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Nachlese: Sprech(er)stunde zu Rassismus, Fremdenhass und Widerstand "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde"

Am 27. März, dem letzten Tag der diesjährigen Internationalen Aktionswochen gegen Rassismus, waren die BR-Sprecher zu Gast auf der Bühne der Wagenhalle in der Pasinger Fabrik - mit ihnen eine Jazz-Band, deren Musiker kurz vor ihrem Abschluss bei der Munich Jazz School stehen.

Von: Julia Cortis

Stand: 08.11.2023 | Archiv

Unter dem Motto „Haltung zeigen“ konnte das Team einen historischen Textbogen spannen vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Alle AutorInnen und Komponisten des Abends hatten entweder selbst Rassismus erlebt oder sich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt.

Angefangen bei William Shakespeare: zu Ostern 1517 zogen flüchtende Hugenotten in Scharen nach England und das Volk ging auf die Barrikaden. Die Niederschlagung des Aufstands ging als „Evil May Day“ in die Geschichte ein, wurde im Stück „Sir Thomas More“ von Shakespeare verewigt und als „Die Fremden“ 2015 neu aufgelegt.

Die Band eröffnete mit „Mannenberg“ von Abdullah Ibrahim, ein Stück aus dem Jahr 1974, das nach einem der ersten Townships in Capetown für zwangsumgesiedelte Schwarze benannt ist. „Egal, wir reich ein Afro-Amerikaner ist, Rassismus prägt sein Leben“ sagte Wayne Shorter über Miles Davis. Von beiden Jazz-Größen spielten die jungen Musiker Titel, ebenso von John Coltrane und dem einzigen Weißen: Filmkomponist Victor Young.

In Atlanta durften 1948 die ersten acht Afroamerikaner in den Polizeidienst. Wie die Weltkriegsveteranen Ausgrenzung und Mobbing erlebten, erzählte Katja Schild in einem Romanauszug von Thomas Mullen.

„Vor allem mögen wir es nicht, wenn man uns Flüchtlinge nennt“, schrieb Hannah Arendt 1943 in ihrem Essay „We refugees“, den die italienische Migrationsphilosophin Donatella di Cesare als Gegenstand ihrer Betrachtung über Flucht und Ankommen - „Stranieri Residenti“ - zugrunde legt. Martin Fogt hat sich ihrem Appell an die Humanität angeschlossen.

Die Familie der Boxweltmeisterin Aya Cissoko war aus der ehemaligen Kolonie Mali nach Frankreich eingewandert - die Autorin entkam als Kind nur knapp einem Brandanschlag. Gudrun Skupin schilderte diesen dramatischen Moment in einem Pariser Vorort aus der Perspektive der Autorin.

Nach „Footprints“ von Wayne Shorter kam der Überraschungsgast des Abends auf die Bühne, der selbst neun Länder und zwei Kontinente auf dem Weg nach Europa überquert hat: Louis Gomez schilderte eindrücklich und unterhaltsam seine Rassismuserfahrungen hier in seiner Heimatstadt München.

Karl Valentin hatte schließlich das letzte Wort, philosophierte doch auch er über das Ankommen - ob im Gasthaus oder im Gärtnertheater. Katja Schild und Florian Schwarz erklärten mit seinem launigen, titelgebenden Sketch, wer überhaupt ein „Fremder“ ist.

Als Zugabe spielten die Musiker „The Mountain“ von Abdullah Ibrahim - der heute im Chiemgau lebende Südafrikaner spielte 1994 bei der Amtseinführung von Nelson Mandela.

Eintritt frei – Spenden für einen guten Zweck

Alle Mitwirkenden verzichteten auf Gagen - auch der Fotograf Ralf Dombrowski spendete seine Arbeitszeit. Exakt 800,- Euro Spendeneinnahmen des Abends gingen direkt an die Migrationsberatung des Bellevue di Monaco, eine interkulturelle Genossenschaft mit Café, prominentem Dachsportplatz und Wohnungen im Herzen der Stadt München.

Die Texte des Abends

  • William Shakespeare (um 1600): Thomas Morus. 6. Szene - ganzes Ensemble (alle)
  • Thomas Mullen (2016) aus dem Roman: Darktown (Katja Schild)
  • Aya Cissoko (2017) aus dem Roman: Ma (Gudrun Skupin)
  • Donatella di Cesare (2021) Philosophie der Migration (Essay). (Martin Fogt)
  • Karl Valentin Die Fremden (1940) Kurzszene - (Florian Schwarz und Katja Schild)

Musik

Ein junges Quartett der Neuen Jazzschool München e.V.

  • Erik Jenninger (sax)
  • Luis Fuchs (drums)
  • Tibor Lampe (bass)
  • Marc-Rainer Kamp (piano)

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