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Rudolf von Scholtz Intendant auf Lebenszeit

Rudolf von Scholtz wurde 1949 der erste deutsche Intendant des Bayerischen Rundfunks und der erste ARD-Vorsitzende. Von 1926 bis 1933 hatte er bereits beim Radio als Funkreporter gearbeitet. In seine zwei Amtszeiten fallen der Ausbau des ersten UKW-Sendernetzes in Europa und die Entstehung eines zweiten Hörfunkprogramms sowie der Aufbau des Fernsehprogramms.

Von: Historisches Archiv, Bettina Hasselbring

Stand: 04.11.2013 13:42 Uhr

Erster Intendant des Bayerischen Rundfunks | Bild: BR/Fred Lindinger

Kindheit, Jugend und Studium

Rudolf von Scholtz wurde am 22. September 1890 in Wiesbaden geboren, lebte von 1894 bis 1905 in St. Petersburg, wo er das deutsche Gymnasium besuchte. Sein Abitur machte er in Weimar, wohin die Familie 1905 gezogen war. Es folgte ein Studium der Sprachwissenschaften, Philosophie und Nationalökonomie in Leipzig, Heidelberg und München.

Soldat, Schriftsteller und Lektor

Als Soldat im Ersten Weltkrieg wurde er an der Ostfront verwundet und danach als Nachrichtenoffizier und Dolmetscher für Russisch bei der Obersten Heeresleitung in Berlin eingesetzt, bevor er an die deutschen Gesandtschaften in Stockholm und Helsingsfors abgeordnet wurde.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Sekretär der „Heidelberger Vereinigung“, einem 1916 um den Prinzen Max von Baden gebildeten Kreis von Friedensfreunden. 1920 begann Rudolf von Scholtz als freier Schriftsteller in Riederau am Ammersee zu leben. Er wurde Lektor des Drei-Masken-Verlags in München und ständiger Mitarbeiter der „Österreichischen Rundschau“ in Wien. Zugleich begann er mit literarischen Übersetzungen aus dem Englischen. Zwei Jahre, von 1924 bis 1926, lebte er in Finnland und bewirtschaftete dort mit Freunden einen landwirtschaftlichen Betrieb.

Pionier beim Rundfunk 1926 bis 1933

Rudolf von Scholtz (links) mit Techniker Karl Rotthaler 1927

Nach seiner Rückkehr nach München im Dezember 1926 bekam von Scholtz eine Anstellung bei der „Deutschen Stunde in Bayern“. Dort war er zunächst als Redakteur der Bayerischen Radio-Zeitung tätig und verfasste unter dem Kürzel „rds“ einige Leitartikel, die sich mit dem Verhältnis zwischen Radiomacher*innen und Hörer*innen beschäftigten oder zum Thema Rundfunk generell.

Reportage der „Deutschen Stunde in Bayern“ aus Schwabach, mit dem Ü-Wagen, in der Mitte Zeitfunkreporter Rudolf von Scholtz, 1930

1930 wurde er Leiter der neugeschaffenen Aktuellen- und Nachrichtenabteilung. Ab 1931 war er zudem in der Programmredaktion und Presseabteilung tätig. Als Reporter führte er die damals noch ungewöhnliche Sendeform der kulturellen Rundfunkreportage ein. Die Bayerische Radio-Zeitung ist voller Abbildungen mit Rudolf von Scholtz als „rasendem Funk-Reporter“ in München und Umgebung.

1933 bis 1945

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 und deren Zugriff auf den Rundfunk, erklärte von Scholtz, dass er eine Zusammenarbeit mit dem NS-Regime aus Gewissensgründen ablehnen müsse. Er weigerte sich, Hitler in den Nachrichten als „Führer“ bezeichnen zu lassen und verhinderte auf eigene Verantwortung die Übertragung eines Fackelzugs am 30. Januar 1933, dem Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler.
Er ließ sich in Neuburg am Inn nieder, wo er als Übersetzer englischsprachiger Literatur (darunter Tania Blixen, Victor Heiser, Hervey Allan) und als Lektor bei der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart arbeitete. Hier erlebte er auch das Kriegsende 1945.

Oberbürgermeister von Passau

Am 13. Juli 1945 übertrug ihm die amerikanische Militärregierung das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Passau. Hier trug er tatkräftig zur Wiederherstellung der Lebensbedingungen und zum Aufbau einer freiheitlichen demokratischen Ordnung bei.

