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Eichhörnchen und Grauhörnchen Die Akrobaten unter den Nagetieren

Es kann perfekt springen und sogar fliegen, sieht, hört und riecht besser als der Mensch. Selbst die Merkfähigkeit der Eichhörnchen ist erstaunlich. Trotzdem sind die Tiere bedroht. Warum und welche Maßnahmen dagegen helfen könnten.

Stand: 05.04.2023

Rotes Europäisches Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) - In Großbritannien und Italien hat das Europäische Eichhörnchen Konkurrenz vom amerikanischen Grauhörnchen bekommen, das in Europa eingeschleppt wurde. Die Nagetiere unterscheiden sich im Verhalten. | Bild: picture-alliance/dpa

Es scheint immer auf dem Sprung, das Sciurus vulgaris. Dabei mag das Europäische Eichhörnchen gar keinen Stress. Eigentlich lebt es viel lieber entspannt in seinem Revier, bevorzugt im Nadelwald. Am besten mit Baumkronen, die so aneinander stehen, dass der kleine Nager von Baum zu Baum springen kann, ohne den Boden zu berühren. Denn sie mögen es eigentlich gar nicht, den Boden zu berühren.

Wie Eichhörnchen springen lernen

Eichhörnchen passen ihren Sprung blitzschnell an die Umgebung an.

Das Leben in den Baumkronen ist jedoch riskant: Die Welt aus Ästen und Zweigen ist komplex, mal brüchig, mal biegsam, mal stabil. Doch jeder Sprung muss sitzen, ein Sturz könnte tödlich sein. Eichhörnchen sind aber nicht nur flotte Springer, sondern vor allem flink beim Lernen, haben Forscher beobachtet: Sie passen noch im Flug ihre Sprungmanöver mit Drehungen und Wendungen an, um das Ziel zu erreichen - und sei es nur noch mit den Krallen. Das genügt, um dann mit einer Rolle vorwärts um den Zweig oder einem Unterschwung wie am Reck doch noch sicher auf dem Zweig zu landen. Mit nur wenigen Sprüngen lernen sie, ihre Sprungtechnik an aktuelle Bedingungen ihrer Umgebung anzupassen. Im künstlichen Parcours, den die Forscher für ihre im Juli 2021 in Science erschienene Studie aufbauten, nutzten die Eichhörnchen schnell auch die Rück- und Seitenwände für Sprünge "über die Bande".

Eichhörnchen erinnern sich an ihr Vorratslager

Eichhörnchen ernähren sich das ganze Jahr über von Baumsamen, die sie in Zapfen von Lärchen, Fichten und Tannen finden. Jedes Tier muss täglich 20 bis 30 Zapfen bearbeiten, um die kleinen, knapp linsengroßen geflügelten Samen herauszuholen und so den eigenen Tagesbedarf zu decken. Daneben frisst es auch Nüsse, die fast alle im Herbst reif sind - und genau deshalb hat das Eichhörnchen dann richtig viel zu tun. Es sammelt Wal- oder Haselnüsse, Bucheckern und Eicheln als Wintervorräte, die es auf seine schier unzähligen Verstecke verteilt. Nach zwei Monaten kann sich ein Eichhörnchen immerhin noch an bis zu 60 Prozent seiner bis zu 3.000 Verstecke erinnern, sagt Eichhörnchen-Experte und Buchautor Peter Lurz.

Eichhörnchen haben ein gutes Gedächtnis

Baumhörnchen haben nachweislich größere Gehirne als andere Hörnchenarten, weil sie sich die Verstecke merken können, so der britische Baumhörnchenexperte Stefan Bosch. Manche Eichhörnchen kontrollieren sogar ihre Vorräte, um eventuell schimmlige Nüsse oder Samen zu entfernen und damit sicherzustellen, dass sie mit ihrer Nahrung über den Winter kommen. Zudem ist es für die Natur gar nicht so schlecht, wenn die Eichhörnchen nicht all ihre vergrabenen Samen wiederfinden, denn so wachsen aus den vergessenen wieder neue Bäume.

Eichhörnchen machen keinen Winterschlaf

Dass Eichhörnchen so viele Vorräte horten, liegt daran, dass sie keinen Winterschlaf machen, sondern im Winter nur ruhen. Eichhörnchen sind gleichwarme Säugetiere, also Tiere, die bei Kälte ihre Körpertemperatur aufrechterhalten können. Sie werden träger und haben einen eingeschränkten Energieverbrauch. Ihr Ruhe- und Schlafbedürfnis wird größer, allerdings reduziert sich ihr Stoffwechsel nicht so stark wie bei den klassischen Winterschläfern. Sie ziehen sich in den Kobel, ihr Nest aus Reisig, zurück, rollen sich zusammen, decken sich mit dem Schwanz zu und schlafen ein paar Tage, ohne dass die Körpertemperatur sonderlich stark absinkt. Dann wachen sie auf und müssen fressen, weil sie sozusagen immer nachheizen müssen.

