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Folge der Corona-Pandemie Mehr Antibiotikaresistenzen befürchtet

Bei einer durch Viren ausgelösten Erkrankung wie Covid-19 können Antibiotika nichts ausrichten. Trotzdem erhalten viel zu viele Menschen mit einer SARS-CoV-2-Infektion Antibiotika. Nach der Pandemie könnte deshalb eine Resistenzwelle drohen.

Von: Daniela Remus

Stand: 28.06.2021

Droht nach der Corona-Pandemie eine Welle der Antibiotikaresistenzen? Im Bild: Vor verschiedenen Coronamodellen steht der Schriftzug Resistenzen. | Bild: picture-alliance/dpa/ Sascha Steinach

Antibiotika nur dann einsetzen, wenn sie tatsächlich erforderlich sind - das fordert die Weltgesundheitsorganisation WHO nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie. Nur bei einer zusätzlichen bakteriellen Infektion sollten Corona-Patienten Antibiotika verabreicht bekommen, ist auch die Empfehlung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Trotzdem erhalten Covid-19-Patienten viel zu viele Antibiotika, wie unter anderem eine im Juni 2021 veröffentlichte Studie aus Großbritannien belegt.

Covid-19-Patienten: Antibiotika nur bei bakterieller Co-Infektion

Auch in Deutschland werden nach Ansicht Stefan Kluges, Leiter der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) "insbesondere im Rahmen der Covid-19-Pandemie" zu viele Antibiotika verschrieben. Das betrifft nicht nur stationär behandelte Patienten in den Kliniken, wie auch die britische Studie belegt.

Rund 40 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung haben demnach schon vor ihrer Einweisung ins Krankenhaus Antibiotika erhalten. Und das, obwohl Antibiotika bei ihnen nur dann helfen können, wenn sie neben der Covid-Erkrankung auch eine sogenannte "bakterielle Co-Infektion" haben. Das Risiko einer solchen Co-Infektion, wie beispielsweise eine atypische Lungenentzündung, liege in den ersten zwei Wochen nach einer Coronavirus-Infektion aber nur bei etwa zwei bis drei Prozent, wie Intensivmediziner Kluge sagt.

Antibiotika-Behandlung von Covid-Patienten im Krankenhaus

Aber auch in den Kliniken selbst würden Antibiotika viel zu oft verabreicht, betont Maximilian Schons, Infektiologe an der Uniklinik in Köln. Er hat für das europäische Fallregister "Lean European Open Survey for SARS-CoV-2 Infected Patients", kurz LEOSS, an dem sich 140 europäische und deutsche Kliniken und Krankenhäuser beteiligt haben, die Covid-Behandlungsdaten eines Jahres ausgewertet.

"Bei unkomplizierten Patienten, die nicht beatmet sind, nicht sauerstoffpflichtig, die sogar Laborparameter haben, die eher dagegen sprechen, dass es eine bakterielle Infektion ist, kriegen immer noch 40 Prozent der Patientinnen im Krankenhaus […] eine Antibiotikatherapie."

Maximilian Schons, Infektiologe am Universitätsklinikum Köln

Antibiotika-Einsatz bei fast allen Covid-Patienten auf Intensivstation

Ein besonders hohes Risiko für eine bakterielle Infektion haben allerdings Covid-Patienten auf der Intensivstation. Je länger sie auf der Intensivstation liegen, desto höher ist das Risiko, dass sie sich zusätzlich mit bakteriellen Erregern infizieren. Beispielsweise durch Katheter oder Beatmungsschläuche. Außerdem ist bei manchen schwersten Entzündungsverläufen nicht immer zu klären, welche Keime mit im Spiel sind. Das rechtfertigt den Einsatz von Antibiotika. Er ist deshalb hier besonders hoch. "Auf der Intensivstation kriegen fast alle ein Antibiotikum in irgendeiner Art", sagt Schons vom Uniklinikum Köln. Da gebe es nur ganz wenige Ausnahmen, erklärt der Mediziner.

Antibiotika-Einsatz bei Corona-Infektion: Das Dilemma der Ärzte

Ein weiterer Grund, warum Ärzte gerade so vielen Patienten auf der Intensivstation Antibiotika verabreichen: Übersehen sie eine bakterielle Infektion, so kann das lebensbedrohliche Folgen für die Patienten haben. Obwohl dies laut der britischen Studie nur bei 15 Prozent aller Covid-Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden, der Fall ist, erhalten 80 Prozent von ihnen Antibiotika. Und das nicht nur in Großbritannien. Auch in Deutschland und den anderen europäischen Staaten erhalten ähnlich viele Covid-Patienten Antibiotika.

Das Problem ist aber auch: Aufgrund fehlender Daten lässt sich gar nicht mit Sicherheit sagen, wie viele Covid-Erkrankte zusätzlich noch eine bakterielle Infektionen erlitten haben. Die dafür nötigen Befunde und Laborauswertungen werden nicht immer lückenlos dokumentiert.

Auch in der Pandemie: Mehr Resistenzen durch hohen Antibiotikaverbrauch

Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika ist trotzdem heikel. Denn wie alle Medikamente verursachen auch sie Nebenwirkungen, die den Verlauf einer Viruserkrankung sogar noch befeuern können. Abgesehen davon, mache der großflächige Antibiotika Einsatz immer mehr Bakterien resistent, betont Jörg Janne Vehreschild, Infektiologe an der Uniklinik in Köln und Koordinator des LEOSS Registers.

"Wir hatten schon vor Corona [...] ein massives Problem mit Multiresistenzen. Das ist ein gewaltiges Problem, das wir vor uns haben und das immer weiter zunimmt. Und das ist sicher eines der Themen, die wir auch nach Corona unbedingt im Blick behalten müssen."

Jörg Janne Vehreschild, Infektiologe an der Uniklinik in Köln und Koordinator des LEOSS-Registers.

Sendungen zu Antibiotika-Resistenzen:


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