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Historische Kommission der ARD HiKo – Die Hüterin der Rundfunkgeschichte

Wie entwickelte sich die Rundfunkgeschichte in Deutschland seit 1923? Welche Bedeutung hat speziell der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach 1945? Wie können wichtige Quellen gesichert werden? Mit diesen und vielen anderen Fragen beschäftigt sich die Historische Kommission der ARD. Vor 60 Jahren wurde die HiKo neu aufgestellt. Ein Rückblick.

Von: Bettina Hasselbring (Historisches Archiv)

Stand: 13.09.2022

Ein alter Röhrenfernseher. | Bild: stock.adobe.com/brat82

Die Geschichte der Historischen Kommission der ARD (HiKo) lässt sich in verschiedene Perioden unterteilen: von der Gründung 1953, ihrer Neukonstituierung 1962 vor 60 Jahren, bis zur Wiederbelebung 1986. Von Beginn an gehörte es zu den Aufgaben der HiKo, sich mit der Rundfunkgeschichte zu befassen, die audiovisuellen, aber vor allem die schriftlichen Quellen zur sichern, den archivfachlichen Austausch zu fördern sowie rundfunkhistorische Forschungen und Publikationen zu unterstützen bzw. zu beauftragen.

Aufgabe der Historischen Kommisson

Die Aufgabe der Historischen Kommission besteht in der Darstellung der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seiner Bedeutung für Gesellschaft und Demokratie, seines Auftrags und seiner Legitimation sowie in der Präsentation gesellschaftlich wichtiger Hervorbringungen in den Programmen von Hörfunk und Fernsehen. Mehr dazu hier.

Seit 1994 führt die HiKo mit verschiedenen Kooperationspartnern zudem in regelmäßigen Abständen rundfunkgeschichtliche Fachtagungen durch. Unter dem Vorsitz von Heinz Glässgen von 2011 bis 2021 wurde das Thema Medienpolitik verstärkt in den Fokus genommen, der Auftrag und die Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Publikationen und Symposien erörtert, die Interviews mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen wiederbelebt, schließlich eine neue Onlinepräsenz umgesetzt und ein regelmäßiger Newsletter eingerichtet.

Die Anfänge 1953 bis 1959

Rudolf von Scholtz

Rudolf von Scholtz (1890-1956) war von 1949 bis 1956 Intendant des Bayerischen Rundfunks.

Am 11. Juni 1953 stimmten die Intendanten der ARD dem Vorschlag des BR-Intendanten Rudolf von Scholtz zu, sich mit der Geschichte des Rundfunks zu befassen und einen Stab von Rundfunkhistorikern einzuberufen, und gründeten so eine "Historische Kommission des deutschen Rundfunks".

Den ersten Vorsitz übernahm 1954 Kurt Magnus, neben Hans Bredow eine der wichtigsten Führungsfiguren des Rundfunks in der Weimarer Republik, von 1925 bis 1933 einer der beiden Geschäftsführer der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG), 1948 war er Vorsitzender des Rundfunkrats, ab 1953 Vorsitzender des Verwaltungsrats des Hessischen Rundfunks. Kommissionsmitglieder waren ehemalige einflussreiche Mitarbeiter des Weimarer Rundfunks, den Bayerischen Rundfunk vertrat Viktor Schwarz, Leiter der Vortragsabteilung bei der Deutschen Stunde in Bayern.

Kurt Magnus

Kurt Magnus (1887-1962), neben Hans Bredow eine der wichtigsten Führungsfiguren des Rundfunks in der Weimarer Republik, war von 1925 bis 1933 einer der beiden Geschäftsführer der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG), 1948 wurde er Vorsitzender des Rundfunkrats und ab 1953 Vorsitzender des Verwaltungsrats des Hessischen Rundfunks.

In den ersten Jahren fanden mehrere Sitzungen statt, in denen "ein Arbeitsplan konzipiert" wurde. Am 3. Dezember 1958 hatte Magnus für die ARD-Intendanten einen zusammenfassenden Bericht über die ersten Aktivitäten, Aufgaben und den Etat der Kommission verfasst: "Wichtigste Aufgabe sei, Material, das für die Geschichtsschreibung wichtig ist, sicherzustellen und nach einem bestimmten System zu ordnen". Den vollständigen Bericht finden Sie hier.

1959 gab Magnus den Vorsitz wieder ab.

Die Neukonstituierung 1962 bis 1972

Erst drei Jahre später, 1962, kam es unter dem Einsatz des neu gewählten ARD-Vorsitzenden und Intendanten des Süddeutschen Rundfunks, Hans Bausch, zu einer Wiederbelebung und Neukonstituierung der Kommission. Bausch war selbst Rundfunkhistoriker, hatte 1956 mit einer Arbeit über den "Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik" promoviert.

Hans Bausch

Hans Bausch (1921-1991) war Rundfunkhistoriker und Intendant des Süddeutschen Rundfunks (SDR) von 1958 bis 1989 und hatte viele Jahre den Vorsitz der Historischen Kommission der ARD inne.

