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Riesentintenfisch Den Riesenkalmar gibt es in der Tiefsee wirklich

Lautlos soll der Riesentintenfisch herangeschwommen sein, das Schiff umschlungen und in die Tiefe gezogen haben. Seemannsgarn! Riesenkalmare gibt es aber tatsächlich. Das ist bislang über sie bekannt.

Stand: 26.06.2023

Um kaum ein anderes Tier ranken sich so viele Legenden wie um den Riesentintenfisch. Befeuert werden die Horrorgeschichten dadurch, dass es ihn wirklich gibt - und man doch nur sehr wenig über ihn weiß: Er lebt in Tiefen von bis zu 1.000 Metern, in völliger Dunkelheit. Jahrhundertelang galt die Existenz des Giganten als Seemannsgarn - bis 1854 die ersten Überreste eines Riesenkalmars an die dänische Küste gespült wurden.

Riesentintenfisch 2004 erstmals auf Bild und Film gebannt

Dem japanischen Wissenschaftler Tsunemi Kubodera gelang es mehrmals, die Riesenkalmare in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten und sogar zu filmen. Mit einem Mini-U-Boot folgte er mit seinem Team dem silbrig glänzenden Tintenfisch in Hunderte Meter Tiefe. Die ersten Aufnahmen machte Kubodera bereits 2004. Damals hatte der Meeresbiologe eine an einem Kabel befestigte Kamera in die Tiefe gelassen.

Bildergalerie: So sehen Riesentintenfische aus

Die ersten Riesentintenfisch-Aufnahmen

Kubodera fotografierte und filmte die größten wirbellosen Bewohner der Ozeane als erster Mensch überhaupt: Mit Ködern, die er in die Tiefe hinabließ, lockte er sie vor die Linse seiner speziellen Tiefseekamera. 2004 hatte er damit erstmals Erfolg: Er hielt fest, wie ein Riesenkalmar stundenlang den kleinen, ausgelegten Tintenfisch attackierte. Eine Sensation, denn bis dahin hatte man vermutet, dass sich Riesenkalmare in ihrem kalten Lebensraum energiesparend nur langsam bewegen, eher dahintreiben und ihre Tentakel wie Fallen auslegen. Kuboderas Beobachtungen aber zeigten, dass sie schnelle, geschickte und durchaus aggressive Jäger sind.

Riesenkalmare, die größten wirbellosen Tiere der Ozeane

Wohl bis zu 18 Meter lang kann ein Riesenkalmar werden.

Auf acht Meter Länge - inklusive Fangarme - schätzte Kubodera seinen ersten knochenlosen Filmstar. Laut dem Forscher ist das die typische Größe eines Riesenkalmars in japanischen Gewässern. Doch es gebe auch viel größere, so Kubodera: "Im Nordatlantik gibt es viel größere, acht oder neun Meter reine Körperlänge. Und die Fangarme sind bei ihnen sehr lang. Also etwa 18 Meter insgesamt. Riesig!" Doch wie groß Riesentintenfische überhaupt werden können, ist noch unklar.

Tsunemi Kubodera ist Zoologe - und dem Riesenkalmar auf der Spur.

"Menschen übertreiben ja immer, wenn es um Größe geht. Wenn Fischer einen Ein-Meter-Fisch fangen, ist er am nächsten Tag 1,20 Meter und eine Woche später zwei Meter lang. Es ist also schwierig zu sagen, wie groß der größte gesichtete Riesenkalmar war."

Tsunemi Kubodera, Meeresbiologe

Eine Art von Riesenkalmaren: Architeuthis dux

Um mehr über Biologie und Verbreitung der Riesentintenfische zu erfahren, analysierten Inger Winkelmann von der Universität Kopenhagen und ihr Team das Erbgut von 43 Riesenkalmaren aus unterschiedlichen Meeren. Das Erbgut unterschied sich von Tier zu Tier nur sehr wenig. Daraus schlossen die Forscher, dass es weltweit nur eine einzige Art von Riesenkalmaren gibt, die sich im Lauf von einigen Zehn- bis Hunderttausend Jahren stark vermehrt hat: Architeuthis dux. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Jungtiere mit der Meeresströmung um den Globus treiben. Riesentintenfische kommen vor Norwegen und Großbritannien vor, aber auch vor Neufundland, Australien, Neuseeland und Südafrika oder Japan. Erreichen sie eine bestimmte Größe, gelangen sie in die Tiefe der Meere, wo sie geschlechtsreif werden.

