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Sinkende Chance auf weiße Weihnachten 2022 Das typische Weihnachts-Tauwetter ist da

Der Schnee muss jetzt dem Regen weichen: In weiten Teilen Deutschlands sind die Temperaturen deutlich gestiegen. Das Weihnachts-Tauwetter setzt sich durch. Ganz normal für Weihnachten?

Stand: 22.12.2022

Regen, Matsch, trüber Himmel, Windböen und in den Alpen und Mittelgebirgen grüne Wiesen und Berghänge: Daran sollten wir uns längst gewöhnt haben. Denn in Deutschland können wir nur sehr selten Schnee an Weihnachten genießen, da ist die Statistik eindeutig. Nicht "Leise rieselt der Schnee" ist der passende Soundtrack für Weihnachten, sondern "Es grünt so grün".

Weiße Weihnachten 2022

Und wie sieht es in diesem Jahr aus? Seit dem 19. Dezember ist in den meisten Regionen Deutschlands Schluss mit Frost, Schnee und Eis. Das Thermometer zeigt Plusgrade, eine Warmfront bringt Wind und Regen aus dem Westen.

Wer auf weiße Weihnachten in diesem Jahr gehofft hat, wird enttäuscht. Örtlich zweistellige Plusgrade soll es nach der DWD-Prognose am 24. Dezember in Bayern geben. Am Inn könnte es sogar bis zu 14 Grad warm werden. In den Alpen erwartet der DWD an Heiligabend viel Regen. Insgesamt rechnet der DWD eher mit einem milden Winter, allerdings nur mit einer groben Vorhersage für die Wintermonate von Dezember 2022 bis Februar 2023.

Auch die Statistik sagt: Weiße Weihnachten sind nicht sehr wahrscheinlich. Das vorweihnachtliche Winterwetter wird meist kurz vor Heiligabend von milden Luftmassen verdrängt: Das Weihnachts-Tauwetter setzt ein.

Flächendeckend weiße Weihnacht - ein seltenes Ereignis

Meteorologische Definition für weiße Weihnachten

Wird an einer Wetterstation am 24., 25. und 26. Dezember jeweils ein Zentimeter Schnee oder mehr gemessen, spricht man meteorologisch von weißen Weihnachten.

Laut der meteorologischen Definition von "weißer Weihnacht" gab es nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in den vergangenen 120 Jahren in Deutschland nur sechs Mal mehr oder weniger flächendeckend weiße Weihnachten über drei Tage hinweg: Und zwar in den Jahren 1906, 1917, 1962, 1969, 1981 und 2010. Regional begrenzt gab es natürlich häufiger weiße Weihnachten. Aber auch deren Zahl nimmt ab, betrachtet man die Schneedaten vergangener Jahrzehnte.

Abgesehen von Orten in Höhenlagen über 600 Metern sind weiße Weihnachten aber sowieso die Ausnahme, erklärt der BR-Meteorologe Michael Sachweh:

"Der weiße Dezember, vor allem die weiße Weihnacht, ist eine romantische Vorstellung, die wir - wie so vieles - aus den USA übernommen haben. Die USA haben aber ein ganz anderes Winterklima als wir, besonders für die Nordstaaten sind weiße Weihnachten nichts Ungewöhnliches."

Michael Sachweh, BR-Meteorologe

Weiße Weihnacht: Wahrscheinlichkeit deutlich gesunken

Analysen des Deutschen Wetterdienstes DWD von 2021 zeigen, dass weiße Weihnachten in den vergangenen Jahrzehnten noch seltener geworden sind. Die Chancen auf eine Schneedecke an allen drei Weihnachtstagen (24. bis 26. Dezember) gingen in Deutschland durchschnittlich um 13 Prozent und regional sogar um bis zu 44 Prozent zurück, vergleicht man die Zeitspanne von 1991 bis 2020 mit dem davorliegenden Dreißigjahreszeitraum von 1961 bis 1990.

"Das ist nicht überraschend. Der Klimawandel mit steigenden Temperaturen vertreibt die romantischen weißen Weihnachten Schritt für Schritt aus Deutschland", kommentiert Uwe Kirsche, Sprecher des DWD, die Daten.

Weniger weiße Weihnacht: Süden besonders betroffen

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Für sieben Städte in Deutschland hat der Deutsche Wetterdienst den Rückgang der Wahrscheinlichkeit von weißen Weihnachten berechnet. Dabei fällt auf, dass die Chance auf eine weiße Weihnacht statistisch gesehen in München am meisten gesunken ist - um 19,5 Prozentpunkte beim Vergleich der beiden Referenzperioden. In Leipzig ist die Wahrscheinlichkeit hingegen nur um 3,8 Prozent gesunken, in Berlin und Hamburg um jeweils 10, in Frankfurt am Main um 11,8 und in Freiburg um 12,2 Prozentpunkte. Statistisch betrachtet können sich laut DWD die meisten Menschen in Deutschland nur noch alle zehn Jahre über Schnee an den drei Feiertagen freuen.