Am 2. Oktober 1962 fand die erste Sitzung unter dem Vorsitz des SDR-Intendanten Hans Bausch in Stuttgart statt. Der Name lautete fortan "Historische Kommission der ARD". Zum Geschäftsführer wurde der Vorstand des Deutschen Lautarchivs (heute Deutsches Rundfunkarchiv), Hans-Joachim Weinbrenner, ernannt. Die Geschäftsstelle wurde als Referat in das "Archiv des Deutschen Rundfunks" eingegliedert. Mitglieder waren jetzt verstärkt auch Mitarbeiter aus Pressestellen, welche die Schriftgutsammlungen betreuten, beim BR etwa Otto Pfauntsch.

Laut Satzung und Sitzungsprotokoll der Historischen Kommission vom Januar 1963 gehörte zu den Aufgaben der Kommission die "Erfassung, Sicherstellung und Registrierung von rundfunkgeschichtlich bedeutsamen Tatsachen und Dokumenten". Zudem wurde jeder Rundfunkanstalt empfohlen, "ein historisches Archiv einzurichten, bei dem das geschichtlich wertvolle Schriftgut gesammelt und registriert wird."

1972 wurde die Historische Kommission im Zuge einer ARD-Strukturreform und "Flurbereinigung der Kommissionslandschaft" aufgelöst. SDR-Intendant Hans Bausch bekam aber die persönliche Federführung für Rundfunkgeschichte übertragen. Zusammen mit einem kleinen Arbeitsstab "Historisches Archiv der ARD" beim Deutschen Rundfunkarchiv brachte Bausch 1980 das fünfbändige Standardwerk "Rundfunk in Deutschland", über die Jahre 1923 bis 1980, heraus.

Wiederbelebung und Neuausrichtung 1986 bis 2021

Nach 14 Jahren kam es durch einen Intendantenbeschluss am 12. Februar 1986 zu einer Wiederbelebung der Historischen Kommission unter dem Vorsitz von Hans Bausch. Die konstituierende Sitzung fand wieder in Stuttgart statt: am 10. Juli 1986. Die Geschäftsführung lag nun für einige Jahre beim Süddeutschen Rundfunk, bei Ulf Scharlau und Edgar Lersch. Neben den jährlichen Sitzungen gab es in den 1980er Jahren verschiedene Kooperationen mit dem Sonderforschungsbereich "Bildschirmmedien" in Siegen oder der Akademie der Künste in Berlin bezüglich des Projekts "Deutsche Mediathek".

Dietrich Schwarzkopf

Dietrich Schwarzkopf (1927-2020) war von 1974 an zuerst Fernsehdirektor, dann stellvertretender Intendant des NDR, von 1978 bis 1991 Fernsehprogrammdirektor der ARD, und von 1991 bis 1994 Vizepräsident ARTE.

Nach dem überraschenden Tod von Hans Bausch 1991 wurde der ehemalige ARD-Programmdirektor Dietrich Schwarzkopf durch Intendantenbeschluss neuer Vorsitzender, von 1992 bis 2010. In seiner Zeit fanden mehrere Fachtagungen statt, u.a. Kooperationen mit dem Haus des Dokumentarfilms, der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, dem Deutschen
Literaturarchiv Marbach, dem Studienkreis Rundfunk und Geschichte oder dem Hans-Bredow-Institut.

2000 wurde das Symposium zum 50-jährigen Jubiläum der ARD in Berlin veranstaltet, 2002 eines in Hamburg zu "50 Jahre Tagesschau" oder 2005 ein Symposium in Köln zur Geschichte der Leichten Musik. 2008 richtete die HiKo gemeinsam mit der Berliner Akademie der Künste und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels eine Tagung über "Rundfunk und Buch: Die Wendezeit und ihre Folgen" aus, an der auch Literaturnobelpreisträger Günter Grass als Ehrengast teilnahm.

Ebenso entstanden mit Unterstützung der Historischen Kommission zwei große Publikationen, mit Dietrich Schwarzkopf als Herausgeber: zum einen 1999 die Fortsetzung der dtv-Taschenbuchreihe um zwei Bände "Rundfunkpolitik in Deutschland 1980 bis 1995“ sowie 2008 die Studie "Die Ideologiepolizei" über die rundfunkbezogenen Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR in der DDR sowie in der Bundesrepublik Deutschland.

Von 2011 bis 2021 stand die Historische Kommission unter dem Vorsitz von Heinz Glässgen, dem ehemaligen Intendanten von Radio Bremen. Die Kommission tagt jeweils im Frühjahr und Herbst. Aktivitäten und Projekte dieser Zeit finden sich auf der Webseite der HiKo: historische-kommission.ard.de

Seit Januar 2022 leitet die HiKo der ehemalige Chefredakteur des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), Christoph Singelnstein.


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