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"Gottes trost stet allein im wortt" Nachlese Sprech(er)stunde zu 500 Jahre Reformation

"500 Jahre Reformation" feierte das BR-Sprecher-Team am 20. Oktober 2017 um 19.00 Uhr in der Christuskirche München-Neuhausen. Der Kammerchor der Christuskirche sowie Organist Andreas Hantke gestalteten den Abend musikalisch.

Von: Niels Beintker

Stand: 26.04.2020

In Martin Luthers Tischreden findet sich der Satz „Gottes Trost steht allein im Wort“ – allein in der Bibel. Diesem Motto folgend lasen die Sprecherinnen und Sprecher des Bayerischen Rundfunks Texte des Wittenberger Reformators in der Evangelisch-Lutherischen Christuskirche München. Die Besucher der Sprech(er)stunde am 20. Oktober 2017 wurden in eine bedeutende und zugleich immer wieder fremde sprachliche Welt entführt.

Martin Luthers Bibelübersetzung gilt nicht nur als ein Hauptwerk seines theologischen Denkens und als Bibel der Wittenberger Reformation. Sie ist zugleich ein Höhepunkt in der Geschichte der deutschsprachigen Literatur. Im „Sendbrief vom Dolmetschen“ – geschrieben 1530 auf der Coburger Veste – erläuterte Luther sein Übersetzer-Programm. Man müsse, so schrieb er – wieder einmal voller Eifer gegen seine katholischen Kritiker – der Mutter im Hause, den Kindern auf der Gassen und dem gemeinem Mann auf dem Markt aufs Maul sehen. Peter Weiß las aus dieser Schrift und ergründete dabei, wie man die Sentenz „Ex abundatia cordis os loquitur“ aus dem Neuen Testament am besten übersetzen kann. Luthers Antwort: „Wes des Herz voll is, des gehet der Mund uber.“

Bibeltexte, Reformatorische Schriften, Tischreden

Beispiele für die besondere Poesie von Luthers Sprache finden sich zu Hauf in den historischen Übertragungen, darunter natürlich in der großen Wittenberger Bibel-Ausgabe von 1545. Yvonne von Bibra las eine der bekanntesten Geschichten aus dem Alten Testament im Deutsch der frühen Neuzeit, den Bericht von der Versuchung Abrahams. Gott fordert ihn auf, seinen Sohn Isaac zu opfern, ein Engel rettet das Kind vor dem tödlichen Messer. Florian Schwarz wiederum führte die Besucher der Sprech(er)stunde zu den Geschichten des Neuen Testaments. Er trug den Bericht von Jesu‘ Besuch bei Zachäus, dem Zöllner, aus dem Lukas-Evangelium vor.

Nicht nur als Übersetzer, auch als Publizist war Martin Luther enorm produktiv. Konfrontiert mit der päpstlichen Kritik an seinen Ablassthesen nutzte er mehr und mehr die Kraft der Sprache, um seine eigenen theologischen Überzeugungen zu begründen und zu verteidigen. Gudrun Skupin und Peter Weiß lasen Auszüge aus einer der berühmtesten reformatorischen Schriften des Wittenberger Professors: „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. Clemens Nicol wiederum erinnerte mit seiner Lesung aus einer Erwiderung Luthers gegen die päpstliche Bann-Bulle, dass die Sprache immer wieder auch als Mittel der Macht gebraucht und auch missbraucht werden konnte. Die Schrift „Grund und Ursach aller Artikel D. Marti. Luther, so durch die römische Bulle unrechtlich verdammt sind“ enthält Sätze voller Verachtung und Hass gegen die Papstkirche.

Über den Menschen Martin Luther berichten die von seinen Gästen mitgeschriebenen Tischreden. Christian Schuler las eine kleine schöne Auswahl aus dem großen Konvolut, unter anderem über die Liebe und über „ein gutes frommes Weiblein“, ebenso über die Folgen allzu großen Alkoholkonsums am Wittenberger Hof und die negativen Auswirkungen der Einsamkeit. Als Beispiel für die vielen literarischen Texte über Martin Luther trugen Gudrun Skupin, Clemens Nicol, Florian Schwarz und Peter Weiß zwei Szenen aus Dieter Fortes Theaterstück „Martin Luther und Thomas Münzer oder die Einführung der Buchhaltung“ vor.

Gesungene Theologie

Neben der Theologie war die Musik für Martin Luther zentral – und für ihn zugleich die liebste aller Künste. Der Reformator hat eine Vielzahl von Liedtexten geschrieben. Viele gehören bis heute zum Fundament der protestantischen Kultur. Die BR-Sprecherinnen und Sprecher wurden bei ihrer Lesung hervorragend begleitet und ergänzt durch den Kammerchor der Christuskirche unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Andreas Hantke. Die Sängerinnen und Sänger trugen etwa die einzige von Luther komponierte überlieferte Motette vor („Non moriar, sed vivam“, nach dem 117. Psalm). Ebenso sangen sie Motetten und Choräle zu Luther-Texten von Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann und Felix Mendelssohn Bartholdy. Auch zwei Stücke aus dem von Andreas Hantke komponierten Oratorium „Luther“ erklangen in der Christuskirche. Luthers Überzeugung, die Musik sei die beste Gottesgabe, wurde auf wunderbare Weise zu Gehör gebracht.

Luthers wohl bekanntester Choral – „Ein feste Burg ist unser Gott“ – durfte dabei nicht fehlen. Begleitend zur Motette von Georg Philipp Telemann lasen Clemens Nicol und Yvonne von Bibra den diesem Lied zugrunde liegenden 46. Psalm, einmal in der Übersetzung Martin Luthers von 1545, zum anderen in der zeitgenössischen Übertragung der Zürcher Bibel von 2007.

Spenden für Kinder und Jugendliche in Not

Michael Atzinger, der durch den Abend mit Texten und Liedern Martin Luthers führte, dankte der evangelischen Gemeinde für die Einladung der Sprecherinnen und Sprecher. Für die Gemeinde wiederum war der Abend ein besonderer Höhepunkt im Reformationsgedenkjahr. Pfarrer Ulrich Haberl und Dr. Gotthard von Czettritz, Vorsitzender der Stiftung Christuskirche, dankten den SprecherInnen und SängerInnen für ihr großes Engagement und für die gemeinsame Gestaltung der Sprech(er)stunde in der Christuskirche.

Der Eintritt zur Veranstaltung war frei, die Mitwirkenden traten wie immer ohne Gage auf. Die Spenden des Abends gingen zu gleichen Teilen an die Aktion „Sternstunden“ des Bayerischen Rundfunks, eine Initiative für Kinder in Not, und an das „Clean Projekt Neuhausen“, eine Anlaufstelle für Jugendliche in schweren Situationen.
An diesem Abend konnten wir stolze 2.142 Euro sammeln, ein sehr, sehr schönes Ergebnis! Herzlichen Dank an alle Spender!

Die mitwirkenden Sprecher


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