Eigentlich sind Eichhörnchen Einzelgänger, die sich nur in der Paarungszeit mit einem Partner zusammentun. Aber bei viel Kälte kann es dann auch durchaus vorkommen, dass sich die Tiere gemeinsam in einen Kobel legen, um sich gegenseitig zu wärmen.

Grauhörnchen ist noch nicht in Deutschland angekommen

In Deutschland wird das rote Eichhörnchen noch nicht vom Grauhörnchen verdrängt. Ganz anders sieht es in Großbritannien oder Norditalien aus. Dort gefährdet das aus Nordamerika stammende Grauhörnchen (Sciurius carolinesis) die heimischen roten Eichhörnchen. Aber die Sorge davor, dass auch bei uns das Grauhörnchen auftauchen und unser heimisches Eichhörnchen verdrängen könnte, ist so groß, dass Grauhörnchen in der EU seit 2016 zu den unerwünschten Tierarten gehören. Wie in vielen Ländern dürfen auch in Deutschland Grauhörnchen nicht gezüchtet oder weitergegeben werden. Nicht einmal in Zoos dürfen sie gehalten werden.

Daher hat sich bei uns das Grauhörnchen noch nicht angesiedelt. Dennoch verwechseln viele unser Europäisches Eichhörnchen mit den Grauhörnchen, weil es unter den Europäischen Eichhörnchen durchaus viele Farbvariationen geben kann, von hellrot bis buntschwarz, von grau bis schwarz.

Das Grauhörnchen unterscheidet sich vor allem in der Statur vom Eichhörnchen: Es ist größer und stärker und es hat im Winter keine Ohrpinsel. Zudem lebt es lieber in Laub- oder Mischwäldern.

Geselliges Grauhörnchen, Einzelgänger Eichhörnchen

Das Grauhörnchen hat dem Eichhörnchen gegenüber einige Vorteile: Grauhörnchen können zum Beispiel Eicheln besser verdauen als Eichhörnchen - ein goßer Vorteil in den Laubwäldern Großbritanniens und Italiens. Zudem leben Grauhörnchen viel sozialer als Eichhörnchen. Die Jungen bleiben lange bei den Eltern, sodass Grauhörnchen in einer viel größeren Dichte beieinander leben können als der Einzelgänger Eichhörnchen.

Pockenvirus macht Grauhörnchen gefährlich für Eichhörnchen

Außerdem trägt der Großteil der Grauhörnchen das Eichhörnchen-Pockenvirus in sich. Sie selbst sind dagegen immun und bilden Antikörper. Die Eichhörnchen hingegen können am Pockenvirus sterben.

Großbritannien: Schutzmaßnahmen für Eichhörnchen

Um die Population der Eichhörnchen zu retten, hatten die Briten in der Vergangenheit drastische Maßnahmen ergriffen: Sie stellten Grauhörnchen-Fallen auf und sterilisierten die Tiere oder töteten sie. Doch die Bemühungen blieben erfolglos. Die Grauhörnchen kamen immer wieder zurück und haben sich inzwischen angesiedelt. Die Bevölkerung Großbritanniens hat sich so an die Tiere gewöhnt, dass Ausrottungsmaßnahmen mittlerweile nicht mehr akzeptiert werden.

Bäume pflanzen für das heimische Eichhörnchen

Wie kann man das Überleben des Europäischen Eichhörnchens also sichern? Peter Lurz, der auch in England über Eichhörnchen forscht, ist gemeinsam mit Stefan Bosch der Meinung, dass es sinnvoll wäre, Bäume anzupflanzen, die für Eichhörnchen geeigneter sind als für Grauhörnchen.

In Städten sind die Lebensbereiche der Eichhörnchen oft klein und zerstückelt, ergab eine Beobachtung von Eichhörnchen in Berlin. Zum Schutz der Nagetiere sollten in Großstädten bei der Stadtplanung Verbindungen zwischen den fragmentierten Lebensräumen eingeplant werden. Mit einer Eichhörnchenzählung per App wollen Wildtierexperten in Bayern herausfinden, wie es Eichhörnchen in Zeiten des Klimawandels geht.


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