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Alternativer Nobelpreis 2012 Right Livelihood Award für Frauenrechte

Der Alternative Nobelpreis ging in diesem Jahr an die afghanische Ärztin Sima Samar, den US-Wissenschaftler Gene Sharp, die "Kampagne gegen Waffenhandel", und den türkischen Umweltschützer Hayrettin Karaca.

Stand: 07.12.2012 | Archiv

Sima Samar, Hayrettin Karaca, Gene Sharp | Bild: Shuhada Oranization AIHRC, Elif Sezginger, Damon Lynch

Der Alternative Nobelpreis will auf die akuten Probleme der Menschheit aufmerksam machen. Heuer erhielt auch die Menschenrechtlerin Sima Samar aus Afghanistan den mit je 50.000 Euro dotierten Preis. Seit Jahren gilt sie auch als Anwärterin auf den Friedensnobelpreis. Samar kämpft vor allem für die Rechte der Frauen. Die Ärztin und Politikerin bekommt die Auszeichnung für ihren "Mut und ihre Entschlossenheit in einer der instabilsten Regionen der Welt", wie am Donnerstagvormittag in Stockholm mitgeteilt wurde.

"Ich war schon immer in Gefahr und es macht mir nichts aus."

Sima Samar

"Ärztin der Armen"

Sima Samar

Die 55-Jährige gilt als "Ärztin der Armen", Vorkämpferin für die Ausbildung von Menschen am Rand der Gesellschaft, Verfechterin der Gleichberechtigung von Frauen und Verteidigerin der Menschenrechte für alle. Samar wurde nicht nur in eine archaisch geprägte muslimische Gesellschaft geboren, sie gehört auch der schiitischen Minderheit der Hasara an. Frauen hatten es in Afghanistan nie leicht, Hasara wurden häufig unterdrückt. Doch auch Rückschläge konnten Samars Engagement nicht bremsen.

1982 schloss sie ihr Medizinstudium in Kabul ab, 1989 startete sie die Hilfsorganisation Shuhada, die in Afghanistan 15 Krankenhäuser und Ambulanzen sowie mehr als hundert Schulen betreibt. Unter der russischen Besatzung floh Samar für 17 Jahre ins Exil nach Pakistan. Ende 2001 kehrte sie nach Kabul zurück und war bis 2002 die erste Frauenministerin ihres Landes. Seit 2002 ist sie Vorsitzende der von ihr gegründeten unabhängigen Menschenrechtskommission (AIHRC) in Kabul. Wegen unbequemer Aussagen und Berichte gerät die Kommision immer wieder mit der Regierung von Präsident Karsai aneinander. Dies sei "ein Engagement, das sie ständiger Lebensgefahr aussetzt", schreibt die Stockholmer Preisstiftung. In ihrer Erklärung für die Stockholmer Preisstiftung meinte Samar bescheiden: "Ich muss sagen, dass ich nach meiner eigenen Überzeugung nichts Besonderes geleistet habe. Aber die Umgebung, in der ich arbeite, ist schon außerordentlich schwierig."

"Der Preis ist auch ein politisches Signal, Afghanistan angesichts des westlichen Truppenrückzugs nicht zu vergessen."

Thomas Ruttig, Afghanistan-Experte, Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network

"Machiavelli der Gewaltlosigkeit"

Gene Sharp

Eine weitere der mit je 50.000 Euro dotierten Auszeichnungen ging an den 84-jährigen US-Wissenschaftler Gene Sharp für seine Strategien zum gewaltlosen Widerstand. Sharp gilt ebenfalls als Anwärter für den Friedensnobelpreis. Er hat 1983 das "Albert-Einstein-Institut" zur Erforschung gewaltfreier Aktions- und Widerstandsformen in Boston gegründet. Er beriet auch Regierungen, wie man gewaltlosen Widerstand bei einer militärischen Invasion organisieren könnte. Die Stockholmer Preisjuroren feierten ihn als "Machiavelli der Gewaltlosigkeit". In der Begründung heißt es, Sharp werde geehrt "für die Entwicklung und Verbreitung der Prinzipien und Strategien des gewaltlosen Widerstandes und seine aktive Unterstützung für deren praktische Umsetzung in Konfliktsituationen weltweit". Seine Studien seien im Dschungel von Burma genauso angewandt worden wie auf dem Kairoer Tahrir-Platz. Seinem Engagement gegen Gewalt habe der Politikwissenschaftler sein gesamtes akademisches Leben gewidmet. Mit 25 Jahren hat Sharp den Kriegsdienst während des Korea-Krieges verweigert und ging dafür sogar ins Gefängnis.