Weiße Weihnachten in der Bilanz

Weiße Weihnachten - bei uns die Ausnahme statt die Regel

Selbst im kühleren und teilweise höhergelegenem Bayern gab es in den vergangenen 50 Jahren nur fünfmal Schnee an Weihnachten: in den Jahren 1969, 1981, 1986, 2001 und 2010. Jammern auf hohem Niveau, denkt mancher auf Helgoland, wo es durchschnittlich nur zwei Mal im Jahrhundert weiße Weihnachten gibt. Nur an einem einzigen Ort in Deutschland kann man jedes Jahr mit weißen Weihnachten rechnen: auf der Zugspitze! Gemessen wird seit 1880.

Weihnachten einfach zu früh im Winter

Auch ohne den Klimawandel sind weiße Weihnachten bei uns gar nicht so typisch. Weihnachten liegt terminlich einfach etwas ungünstig: Drei Tage vor der Heiligen Nacht beginnt der Winter überhaupt erst, denn der Tag der Wintersonnwende ist astronomischer Winteranfang. Dass die Meteorologen immer den 1. Dezember als Winteranfang sehen, hat vor allem statistische Gründe: Es rechnet sich einfacher, wenn auch der Winter an einem Monatsersten beginnt.

Doch der Tiefststand der Sonne über der Nordhalbkugel der Erde ist erst drei Wochen später erreicht, kurz vor Weihnachten. Flachere Sonneneinstrahlung über weniger Stunden am Tag lässt unsere Planetenhälfte abkühlen - die Ozeane recht langsam, die Kontinente etwas schneller. Die großen Landmassen Sibiriens kühlen am schnellsten ab, dort beginnt der Winter meist schon im November. Bei uns dagegen bestimmen Hochs und Tiefs, ob Weihnachten weiß wird.

Ein Hoch im Norden beschert uns weiße Weihnachten

Die besten Aussichten für weiße Weihnachten gibt es für uns, wenn den Russen die Sonne lacht: Ein Hochdruckgebiet über Sibirien, um das sich die Luftmassen im Uhrzeigersinn drehen, saugt die kalte Luft des Nordpols an und bläst sie zu uns, als eisige Ostwinde. Auch ein Hoch über den Rentieren Lapplands bringt die Polarluft zu uns.

Wo Winterluft auf Sommerwärme trifft

So entsteht das Weihnachtstauwetter

Auch bei frostiger Vorweihnachtszeit ist die weiße Weihnacht in Deutschland eher die Ausnahme. Selbst ein kühles Hoch über Sibirien bringt uns nicht immer Schnee. Denn wehe, die Winde zweigen vorher ab: Ziehen sie nördlich an England vorbei, dann ist es aus mit dem Wintertraum bei uns. Über dem Atlantik treffen die kalten Luftmassen auf den Sommer.

Nicht nur auf den Rest von Sommerwärme, der im Ozean länger gespeichert bleibt, sondern auf ganz frischen Sommer aus weiter Ferne: Wintersonnwende bei uns ist zugleich Sommersonnwende auf der Südhalbkugel. Dort scheint jetzt die Sonne hoch und heiß viele Stunden am Tag herab und wärmt ordentlich. Und die große, globale Warmwasserleitung, der Golfstrom, bringt diese Wärme schnurstracks in unsere Nähe.

Das Islandtief ist schuld

Polare Kaltluft von Osten trifft auf subtropische Warmluft aus Südwesten und schon ist es da, das leidige Islandtief. Gegen den Uhrzeigersinn dreht sich das Tiefdruckgebiet, schaufelt die Kaltluft weiter nach Norden und saugt die feuchtwarme Atlantikluft zu uns heran - mit regenreichen Westwinden. Und das ist es dann, unser typisches Weihnachtswetter.

Vorteil von grünen Weihnachten? Der Christbaum-Kauf per Fahrrad ist viel leichter.

Vor allem den Südwesten Deutschlands erwischt die feuchtwarme Witterung, während der Nordosten Deutschlands noch eher Chancen auf die polare Kaltluft hat. Manchmal verläuft dann eine scharfe Trennlinie quer durchs Land. Dort, wo die kalten und warmen Luftmassen aufeinanderstoßen, wird es turbulent: Starke Schneefälle, Eisregen und Blitzeis treten dort auf - ein Graus für alle, die zum familiären Weihnachtsfest das Land durchqueren.

Typisch, Weihnachts-Tauwetter!

Das typisch deutsche nicht-winterliche Wetter an Weihnachten hat sogar einen eigenen Namen: Weihnachts-Tauwetter. Es herrscht meist vom 24. Dezember bis Silvester. Weil dieses Witterungsverhalten bei uns so typisch und regelhaft ist, bezeichnen Meteorologen es als Singularität: Eine vom normalen Wetterverlauf abweichende Wetterlage, die aber zu bestimmten Jahreszeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit auftritt, so wie die Eisheiligen im Mai oder die Schafskälte im Juni. Angeblich sind schon im Mittelalter Menschen zur Weihnachtszeit im südlichen Rhein schwimmen gegangen, dank des Weihnachts-Tauwetter.

