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Asteroidenabwehr Die Erde vor knallharten Feinden schützen

Vor 65 Millionen Jahren löste ein Asteroid einen Klimawandel aus. 1908 entwurzelte eine Asteroidenexplosion in Sibirien Millionen Bäume. In Bayern hinterließ ein Einschlag einen riesigen Krater. Solche Katastrophen sollen zukünftig verhindert werden.

Stand: 28.06.2022

Die Erde steht unter dauerndem Beschuss aus dem Weltall: Zahllose Gesteinsbrocken trudeln durchs All und kollidieren mit dem, was ihnen in den Weg kommt. Große Katastrophen sind zum Glück selten. Doch wie überraschend der Einschlag eines Himmelskörpers sein kann, zeigte sich 2013.

Asteroid stürzt auf Russland

Internationaler Tag der Asteroiden

Mit dem Asteroiden-Tag wird am 30. Juni an das Tunguska-Ereignis erinnert. Am 30. Juni 1908 wurden in Sibirien rund 60 Millionen Bäume auf 2.200 Quadratkilometer durch die Explosion eines Asteroiden entwurzelt. Der "Asteroid-Day" möchte mögliche Bedrohungen und Erkenntnisse stärker ins Bewusstsein rücken, die in diesen kleinen, im Weltall verstreuten Himmelskörpern liegen.

Am 15. Februar 2013 zerbarst in der russischen Region Tscheljabinsk am Uralgebirge ein Gesteinsbrocken beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Seine Bruchstücke schlugen als Meteoriten auf der Erde ein. Etwa 1.500 verletzte Menschen und rund 3.700 beschädigte Gebäude waren die Folge. Dabei hatte dieser Brocken einen Durchmesser von nur etwa 20 Metern und ein Gewicht von rund 13.000 Tonnen - ein eher kleiner Körper.

Am gleichen Abend näherte sich ein deutlich größerer Himmelskörper der Erde: Weniger als 30.000 Kilometer trennten abends am 15. Februar den Asteroiden 2012 DA14 von der Erdoberfläche. Das war näher, als uns viele geostationäre Satelliten sind und zehnmal dichter bei uns als der Mond. So knapp, dass man 2012 DA14 am Himmel sehen konnte, wo das Wetter mitspielte.

Kandidat Apophis im Jahr 2029

Einen weiteren Asteroiden kennt man bereits seit Ende 2005: Im Jahr 2029 soll der 300-Meter-Klumpen Apophis, benannt nach dem altägyptischen Gott der Finsternis und des Chaos, uns um nur rund 30.000 Kilometer verfehlen.

Was wäre, wenn er seinen Kurs bis dahin doch noch minimal ändert? Oder wenn ein anderes Geschoss wie aus dem Nichts auftaucht und auf die Erde zurast? Um das zumindest so früh wie möglich mitzukriegen, werden Asteroiden seit Jahrzehnten beobachtet.

NASA-Sonde DART soll Asteroid Dimorphos ablenken

Die Raumfahrtbehörde ESA will in einer Doppel-Mission gemeinsam mit der NASA erforschen, ob und wie sich ein gefährlicher Asteroid im Ernstfall ablenken ließe. Um herauszufinden, wie sich ein absichtlicher Aufprall auf einen Asteroiden auswirkt, ist am 24. November 2021 die NASA-Sonde DART (Double Asteroid Redirection Test) gestartet. Ziel der Mission ist der Doppelasteroid Didymos (griechisch "Zwilling"). Der größere der beiden Brocken hat 780 Meter Durchmesser, der kleinere 160 Meter und trägt den Namen Dimorphos. Auf diesem will die NASA die Raumsonde DART im Herbst 2022 einschlagen lassen und seine Bahn verändern. Die Experten nennen es einen "kosmischen Auffahrunfall".

Raumsonde HERA mit Minisatelliten im Gepäck

Die Raumsonde HERA soll nachschauen, welche Spuren der Einschlag der Sonde DART hinterlassen hat.

Die Raumsonde HERA soll 2024 starten und den Effekt des Aufpralls auf Dimorphos mithilfe von Kameras und wissenschaftlichen Instrumenten untersuchen. Dafür wird HERA auch einige würfelförmige Minisatelliten an Bord haben. Sie sollen unter anderem den Einschlagkrater und die Zusammensetzung des Asteroiden erforschen.

Asteroiden-Kollisionen: Netzwerk der Vereinten Nationen

Gefahr eines Asteroideneinschlags

Auch die Vereinten Nationen wollen für eine drohende Kollision mit einem Asteroiden gerüstet zu sein. Deshalb baut die Organisation ein internationales Netzwerk auf, das Abwehrmaßnahmen erforscht und ein funktionierendes Frühwarnsystem für die ganze Welt erstellt. Die internationale Kommission, die dabei federführend ist, heißt Space Mission Planning and Advisory Group. SMPAG (ausgesprochen "same page" - bildlich für "wir stehen alle auf einer Seite") soll eine technische Reaktionsstrategie für einen potenziellen Asteroideneinschlag entwickeln.

