuft aus. Die Folgen können enorm sein. Zum einen kann sich die Flüssigkeit aus den Muskelzellen innerhalb einer Körperfaszie ansammeln und dann Blutgefäße abdrücken. Andererseits kann die Niere damit überfordert werden, denn sie muss den ausgelaufenen Inhalt der Muskelzellen abbauen. Im schlimmsten Fall kann sie dabei verstopfen. Typischerweise tritt bei der Rhabdomyolyse nämlich ein Eiweiß aus, das Myoglobin. Im Muskel ist es für den Sauerstofftransport zuständig. Deshalb kann sich bei einer Rhabdomyolyse auch der Urin dunkel färben.

"Letztlich kommt es zu einer Auflösung von Muskelfasern im Skelettmuskel, aber auch die Muskulatur des Körperstammes kann betroffen sein, sogar Kau- und Schluckmuskulatur kann betroffen sein."

Dr. Daniel Zeller, Neurologe, Universität Würzburg

Gefährliche Fitness-Trends?

Immer mehr Menschen betreiben hochintensives Fitnesstraining.

Grundsätzlich ist die belastungsabhängige Rhabdomyolyse selten, die meisten Fälle betreffen Männer. Zum Beispiel Soldaten, die sich überfordert haben, oder Extremsportler wie Bodybuilder oder Gewichtheber. Grundsätzlich hängt die Krankheit nicht vom individuellen Fitnessstatus ab. Jeder, der sich maximal überlastet, kann so seine Muskeln schädigen. Momentan ist nicht klar, ob solche Symptome häufiger werden. Hochintensives Fitnesstraining wie CrossFit, Spinning bis zur Erschöpfung oder stromunterstütztes Training liegen im Trend. Sie könnten dazu führen, dass sich Sportler extrem überlasten.

Schutz vor Rhabdomyolyse

Die drei Frauen aus Schottland wurden alle erfolgreich im Krankenhaus behandelt, sie werden wahrscheinlich keine bleibenden Schäden zurückbehalten, die Muskeln regenerierten sich ganz von selbst. Wer auf Nummer sicher gehen will: beim Training nicht extrem überlasten, nicht überhitzen und ausreichend trinken.

Symptome Rhabdomyolyse

  • ungewöhnlich starke körperliche Belastung
  • starke und schlimmer werdende Muskelschmerzen, die innerhalb von 48 Stunden auftreten
  • steife, oft angeschwollene Muskeln in der betroffenen Körperregion
  • häufig dunkler Urin
  • häufig Unwohlsein, Übelkeit, Fieber

Übrigens kann eine Rhabdomyolyse auch unabhängig von extremer Belastung auftreten, zum Beispiel bei schweren Verkehrsunfällen, wenn Muskeln großflächig zerquetscht werden, oder nach Drogenmissbrauch. Auch Schlangen- und Pilzgifte enthalten Stoffe, die die Muskelzellen zerstören können.


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