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Biogas Nachhaltigkeit mit Nebenwirkung

Viele Landwirte füttern statt Kühe und Schweine inzwischen lieber eine Biogasanlage. Mais und Gülle in Strom und Wärme zu verwandeln, kann lukrativ sein, aber auch massive Nebenwirkungen haben.

Stand: 02.08.2021

Anfang der 1980er-Jahre experimentierten die ersten Bauern mit Gülle, um daraus Energie zu gewinnen. Damals galten sie noch als "spinnerte Tüftler". Dass es einmal profitabel sein könnte, mit Gülle Wärme und Strom zu erzeugen, war damals unvorstellbar. Heute spricht im Zusammenhang mit Biogas niemand mehr von einer "Furz-Idee": Rund 8,1 Milliarden Euro wurden 2019 mit der Produktion von Strom und Wärme mit Biomasse umgesetzt. Im gleichen Jahr produzierten die rund 9.500 Biogasanlagen in Deutschland eine Leistung von rund 5 Gigawatt elektrischen Strom. Damit deckte Biogas 5,0 Prozent des Bruttostromverbrauchs. Über 2.500 Biogasanlagen standen 2019 allein in Bayern, mit einer elektrischen Leistung von fast 1,2 Gigawatt.

Die Produktion von Biogas kann lukrativer sein als die Aufzucht von Tieren. Für viele Landwirte ist Biogas daher eine wichtige Einnahmequelle geworden. Wenn sie aus Biogas Elektrizität für das öffentliche Stromnetz produzieren, erhalten sie für jede Kilowattstunde eine bestimmte Einspeisevergütung. Die Höhe hängt von der Größe der Anlage ab und ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000 geregelt. Die Einspeise-Vergütung wird den einzelnen Landwirten aber nur 20 Jahre lang bezahlt, bei den ersten "Energiewirten" läuft sie bereits aus.

Mangelware Biomüll

In der Anfangszeit wurden für die Erzeugung von Biogas nur Gülle und Festmist verwendet. Mehr Biogas lässt sich gewinnen, wenn mit der Gülle organische Stoffe wie Biomüll oder Abfälle aus Schlachtereien, der Gastronomie oder der Lebensmittelindustrie vergoren werden. Doch inzwischen haben Landwirte mit größeren Biogasanlagen Schwierigkeiten, ihren Bedarf mit Biomüll und anderen organischen Reststoffen zu decken.

Kritik am Biogas

Nur Mais

Nur noch Maismonokulturen

Mais ist die effizienteste Pflanze für Biogas, deshalb wird immer mehr davon angebaut. Und zwar auf immer größeren Flächen. Die Kritiker sehen eine Gefahr darin, dass die Maismonokulturen überhandnehmen. Ihre Befürchtung: Die Landschaft verödet und der Boden wird ausgelaugt.

Überteuerung

Explodierende Pachtpreise

Je mehr Biogas-Anlagen gebaut werden, desto teurer wird das Ackerland in der Umgebung: Landwirtschaftliche Betriebe mit Viehzucht können sich dann oft die Pacht für das Ackerland, das sie für den Futtermittelanbau brauchen, nicht mehr leisten.

Gärreste

Welche Auswirkung haben die Gärreste?

Die Gärreste aus der Biogasanlage werden als Dünger auf die Felder ausgebracht. Sie enthalten sehr viel Stickstoff und kaum Kohlenstoff. Niemand weiß bisher, wie sich die Humusbilanz des Bodens entwickelt, wenn über viele Jahre hinweg nur Biogasreste ausgebracht werden. Zudem belasten die ausgebrachten Gärreste das Grundwasser mit Nitraten. Wegen zu hoher Nitratwerte muss das Wasser aufbereitet, schlimmstenfalls müssen auch Brunnen geschlossen werden.

Weite Wege

Lange Transportwege

Ein weiterer Kritikpunkt sind die vielen und weiten Transporte, die für eine Biogasanlage nötig sind. Reststoffe, Gülle und tonnenweise Mais, der oft über hunderte Kilometer angefahren wird, stellen, so die Kritiker, für Anwohner eine Belastung dar und haben wenig mit "Bio" zu tun. Zumal für den Transport fossile Energie verbraucht wird.

Strom aus Mais und Getreide

Maispflanzen mit ausgereiften Kolben am Stängel

Neue Biogasanlagen werden heute so konstruiert und bestehende so umgerüstet, dass sie mit nachwachsenden Rohstoffen betrieben werden können, die der Landwirt selbst produziert: Mais, Getreide, Grünroggen, Futterrüben - oder Gülle. Zur Hygienisierung werden die flüssigen Biomassen auf 75 Grad Celsius erhitzt. Damit werden Keime und Unkrautsamen vernichtet und der Energieverbrauch reduziert.

Bakterien produzieren Biogas

Die Hauptarbeit in einer Biogasanlage übernehmen spezielle Bakterien, die die Biomasse unter Ausschluss von Sauerstoff abbauen und dabei Energie gewinnen, um sich zu vermehren. Bei diesem Gärprozess produzieren die Bakterien zu rund zwei Dritteln Methan, daneben Kohlendioxid, Sauerstoff, Stickstoff und in geringer Menge weitere Gase. Verwertbar ist das Methan, das entweder zum Heizen oder zur Stromerzeugung verwendet werden kann.

Konkurrenz um Ackerflächen

Mais wird geerntet.

Biogasanlagen haben aber ein Problem: Ihr Gewinn ist abhängig von den weltweiten Preisen für Agrarprodukte. Wenn immer neue Biogasanlagen entstehen, verschärft sich die Konkurrenz um Biomasse vom Acker. Das treibt die Preise für die Pacht in die Höhe, die manchmal nur noch Großinvestoren bezahlen können. Sie pflanzen dann auf riesigen Ackerflächen Mais und andere Feldfrüchte, die in Biogasanlagen landen.

Biogas mit Imageschaden

Biogas gilt als flexibler Energieträger, denn es ist im Gegensatz zu Wind- und Sonnenenergie speicherbar. Das war ein zunächst wichtiger Grund, die Anlagen zu fördern. Doch die Verteuerung des Ackerlandes, der Einstieg von Großinvestoren und immer mehr Monokulturen wie Mais haben das zunächst gute Image der Biogasanlagen beschädigt.

Kleine Biogasanlagen bevorzugt

2014 reagierte die Politik mit der umstrittenen Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Für große Anlagen wurden die Auflagen und Bedingungen verschärft, es wird für Strom aus Biogas nur noch die Grundvergütung gezahlt, der Einsatz von speziellen Energiepflanzen wird nicht extra vergütet. Nur noch kleine Biogasanlagen bis 75 Kilowatt Leistung und Gülle oder Mist als Nahrung für die Bakterien bekommen jetzt noch eine hohe Einspeisevergütung über 20 Cent. Große Anlagen müssen mit weniger auskommen. Weitere Anreize für kleine Gülleanlagen wurden zurückgenommen.


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