Druckmacher gegen globalen Waffenhandel

CAAT-Demonstration gegen Waffenhandel

Ebenfalls ausgezeichnet wurde die 1974 gegründete britische Kampagne gegen Waffenhandel (Campaign Against Arms Trade, CAAT) für "ihren innovativen und effektiven Widerstand gegen den globalen Waffenhandel". Dank CAAT habe "das öffentliche Bewusstsein für den Waffenhandel zugenommen", teilten die Juroren mit. Die Organisation habe erreicht, dass britische Subventionen für Waffenfirmen zurückgegangen seien. Ihr Druck auf Institutionen, die in waffenexportierende Unternehmen investieren, sei erfolgreich gewesen: "CAAT hat die Korruption, die Scheinheiligkeit und die tödlichen Konsequenzen dieser Geschäfte deutlich gemacht."

"Großvater des Umweltschutzes"

Den nicht dotierten Ehrenpreis erhielt der als "Großvater" der türkischen Umweltschutzbewegung geltende Hayrettin Karaca. Der 90-Jährige bekam die Auszeichnung "für sein lebenslanges Eintreten für den Schutz der Natur, das den eigenen unternehmerischen Erfolg mit dem erfolgreichen Einsatz für die Umwelt verbindet". Vom Textilunternehmer wurde er zum führenden Pädagogen und Aktivisten für Umweltschutz in der Türkei. Karaca ist Mitbegründer der Umweltstiftung TEMA, einer mittlerweile landesweiten Bewegung zum Schutz der Ökosysteme. Sein Engagement begann in den 1970er-Jahren, als er immer mehr Alarmsignale wie die Bodenerosion wahrnahm. "Karaca wollte dies nicht schweigend hinnehmen und begann, die Situation zu dokumentieren und Behörden und Öffentlichkeit vor der Bedrohung der Natur zu warnen", schrieb die Stockholmer Stiftung.

Deutsche Davids gegen Goliaths

Der Right Livelihood Award

Jakob von Uexküll, Gründer des Alternativen Nobelpreises

Albert Einstein sagte einmal, eine wirklich gute Idee erkenne man daran, dass ihre Verwirklichung von vornherein ausgeschlossen scheint. Seit 1985 zeichnet der Right Livelihood Award ("Preis für richtige Lebensführung") - bei uns als "Alternativer Nobelpreis" bekannt - Menschen aus, die solche unmöglichen Ideen verwirklichen und sich für den Schutz der Umwelt, für Menschenrechte, Frieden und Armutsbekämpfung einsetzen.

Von der Idee über die Briefmarkensammlung zur Stiftung

Die Idee, einen alternativen Nobelpreis ins Leben zu rufen, hatte der ehemalige Europa-Abgeordnete Jakob von Uexküll in den 1970er-Jahren. Damals reiste er um die Welt, sah die Armut und Umweltzerstörung in den Ländern. Zurück in Stockholm schlug er dem Nobelkomitee vor, auch einen Preis für Umwelt und Entwicklung zu vergeben. Der Plan wurde abgelehnt.

Doch von Uexküll hielt an seiner Vision fest, verkaufte seine exklusive Briefmarkensammlung und gründete von dem Erlös über eine Million US-Dollar die Stiftung für Richtige Lebensführung, die bis heute den Alternativen Nobelpreis vergibt. Seit 1980 wurden 149 Menschen und Initiativen aus 62 Ländern gewürdigt. Die Feierlichkeiten im schwedischen Parlament in Stockholm finden meist einige Tage vor oder nach der Verleihung der Nobelpreise am 10. Dezember statt. Jeder der meist vier Alternativen Preisträger erhält inzwischen 50.000 Euro Preisgeld. Oft wird noch zusätzlich ein Ehrenpreis (undotiert) vergeben. Ermöglicht wird die Unterstützung der Preisträger durch Spenden und Vermächtnisse.

"Der Right Livelihood Award will dem Norden helfen, eine Weisheit zu finden, die zu seiner Wissenschaft passt, und dem Süden, eine Wissenschaft zu finden, die seine alte Weisheit ergänzt."

Jakob von Uexküll


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