Tausende Asteroiden und Kometen verzeichnet

In den vergangenen Jahrzehnten wurden Tausende von Asteroiden und Kometen in der Nähe der Erde entdeckt: Mehr als 27.000 NEAs (Near Earth Asteroids) sind bislang verzeichnet, jeden Monat kommen weitere hinzu. Mit einer Geschwindigkeit von fünf bis dreißig Kilometern pro Sekunde rasen die kosmischen Geschosse durchs All. Eine gefährliche Kollision mit der Erde ist aus Expertensicht etwa alle paar hundert Jahre wahrscheinlich.

Europäisches Frühwarnsystem der ESA

Auch Europas Raumfahrtagentur ESA versucht, die Flugbahn potenziell gefährlicher Asteroiden so früh wie möglich zu errechnen. An ihrem Standort im italienischen Frascati werden im Koordinationszentrum für erdnahe Objekte NEOCC Erkenntnisse über entdeckte Asteroiden gesammelt.

Unter dem Namen NeoShield bzw. dem Nachfolger NeoShield-2 erforschte Europa ab 2012 mehrere Jahre lang unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) außerdem Möglichkeiten zur Abwehr von Asteroiden. Die HERA-Mission ist ein direktes Ergebnis dieser Forschung, die ein Experiment mit einem derartigen "kosmischen Auffahrunfall" empfohlen hat: "Obwohl es nicht so von Anfang an geplant war, ist es eine glückliche Kette von Umständen, dass wir in der Lage sind, so eine wichtiges Experiment durchführen zu können", sagt der Astrophysiker Dr. Alan Harris vom DLR und ehemalige Leiter der Neoshield-Missionen.

Asteroidenforscher brauchen Details

Die ersten jemals gesammelten Bodenproben stammen vom Asteroiden Itokawa.

Um Kometen und Asteroiden abwehren zu können, müssen Wissenschaftler zuerst deren physikalische Eigenschaften kennen sowie ihre Zusammensetzung, Struktur und Oberflächenbeschaffenheit. Abhängig von der Größe eines Asteroiden sowie von der Zeit, die zwischen seiner Entdeckung und einem möglichen Eintritt in die Erdatmosphäre liegt, könnten dann verschiedene Methoden zum Einsatz kommen.

Flugbahn eines Asteroiden berechnen

Ist ein Asteroid entdeckt, kann man versuchen, seine Flugbahn für die nächsten Jahre und Jahrhunderte zu berechnen. Das ist bei Asteroiden sehr schwierig, da die himmlischen "Fliegengewichte" sehr leicht abgelenkt werden: Wenn sie in die Nähe größerer Körper geraten, ändert sich ihr Kurs. Bei kleinen Körpern reicht schon manchmal das Sonnenlicht, um sie vom Weg abzubringen: Da sich eine Seite des Asteroiden erhitzt, gerät er ins Taumeln. Auch ob er eine raue oder glatte Oberfläche hat, beeinflusst seine Flugbahn.

Mögliche Abwehrmethoden

Sanfte Ablenkung durch Raumsonde

Wird ein Asteroid auf Kollisionskurs Jahre vor einem möglichen Zusammenstoß entdeckt, wäre eine schmerzfreie Abwehrmethode denkbar: Wenn man eine Raumsonde nah an den Asteroiden lenkt, könnte sich ihre Gravitation auf ihn auswirken und ihn - wie von einem Seil gezogen - ablenken. Allerdings würde es mehrere Jahre dauern, bis man eine ausreichende Veränderung seiner Umlaufbahn erreicht hat.

Harte Ablenkung

Auch die zweite, dringlichere Abwehrmöglichkeit beinhaltet den Einsatz einer Raumsonde: Lenkt man sie gezielt auf den Asteroiden, kann ihn ihr Einschlag buchstäblich aus der Bahn werfen. Hierfür muss jedoch noch geklärt werden, wie die Raumsonde gesteuert werden soll, damit sie ihr Ziel sicher und im korrekten Winkel trifft. In Laborexperimenten wollen die Wissenschaftler noch herausfinden, wie sich ein Asteroid genau bei einer Kollision verhält.

Nukleare Explosion

Wenn die Zeit drängt, käme eine ganz harte Methode in Betracht: eine Sprengung, am ehesten durch eine nukleare Explosion. Eine Lösung, die zugleich neue Probleme mit sich bringt. Zwar würde ein gefährlich großer Asteroid mit Kurs auf Erde zwar in viel kleinere Bruchstücke zerlegt werden. Doch diese wiederum schießen anschließend völlig unkontrolliert durchs All.

Asteroidenabwehr: Wer entscheidet im entscheidenden Moment?

Um Asteroiden von der Erde fernhalten zu können, muss man sie erst besser kennen.

Eine Frage bleibt: Abwehrmaßnahmen können zwar von Experten beurteilt und empfohlen werden, veranlassen muss sie aber die Politik. Etwa, wenn tatsächlich die Explosion einer Nuklearrakete nötig wäre. Aber wer würde die veranlassen und die Verantwortung für die ganze Welt übernehmen? Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Gut, dass wir 2029 die Abwehrmechanismen noch nicht brauchen, wenn Apophis sich der Erde nähert.

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