Rückkehr ins Münchner Funkhaus

Das Amt des Passauer Oberbürgermeisters übte er bis zu seiner Rückkehr ins Münchner Funkhaus aus, wo er zunächst als Sendeleiter bei „Radio München“, dem Sender der amerikanischen Militärregierung, arbeitete und von Dezember 1947 an als erster deutscher Intendant am Aufbau des Senders beteiligt war.1949 bestätigte der aufgrund des Bayerischen Rundfunkgesetzes von 1948 eingerichtete neue Rundfunkrat von Scholtz einstimmig im Amt des Intendanten.

Erster Intendant des BR

In seiner Rede anlässlich der Übergabe von „Radio München“ in deutsche Hände am 25. Januar 1949 betonte Rudolf von Scholtz die große Bedeutung des Rundfunks:

"Ein wahrhaft kostbares Instrument ist uns soeben anvertraut worden, kostbar nicht nur, weil es befähigt ist, die schönsten Werke der Musik und den Zauber der Sprache bei uns daheim in jedes Haus zu tragen, kostbar auch darum, weil es eine Stimme ist, mit der wir über alle Grenzen hinweg sagen können, was uns am Herzen liegt. ... Und wenn die Stimme des Menschen ein Sinnbild seiner Freiheit genannt wird, so ist diese Stimme, die dem bayerischen Volke nun zu eigen gegeben ist, selbst ein Teil seiner wiedererwachenden Freiheit."

(Rudolf von Scholtz, 1949)

In diesem Sinne setzte er sich stets für die Unabhängigkeit des Rundfunks ein. Unter den Intendanten der anderen Rundfunkanstalten galt er als Wortführer, wenn es um die Durchsetzung der Rundfunkfreiheit gegenüber den Kompetenzansprüchen des Bundes ging.

Eröffnungsfeier des Studio Nürnberg am 3. Juni 1949, 1. Reihe rechts Fritz Mellinger, links daneben Rudolf von Scholtz

Dass dies keinen „Widerspruch zwischen Eigenart und Weltverbundenheit“ bedeuten musste, entsprach dem erklärten Ziel des langjährigen Wahlbayern von Scholtz, „aus Radio München einen bayerischen Sender zu machen”.

Rudolf von Scholtz als ARD-Vorsitzender

Am 5. August 1950 konstituierte sich in München die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland – ab 1954 bekannt als ARD. Gründungsmitglieder waren der Bayerische Rundfunk, der Hessische Rundfunk, der NWDR (die gemeinsame Vorläuferorganisation von WDR und NDR), Radio Bremen, der Süddeutsche Rundfunk und der Südwestfunk. Auf ihrer Sitzung am 9. und 10. Juni 1950 hatten sich die Intendanten dieser Rundfunkanstalten auf einen Zusammenschluss verständigt: "Damit hat der Rundfunk der Bundesrepublik eine Vertretung erhalten, die mit der Wahrnehmung gemeinsamer Interessen betraut ist", hieß es 1950 in der Pressemitteilung.
Rudolf von Scholtz, der Intendant des BR, wurde – entsprechend der alphabetischen Reihenfolge – von August 1950 bis Februar 1951 erster Geschäftsführer.

Sophie und Rudolf von Scholtz in ihrem Haus in Harlaching, 1950er Jahre

1952 sprach Rudolf von Scholtz in der Reihe "Der Funk und seine Hörer" über die Aufgaben des Rundfunks, die Gerechtigkeit bei der Programmauswahl und über die Ansprüche und Lebensgewohnheiten verschiedener Hörergruppen. Seiner Meinung nach ist "die vornehmlichste Aufgabe des Rundfunks": "Freude bereiten".

In seine Amtszeit fielen unter anderem der Ausbau des ersten UKW-Sendernetzes in Europa und die Entstehung eines zweiten Hörfunkprogramms sowie der Aufbau des Fernsehprogramms.

Auf kultureller Ebene ist nicht nur die Schaffung der Klangkörper des Bayerischen Rundfunks zu nennen. Als Intendant übernahm er auch die Schirmherrschaft über die Reihe musica viva und initiierte 1952 den Internationalen Musikwettbewerb der ARD zur Förderung des Nachwuchses.

Im September 1952 wurde er vom Rundfunkrat mit großer Mehrheit für weitere vier Jahre als Intendant wiedergewählt.

Noch vor Ablauf seiner zweiten Amtszeit erlag Rudolf von Scholtz am 9. März 1956 einem Nierenleiden. Der langjährige BR-Mitarbeiter Alois Fink würdigte ihn 1971 in seinen Erinnerungen als „eine der großen prägenden Persönlichkeiten in der jüngsten Geschichte unseres Landes“, deren Verdienst es auch gewesen sei, „dass die Geschichte des Bayerischen Rundfunks so sehr ein Stück der Geschichte unseres Landes wurde“.


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