Riesenkalmare vor der Kamera

Riesenkalamare verirren sich selten vor die Kamera. Deswegen ist es immer eine Sensation, wenn doch einer auftaucht. Ein junges Exemplar wurde im Dezember 2015 in einem Hafen in der Nähe Tokios von mehreren Tauchern gefilmt:

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Riesenkalmar gesichtet | Bild: euronews (deutsch) (via YouTube)

Riesenkalmar gesichtet

Im Juni 2019 gelang es auch US-Forschern, einen Riesentintenfisch zu filmen. Die Größe des Kalmars schätzten sie auf 3 bis 3,5 Meter Länge:

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Here Be Monsters: Giant Squid Filmed in America's Backyard: US-Forscher bekamen 2019 einen Riesenkalmar vor die Kamera. | Bild: oceanexplorergov (via YouTube)

Here Be Monsters: Giant Squid Filmed in America's Backyard

Riesenkalmar zieht als Kosmopolit durch die Weltmeere

Es gibt auch immer wieder Riesenkalmar-Funde, wenn mit Schleppnetzen die Tiefsee durchkämmt wird. In Walmägen entdeckt man gelegentlich ebenfalls Überreste der Tiere.

Definitionen

Tintenfische

Meeresmuseum Stralsund, 2004: Sechs Meter langer Riesenkalmar

Tintenfische sind eine Unterklasse in der Klasse der Kopffüßer.
Sie gehören zum Stamm der Weichtiere, sind also wirbellose Tiere - und deshalb auch gar keine echten "Fische".
Tintenfische zeichnen sich durch ein von Weichteilen umschlossenes Gehäuse und einen Tintenbeutel aus. Es gibt nämlich auch Kopffüßer, die keinen Tintenbeutel besitzen: Perlboote und Ammoniten.
Zu unterscheiden sind die Gruppe der Achtarmigen und die Gruppe der Zehnarmigen Tintenfische.

Kalmare

Kalmar mit vielen Armen

Kalmare gehören zu den Zehnarmigen Tintenfischen. Mit mehr als 250 Arten bilden sie die größte Gruppe innerhalb der Kopffüßer. Typisch für sie ist der keilförmige Mantel.

Kraken

Krake

Kraken dagegen sind eine Teilgruppe der Achtarmigen Tintenfische. Oft spricht man von Riesenkraken, wenn eigentlich Riesenkalmare - die mit den zehn Armen - gemeint sind.

Oktopus

Oktopus

Oktopus ist einfach nur ein anderer Name für die Gewöhnliche Krake - und damit für die größte, aber nicht einzige Gattung unter den Kraken.

Kampf der Giganten: Pottwal vs. Riesentintenfisch

Mit ausgewachsenen Riesenkalmaren können es nur Pottwale aufnehmen.

Wer schon mit großen Augen einen gegrillten Riesenkalmar vor sich sieht, wird enttäuscht sein: Im Muskelgewebe dieses Tintenfischs sind große Mengen an Ammoniumchlorid enthalten, das lässt ihn im Salzwasser schweben, stinkt aber bestialisch und macht das zähe Fleisch ungenießbar - für uns zumindest. Pottwale dagegen stört das nicht, sie sind einer der Fressfeinde ausgewachsener Riesenkalmare. Ihre Kämpfe mit den Tintenfischen nährten früher übrigens die Legende vom Meeresmonster: Da auf der Walhaut riesige Narben von Tintenfisch-Saugnäpfen entdeckt wurden, schätzte man deren Länge auf bis zu 60 Meter. Dabei hat man jedoch nicht beachtet, dass die Narben mit dem Wal mitwachsen ...

Riesiger Kalmar, riesige Augen

An dieser Stelle sitzen handballgroße Augen.