Weihnachtswetter-Stichprobe

1953

Kein Schnee in der Adventszeit? Da ist Hamburg 1953 keine Besonderheit. Auch an Weihnachten bleibt es in den meisten Orten grün und mild. Selbst in Oberstdorf sind es durchschnittlich 1,8 Grad. Nur 1 Zentimeter Schnee misst die Station des Deutschen Wetterdienstes. Neuer Schnee kommt bei der Wärme nicht dazu. Auch sonst fällt nur wenig Schnee, später Regen.

1962

Dieser Winter hat es sich. Auch an Heiligabend: In Erfurt-Weimar sinken die Temperaturen auf bis zu minus 16 Grad. In Nürnberg hat es durchschnittlich nur minus 10 Grad. Und selbst auf Helgoland zeigt das Thermometer nicht mal eine Null an. Neuen Schnee gibt es nicht oft. Zu kalt. Aber Altschnee: Wie hier zum Beispiel im Schwarzwald. In Nürnberg misst die DWD-Station immerhin 9 Zentimeter. Fast sibirisch ist Oberstdorf mit um die minus 20 Grad und 1 Meter Schnee.

1981

Nicht nur der inzwischen verstorbene Costa Cordalis geht damals zum Langlaufen. Ganz Deutschland liegt an den Weihnachtstagen unter einer Schneedecke. Sogar auf der milden Insel Helgoland ist es am 24. ein bisschen weiß: 3 Zentimeter Schnee. In Berlin sind es 20 Zentimeter, in Oberstdorf 77. Und es schneit weiter. Die Temperaturen knapp unter null Grad sorgen weiter dafür, dass nichts auftaut. Auf ein Comeback dieser gesamtdeutschen Winterlandschaft muss man allerdings bis 2010 warten.

1990

Einfach nur mild, dieses Weihnachtswetter. Die Rostocker tummeln sich bei 6,7 Grad auf dem Weihnachtsmarkt. Auch an den Messstationen in Köln-Bonn, Nürnberg, Helgoland, Hannover und Berlin steigen die Temperaturen auf ein paar Grad über Null. Schnee? Fehlanzeige. Natürlich mal wieder abgesehen von Oberstdorf und den höher gelegenen Gebieten. In Berlin ist statt Schnee ein bisschen Sprühregen angesagt.

2012

Nur 1977 und 1983 war es in Deutschland ähnlich warm. Obwohl Anfang Dezember noch Schnee liegt, taut es pünktlich zum Fest gewaltig. Im Chiemsee kann man nicht nur als Eisschwimmer baden, in München steigt das Thermometer auf rekordverdächtige über 20 Grad. Während man sich im Süden sonnen kann, ist es im Norden eher bewölkt. 13,4 misst dort die Station in Köln-Bonn, in Hannover sind es maximal rund 13 Grad.

Vorweihnachtszeit immer milder

Doch in den vergangenen Jahren konnte man immer häufiger nicht mal mehr von Weihnachts-Tauwetter sprechen, denn dazu hätte es zuvor kälter sein müssen. Doch die milden Temperaturen herrschen inzwischen auch in der Vorweihnachtszeit vor:

"Früher hatten wir in der Vorweihnachtszeit oft unseren ersten längeren Wintereinbruch mit Eis und Schnee bis ins Flachland. Aber gerade zu den Weihnachtsfeiertagen hin verspürte die Atmosphäre dann einen großen 'Drang' zu milden Westwetterlagen mit Atlantikluft: das Weihnachts-Tauwetter. Seit Mitte der 1980er-Jahre häufen sich milde Winter und damit die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine eis- und schneearme vorweihnachtliche Witterung nahtlos in die Weihnachts-Tauwetter-Phase übergeht. Da kann man von 'Weihnachts-Tauwetter' eigentlich gar nicht mehr sprechen."

Dr. Michael Sachweh, BR-Meteorologe

Die Singularität des Weihnachts-Tauwetter scheint also dank Klimawandel auszusterben - die grünen Weihnachten werden bleiben und wahrscheinlich sogar zunehmen: Sollte die Klimaerwärmung weiter wie aktuell fortschreiten, könne die Wahrscheinlichkeiten für weiße Weihnachten in vielen Teilen Deutschlands in den nächsten Jahrzehnten noch deutlich geringer werden, sagt Andreas Friedrich, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes.

Weiße Weihnacht sind (nur) ein schöner Traum

Müssen wir unser Bild vom Weihnachtsmann geraderücken?

Warum ist Weihnachten in unseren Köpfen überhaupt mit Schnee verknüpft? Der größte Teil der christlichen Welt feiert grüne Weihnachten. Auch die Ur-Weihnacht in Bethlehem war sicher schneefrei. Weiße Weihnacht ist eben für viele nur ein Traum.


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