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Spinnenphobie Horror auf acht Beinen

Etwa zehn Prozent der Bevölkerung leiden laut Angstforscher Georg Alpers von der Universität Mannheim mindestens einmal im Leben unter einer Tierphobie. Die meisten Phobiker haben Angst vor Spinnen. Frauen haben doppelt so häufig Angststörungen wie Männer.

Stand: 07.01.2020

Mit Tasse gesicherte Spinne. | Bild: picture-alliance/dpa

Tierphobiker haben mehr Angst vor Spinnen als vor Hunden oder Schlangen. Und sie haben nicht nur ein bisschen Angst, sondern zeigen akute Symptome wie ein 100-Meter-Läufer vor dem Start, leiden unter Schweißausbrüchen, Herzklopfen und der Anspannung aller Sinne. Erst, wenn die Angst vor Spinnen so groß ist, dass sie das Leben Betroffener beeinträchtigt, sprechen Wissenschaftler von einer Spinnen- oder Arachnophobie.

Spinnenphobie erzeugt Leidensdruck

So trauen sich manche Menschen aus Angst vor Spinnen nicht in den Keller, in die Garage oder in den Wald zu gehen. Sie wollen sich nicht in die Wiese setzen oder durchsuchen vor dem Schlafengehen mehrfach das Bett auf Spinnen. Das erzeuge enormen Leidensdruck, sagt Angstforscher Georg Alpers von der Universität Mannheim.

Phobiker trösten und unterstützen

Betroffene wissen, dass ihr Verhalten nicht angemessen ist. Sie leiden unter dem Gefühl, eine Bedrohung zu spüren, obwohl sie nicht real ist. Ein "Reiß Dich zusammen!" hilft Phobikern nicht weiter, aber Trost und Unterstützung.

Warum Frauen mehr Phobien haben

Warum Frauen in allen Kulturkreisen generell mehr Phobien haben als Männer ist noch nicht geklärt. Angstforscher Georg Alpers macht genetische Unterschiede sowie unterschiedliche Lernerfahrungen dafür verantwortlich: "Wenn Mädchen ihre Angst ausdrücken, wird das eher akzeptiert als bei Jungen, die angehalten werden, mutig zu sein."

Spinnenangst ist messbar

Mit einem Experiment konnte Angstforscher Alpers und sein Doktorand Ulrich Müller zeigen, dass sich die Wahrnehmung von Spinnenphobikern von anderen Menschen unterscheidet. Der Wissenschaftler zeigte 30 Spinnenphobikern und 30 Nicht-Phobikern zwei gegensätzliche Bilder in einem Stereoskop, das die Sichtfelder trennt. So sahen die Probanden etwa auf dem rechten Auge ein Muster und auf dem linken eine Spinne. Die Arachnophobiker reagierten auffällig häufig als erstes auf das Spinnenbild und nahmen es über einen längeren Zeitraum wahr als die Kontrollgruppe ohne Spinnenangst. Diese nahm beide Bilder gleich häufig und lange wahr. Das zeigt laut Alpers, dass Spinnenphobiker Gesehenes unbewusst anders filtern und ihr Gehirn Bilder anders verarbeitet, wenn Angst im Spiel ist.

Auch per "Memory-Test" kann man eine Spinnenphobie nachweisen: Betroffene erkennen vorgelegte Spinnenbilder viel schneller und genauer als andere Motive. Andere Probanden reagieren dagegen auf alle Bilderkärtchen gleich. Wenn man Arachnophobikern zudem eine tote Vogelspinne zeigt, schnellt ihr Puls in die Höhe - eine klassische Angstreaktion. Andere Testpersonen lässt dieser Anblick hingegen kalt. Sogar im Gehirn der Betroffenen kann man ihre Panik sehen: Der Kernspintomograf zeigt, dass die Hirnregion für Angst beim Anblick einer Spinne auf Hochtouren läuft.

Wie man eine Spinnenphobie behandelt

Spinnenphobie ist gut mit einer Verhaltenstherapie, der sogenannten "Konfrontationstherapie", behandelbar: Mehrere Stunden lang müssen Betroffene dabei eine Spinne ansehen oder anfassen, immer und immer wieder. Schon nach einer Sitzung sind erste Erfolge messbar. Nach mehreren Therapiestunden können viele Spinnenphobiker ihrer Angst entspannter ins Auge sehen - und der Spinne an der Zimmerdecke auch.

Spinnen in Deutschland sind ungefährlich

Rund 48.000 Spinnenarten weltweit sind bislang bekannt. Nur 20 bis 40 sind so giftig für den Menschen, dass ihr Biss starke Symptome auslöst oder sogar tödlich ist. In Deutschland gibt es etwa 1.000 Spinnenarten, von denen nur eine giftig ist: die Ammen-Dornfingerspinne (Cheiracanthium punctorium). Sie ist scheu und beißt nur, wenn man sie massiv stört.

Spinnen sind wichtig!

Auch, wenn viele Spinnen eklig finden oder Angst vor ihnen haben. Die Tiere erfüllen eine wichtige Funktion im Ökosystem und sind wichtig! So jagen Spinnen beispielsweise Mücken, Asseln, Silberfischchen und Mehlmotten.

Arachnophobie - eine Urangst?

Viele Menschen fürchten sich vor Spinnen, weil diese sich so unberechenbar bewegen und urplötzlich auftauchen - behaupten einige Psychologen. Sie nehmen an, dass urzeitliche Spinnen größer und aggressiver als heutige Exemplare waren und für die Steinzeitmenschen eine tödliche Gefahr darstellten. Demzufolge hätten nur diejenigen Menschen überlebt, die mit großer Angst auf die Spinnen reagierten. Das Verhaltensmuster könnte somit genetisch festgeschrieben sein: als instinktive Urangst. Trotz zahlreicher Tests und Experimente konnte diese Urangsttheorie aber bis heute weder zweifelsfrei bewiesen noch widerlegt werden.

Biologische Fakten widersprechen einer Urangst vor Spinnen

Die Biologen lehnen diese Theorie sowieso ab. Aus zwei Gründen: Erstens sind auch Insekten für den Menschen so unberechenbar wie Spinnen, einige können uns sogar deutlich gefährlicher werden. Trotzdem lösen sie weniger Ängste aus. Und zweitens kann man Spinnen studieren, die vor rund 50 Millionen Jahren in Bernstein eingeschlossen wurden. Diese Exemplare waren den Biologen zufolge nicht gefährlicher als die Spinnen heute. Von einer Urangst-Spinne, die das Überleben der Menschen hätte bedrohen können, fehlt also bislang jede Spur.

Spinnen und kulturelle Einflüsse

Kulturwissenschaftler weisen zudem darauf hin, dass viele Völker außerhalb der westlichen Zivilisation kaum Angst vor Spinnen haben. Bei vielen Naturvölkern und in anderen Kulturen werden Spinnen sogar als gottnahe Wesen verehrt. Im christlichen Kulturkreis gilt die Spinne dagegen als "Tier des Bösen". Lange glaubten die Menschen, dass sie mit Pest, Tod und Teufel im Bunde ist - das prägt bis heute. Zudem könnte es eine Frage der Erziehung sein, ob wir Angst vor Spinnen entwickeln oder nicht, sagen Therapeuten. Ganz genau kennt man die Ursachen einer Spinnenphobie aber noch nicht.


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