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Niederbayerisches Preissingen 1931 Die Anfänge der Live-Volksmusikübertragungen im BR

Am 20. Juni 1931 trafen sich Gesangeskünstler aus ganz Niederbayern zu einem besonderen Wettstreit, dem 1. Niederbayerischen Preissingen. Es wurde vom Vorläufer des heutigen Bayerischen Rundfunk mitorganisiert und im ganzen Deutschen Reich übertragen. Für die Besten stiftete der Sender sogar einen Hörer-Preis.

Von: Ursula Zimmermann in Zusammenarbeit mit dem Historischen Archiv

Stand: 18.06.2021 16:25 Uhr

Alles, was sangesfreudig war, konnte sich zum 1. Niederbayerischen Preissingen anmelden. So stand es zumindest in der öffentlichen Ankündigung. Und weiter: "Gute alte bodenständige Lieder sind besonders willkommen, auch wenn sie nicht so gut gesungen werden". Diejenigen aber, die besonders gut singen konnten, wurden von den Veranstaltern ausgezeichnet: von der Stadt Landshut, von der Deutschen Akademie in München mit einer Silbermedaille und von der "Bayerischer Rundfunk GmbH", wie der Bayerische Rundfunk damals hieß, mit einen Rundfunkpreis. Bei diesem konnten die Hörerinnen und Hörer ihre Favoriten per Postkarte bestimmen.

Gasthaus Leiderer in Landshut mit Saal und Gastgarten

Die Übertragung aus dem Gasthaus Leiderer wurde von der "Bayerischen Rundfunk GmbH" sorgfältig vorbereitet. "Im Leiderersaale selbst werden zwei Mikrofone aufgestellt, eines auf der Bühne und eines in mittlerer Höhe im Saale selbst. Durch einen Verstärker mit Tonregulierungsmöglichkeit, der sich noch in Nähe des Saales befindet, werden die Mikrofonströme auf Kabelleitung über das hießige Postamt nach München zum Funkhaus geleitet, dort durch einen weiteren Verstärker wieder reguliert und dann endgültig dem Sender zugeleitet," berichtete die Landshuter Zeitung am Tag vor dem Preissingen, dem 19. Juni 1931.

Die Mikrofone übertrugen die Gesangesdarbietungen auch in den Garten des Gasthauses. Er bot Platz für etwa 2000 Menschen, die über vier Lautsprecher das Preissingen live mitverfolgen konnten.

Sprungbrett für eine große Rundfunk-Karriere

Ein Sänger stand an diesem Abend besonders hoch in der Gunst der Hörerinnen und Hörer: der Roider Jackl. Der blonde, junge Sangesbarde aus dem niederbayerischen Weihmichl gewann gleich zwei Auszeichnungen: Er bekam eine Silbermedaille und den Rundfunkpreis. Mit seinen selbst verfassten, witzigen und schlagfertigen Stegreif-Gstanzln begeisterte er Zuhörerinnen und Zuhörer wie auch Juroren.

Roider Jackl beim Landshuter Preissingen

Selbst die Programmgestalter im Rundfunk horchten auf. So etwas hatte man bis dahin noch nie gehört. Sein Auftritt im Leiderersaal in Landshut wurde für den gebürtigen Niederbayern zum Sprungbrett einer beispiellosen Karriere. Nach 1945 avancierte der Roider Jackl zu einem der bekanntesten bayerischen Volks- und Gstanzlsänger und machte Karriere beim Bayerischen Rundfunk. Er wirkte bei unzähligen Sendungen mit und gab ab 1954 regelmäßig den "Derblecker" auf dem Nockherberg.

Interesse des Rundfunks an Volksmusik

Geistige Väter und Initiatoren des Preissingens in Landshut waren der Musikwissenschaftler Professor Kurt Huber von der Akademie in München sowie der Musiker und Volksliedsammler Emanuel Kiem, besser bekannt als Kiem Pauli.

Sie hatten bereits das Preissingen in Egern ein Jahr zuvor auf die Beine gestellt. Beide hatte gute Verbindungen zum Rundfunk und konnten den Sender für eine Live-Übertragung gewinnen. Kiems und Hubers Interesse galt den echten Volksliedern. So liest man in der Radiozeitung von 1931: "Das Niederbayerische Wettsingen dient dem Zweck, gutes, altes Volksliedgut, das sich bei Bauern, Jägern, Holzknechten, Flößern usw. noch erhalten hat, drohender Vergessenheit zu entreißen, zu sammeln und weiter zu verbreiten."

"Aus musiksoziologischer Sicht handelte es sich um ein Sängertreffen von Laien. Deren Darbietungen nahmen sich – musikalisch betrachtet – eher bescheiden aus. Doch im kulturpolitischen bzw. ideologischen Kontext erschienen jene Volkslieder-Preissingen der 1930er-Jahre als 'machtvolle Kundgebungen der Heimatliebe'."

Dr. Maximilian Seefelder, niederbayerischer Bezirksheimatpfleger

Vorauswahl der Darbietungen

Das Interesse in der Bevölkerung und der Medien war groß. In der Presse wurden Sänger und Gesangsgruppen aufgerufen, an der Veranstaltung teilzunehmen. Das Bewerbungsverfahren sah im Vorfeld allerdings mehrere Sichtungen vor.

Zum einen wurde bereits bei sogenannten Ausscheidungssingen am 31. Mai in Plattling und am 20. Juni noch in der Früh im Leiderersaal in Landshut aussortiert. Zum anderen mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Lieder vorab schicken. Professor Huber musterte Darbietungen aus, die ihm nicht für eine Übertragung im Rundfunk geeignet schienen sowie "unechtes" Liedgut. Die "erwünschten" Lieder teilte er dann auf die Teilnehmer auf, die ihm stimmlich dafür geeignet schienen.

Diese Vorzensur brachte es mit sich, dass Sieger und Gewinner-Lied im Vorfeld bereits feststanden: Die Gebrüder Bredl aus Grafenau mit einem niederbayerischen Weihnachtslied von 1750.

Überregionale Übertragung

Die Bayerische Rundfunk GmbH übertrug das 1. Niederbayerische Preissingen in Landshut nicht nur in Bayern. Auch der Deutschlandsender Königs Wusterhausen und die deutschen Kurzwellensender sowie die Sender Hamburg und Leipzig waren angeschlossen.

"Der Bayerische Rundfunk zeigt mit Durchführung dieser Übertragung auf die deutschen Sender, wie tief verbunden er sich mit der Heimat und ihren Bewohnern fühlt."

Landshuter Zeitung, Freitag, 19. Juni 1931


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