Riesenkalmare besitzen die größten Augen der Welt: Sie haben einen Durchmesser von mehr als 25 Zentimetern, Schilderungen nach sollen es sogar bis zu 40 Zentimeter sein. Die Augen von Blau- und Pottwalen, die ihnen an Körpergröße überlegen sind, haben dagegen "nur" einen Durchmesser von sechs bis zehn Zentimetern.

Wozu braucht der Riesentintenfisch in seinem finstren Reich in bis zu 1.000 Metern Tiefe derart große Augen? Forscher um den Schweden Dan-Eric Nilsson haben ihre Theorie dazu im März 2012 veröffentlicht: Weil größere Augen ganz einfach mehr Platz für Photorezeptoren bieten und es dort unten trotz Lichtmangels nicht ständig dunkel ist. Plankton, Quallen, Krabben, Fische und Weichtiere - und damit übrigens auch Tintenfische - können selbst Licht erzeugen. Und nicht nur die kann der Riesenkalmar erspähen, sondern auch seinen großen Feind: den Pottwal. Der hat den klaren Vorteil, dass er das Weichtier per Sonar orten kann. Doch der Tintenfisch profitiert davon, dass der Wal beim Schwimmen eine Strömung erzeugt, die wiederum Plankton zum Leuchten anregt. Mit seinen überdimensionalen Sehorganen kann er so den gewaltigen Fressfeind auf eine Entfernung von 120 Metern erkennen - und flüchten.

Riesenkalmare halten Beute fest im Klammergriff

Zwölf Meter lang und 245 Kilogramm schwer war dieser Kalmar.

Riesenkalmare haben acht Arme und zwei überlange Tentakel, die sie im Reißverschlussverfahren zu einem einzigen Greifarm kombinieren können. Der japanische Wissenschaftler Kubodera konnte zeigen, dass sie Köder von der Seite attackieren und anschließend fest mit den Tentakeln umklammern. Und dass selbst abgetrennte Saugnäpfe noch lange aktiv sind und alles ansaugen, was ihnen in den Weg kommt. Über den Speiseplan der Giganten ist allerdings noch wenig bekannt. In ihren Mägen fanden sich bislang überwiegend Reste von anderen Kalmaren und Fischen. Der Riesenkalmar hat zahlreiche Fressfeinde: Wale und Haie in erster Linie, kleinere Exemplare fallen verschiedenen Fischen zum Opfer, die ganz kleinen sogar Hochseevögeln.

Wie viele Riesenkalmare gibt es wohl auf der Welt?

Noch immer weiß man sehr wenig über Riesenkalmare. Neue Erkenntnisse wird es geben, wenn die Riesentintenfische erneut fotografiert, gefilmt, per Zufall gefunden oder gezielt von Forschern angelockt werden. Vielleicht erfahren wir dann auch, ob ihre Population zu- oder abnimmt - oder ob Riesenkalmare, wie so viele andere Meeresbewohner auch - vom Aussterben bedroht sind.

Gigantische Kraken jagten Fischsaurier

Was von den Fischsauriern übrig blieb ...

Riesige Tintenfische von bis zu 30 Metern - und damit doppelt so groß wie die größten heutigen Tiefsee-Kalmare - sollen im Erdzeitalter der Trias, vor 200 Millionen Jahren, Fischsaurier gejagt und gefressen haben. Diese These vertritt der Geologe Mark McMenamin und beruft sich dabei auf Funde von 37 Fischsaurierskeletten im US-Bundesstaat Nevada. Die Sedimentsgesteine lassen vermuten, dass die Fossilien auf dem Meeresboden lagen. Die Glieder von 14 Tieren waren seltsam geordnet und in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet. McMenamin geht davon aus, dass die riesigen Kopffüßer mit den Überresten ihrer Opfer gespielt und dabei die Knochen geordnet haben. "Moderne Kraken machen das auch", so der Forscher. 

8. Oktober: Welttag der Kraken (World Octopus Day)

Schon gewusst? Am 8. Oktober ist der Welttag der Kraken (engl. World Octopus Day): Dann stehen die intelligenten Weichtiere mit ihren acht Armen samt ihrer ganz speziellen Eigenschaften im Fokus.

Sendungen über Riesenkalmar, Tintenfisch, Oktopus und die Tiefsee


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