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Das "Radiojahrzehnt"

Die 1950er Jahre Das "Radiojahrzehnt"

Stand: 24.08.2020 10:36 Uhr

Die Kuba Rundfunk- und Fernsehtruhe "Komet" als repräsentatives Möbelstück vereinte einen Plattenspieler, ein Radio und einen Schwarz-Weiß-Fernseher in einem Schrankmöbel der Luxusklasse, 1957. | Bild: BR/Historisches Archiv

Von Bettina Hasselbring, Historisches Archiv

Die 1950er Jahre gehen als das "Radiojahrzehnt" in die Geschichte ein. Der Hörfunk prägte die deutsche Gesellschaft maßgeblich und begleitete auch die "Wirtschaftswunder"-Jahre. Die Teilnehmerzahlen in Westdeutschland hatten sich bis 1960 auf 15,4 Millionen verdoppelt. Die Hördauer während der gesamten 1950er Jahre lag relativ konstant bei durchschnittlich knapp drei Stunden. Der Rundfunk war für die bundesrepublikanische Bevölkerung mit großem Abstand vor der Tagespresse die kompetenteste und glaubwürdigste Informationsquelle.

Das Radio durfte als Gegenstand des täglichen Bedarfs seit Ende der 1950er Jahre nicht mehr gepfändet werden, war zum Einrichtungsgegenstand des modernen Menschen geworden. Das Radio fungierte, so der Historiker Axel Schildt, als "Hegemon der häuslichen Freizeit". Das Rundfunkgerät als repräsentatives Möbelstück sorgte für die Wiederherstellung des Lebensgefühls. In der Kuba-Komet-Truhe waren ein Plattenspieler, ein Radio und ein Schwarz-Weiß-Fernseher in einem Schrankmöbel der Luxusklasse vereint.

Während Fernsehen in Bayern erst 1954 in Produktion ging, startete der Bayerische Rundfunk im August 1950 bereits ein zweites Hörfunkprogramm über Ultrakurzwelle und vergrößerte damit sein Radioangebot. Seit 1958 lief das heutige "Bayern 2" als Vollprogramm mit vielen Kultur- und Zielgruppensendungen für "wählerische" Hörerinnen und Hörer, wie es die Programmverantwortlichen anpriesen.

Eine Schlüsselrolle beim Aufbau des Senders und in den 1950er Jahren spielte der Chefredakteur und spätere Hörfunkdirektor Walter von Cube. Der langjährige konservativ-liberale Kommentator der wichtigsten innenpolitischen Sendung "Deutschlandrundschau" setzte sich auch  immer wieder vehement für die Westintegration Deutschlands ein und passte damit genau in das neue Konzept der amerikanischen Deutschlandpolitik: Frontstellung gegen Nazismus und Kommunismus. Der Kalte Krieg hatte die Weltsituation völlig verändert. Die westlichen deutschen Besatzungszonen sollten nun in das atlantische Bündnis einbezogen werden und ein Bollwerk gegen den Sowjetkommunismus bilden, auch mit der Konsequenz der Teilung Deutschlands.

"Wären die Westmächte und die Sowjets einig geblieben, wer weiß, was mit uns geschehen wäre? So hat uns das Schicksal zu Nutznießern eines Streits gemacht, an dessen Ende wir bisher wenig Interesse haben konnten, an dessen Ausgang wir aber in Zukunft alles Interesse haben müssen. Diese Formel mag jenen, die vor Unwillen mit dem Generalvertrag die Generäle kommen sehen, den Gang – was sage ich – den Marsch der Politik leichter ertragen helfen. Schließlich ist ein europäischer Truppenübungsplatz einem sowjetischen Konzentrationslager noch vorzuziehen."

Walter von Cube

Die Hörfunksendungen des Bayerischen Rundfunks spiegelten das politische, kulturelle und wirtschaftliche Leben der Zeit wider, auch das veränderte Konsumverhalten von der Not der Nachkriegsjahre bis zum Wirtschaftsboom in den 1950er Jahren. Als man sich endlich wieder etwas leisten konnte, wurden die Hörerinnen und Hörer im Radio dazu ermuntert, ihre Sparsamkeit aufzugeben und zu konsumieren: Möbel, Elektrogeräte, Lebensmittel, Autos.

"Wohlstand für alle"

Das war der Slogan der CDU vor der Bundestagswahl 1957. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard vertrat die "Soziale Marktwirtschaft" als neue Wirtschaftsordnung. Jeder, der etwas leistet, sollte sich auch etwas leisten können.

Aber Erhard hatte sich stets gegen den Begriff "Wirtschaftswunder" gewehrt. Für ihn war es kein Wunder, sondern Resultat harter Arbeit.

Rufus Mücke kommentiert

Auch der Wirtschaftsfunk und sein langjähriger Leiter und späterer Chefredakteur Fernsehen, Rudolf Mühlfenzl, beschäftigte sich mit dem Thema.

"Aber jetzt muss es ja in Europa steil aufwärtsgehen.

Nach dem deutschen Wirtschaftswunder ein deutsches Fußballwunder."

So kommentierte Mühlfenzl alias 'Rufus Mücke' am 8. Juli 1954 in seiner 'Wirtschaftsglosse der Woche'

Damit meinte er: "Das Wunder von Bern". 1954, die Endrunde der Fußball-Weltmeisterschaft, das Endspiel Deutschland – Ungarn, in dem der Außenseiter Deutschland mit einem 3:2-siegte. Reporter war Herbert Zimmermann. Dieses Ereignis hatte eine starke Symbolkraft in der jungen Bundesrepublik, ein Zeichen des Aufbruchs nach dem verlorenen Weltkrieg.

Das gilt auch für die berühmte Reportage des BR-Reporters Hannes Stein aus Stockholm von den Olympischen Reiterspielen 1956, als Hans Günther Winkler mit Halla die Goldmedaille gewann.

Diese Spiele wurden live im Radio übertragen, ebenso schon im damals noch jungen Schwarz-Weiß-Fernsehen. Und es sollte nicht mehr lange dauern, bis das Fernsehen Ende der 1950er Jahre zum neuen Leitmedium wurde und d a s Radiojahrzehnt ablöste.

Radiokultur zwischen Umerziehung und Unterhaltungsmusik in 6 Teilen