Sport - Special Olympics 2012


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Eklat bei Special Olympics Sponsorengelder für Behindertensportler abgezweigt

Sponsorengelder für Behindertensport kommen nicht immer dort an, wo sie am meisten gebraucht werden: bei den Sporttreibenden und ihren Verbänden. ARD-Radio-Recherche Sport hat nachgefragt: Wird Geldmacherei auf dem Rücken der Behindertensportler betrieben?

Von: Sebastian Krause, ARD-Radio-Recheche Sport

Stand: 06.03.2017

Special Olympics | Bild: imago/Plusphoto

In Deutschland gibt es auf Bundesebene und in jedem Land jeweils zwei große Organisationen für Behindertensportler: die Special Olympics Verbände und die Behindertensportverbände, wo schwerpunktmäßig die paralympischen und körperbehinderten Athleten untergebracht sind. Bei den Special Olympics steht der Breitensport im Vordergrund - rund 40.000 Sportler mit geistiger und mehrfacher Behinderung erreicht die Sportbewegung. Ab heute finden im hessischen Willingen die nationalen Winterspiele der Special Olympics statt, 700 Teilnehmer werden erwartet.

Bei Förderung keine einheitliche Linie

Aber nur die Behindertensportverbände sind vom Deutschen Olympischen Sport-Bund DOSB und den Landessportbünden als Fachverband anerkannt und profitieren von öffentlichen Geldern und der Sportförderung. Die Special Olympics Verbände gelten nur als außerordentliche Mitglieder und sind deshalb besonders auf andere Geldgeber und Sponsoren angewiesen. Die "ARD-Radio-Recherche Sport" hat alle Behindertensportverbande auf Bundes- und Landesebene befragt, wie sie sich finanzieren, wo die Gelder herkommen und wie sie eingesetzt werden. Das Ergebnis: Es gibt keine einheitliche Linie und die finanzielle Situation sieht in jedem Land anders aus.

Geldmacherei auf Rücken der Behindertensportler?

Während bei den Special Olympics nur die Landesverbände von Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen dauerhaft vom Staat bzw. Land finanziell unterstützt werden, gibt es in den anderen Ländern öffentliche Fördergelder nur projektbezogen. Rund 20 Prozent der Verbände geben an, bei der Suche nach Sponsoren externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen – durch eine Vermittlungsagentur zum Beispiel. Und genau dabei wird nach Recherchen des ARD-Reporter-Teams auf dem Rücken der Behindertensportler seit Jahren Geldmacherei betrieben. Es geht um die Vermittlung und tatsächliche Weitergabe der Sponsorengelder.

Im konkreten Fall arbeiten die drei Special Olympics Landesverbände Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg – die eigentlich gemeinnützige Vereine sind - mit der Sponsorenvermittlungsfirma Metatop GmbH aus Stuttgart zusammen , die bisher nach ARD-Recherchen folgendermaßen vorgegangen ist: Die Mitarbeiter der Firma kontaktieren per Telefon-Akquise Unternehmen. Es wird um  Unterstützung für Menschen mit Behinderung geworben und die soziale Ader angesprochen. Die Unternehmen erklären sich bereit, überweisen die Geldbeträge an ein Bankkonto der Firma Metatop, und bekommen im Gegenzug eine Sponsorenurkunde, mit der sie ihr soziales Engagement imagewirksam auf ihrer Homepage präsentieren können.

Nur etwas mehr als ein Drittel der Beträge kommt bei Verbänden an

Weder von der Vermittlungsfirma noch von den Special Olympics Verbände wurde dabei aber transparent gemacht, dass ein Großteil der Beträge gar nicht an die Behindertensportler geht. Nach Recherchen des ARD-Reporter-Teams flossen nur etwas mehr als ein Drittel der Geldbeträge tatsächlich an die Special Olympics Landesverbände - der Rest verblieb bei der Firma Metatop. So landeten dort jahrelang Summen in unbekannter Höhe. Durch diese undurchsichtige Verteilung wurden jahrelang Summen in bisher unbekannter Höhe verdient.

"Sponsoring ist nicht gleich Spende"

Den Vorwurf der Geldmacherei empfindet die Firma Metatop als "Beleidigung". Sie weist darauf hin, dass es sich nicht um "Spenden" handelt, sondern um "Sponsoring":

"Während 'Spenden' ohne Gegenleistung erbracht werden, handelt es sich bei 'Sponsoring' um ein gegenseitiges Leistungsverhältnis, aus dem sich für den Gesponserten und auch den Sponsor klare Pflichten ergeben. Die Unternehmen erwerben hierbei das Recht bzw. eine Legitimation sich in der Öffentlichkeit als offizieller Sponsor zu präsentieren. Zu betrachten sind daher der Sponsoring-Betrag und die zu erbringende Gegenleistung. Dass diese im angemessenen Verhältnis stehen, wird dadurch belegt, dass wir Unternehmen als Sponsoren finden."

Metatop GmbH

Unternehmer im Unklaren

Der "ARD-Radio-Recherche Sport" sind allein mindestens zehn Unternehmen bekannt, die Sponsoring-Beträge in Höhe von 200 bis 600 Euro an Metatop überwiesen haben, und nicht wussten, was mit den Geldern genau passiert ist und in welcher Höhe sie tatsächlich bei den Behindertensportlern angekommen sind.

Auf ARD-Anfrage wollten oder konnten das weder die Landesverbände noch die Firma Metatop aufklären. Erst auf wiederholte Nachfrage bestätigte der Präsident des Special Olympics-Landesverbandes Baden-Württemberg, Harald Denecken, stellvertretend für alle drei Landesverbände, dass die in Frage stehende Verteilung der Gelder seit Jahren mit der Firma Metatop vertraglich vereinbart war. Aufgrund fehlender institutioneller Förderung und weitgehend ehrenamtlichen Strukturen sei man auf professionelle Unterstützung von außen angewiesen gewesen, so Denecken. Monatlich habe Metatop dem Special Olympics-Landesverband Baden-Württemberg "zwischen 8.000 und 10.000 Euro" überwiesen.

"Mag sein, dass man bessere Verträge abschließen kann. Aber wenn man finanziell mit dem Rücken zur Wand steht, dann ist man um jeden Euro froh, der da kommt."

Harald Denecken

Verteilung der Gelder "sehr problematisch"

Große Kritik kommt auch vom Deutschen Fundraising Verband. Geschäftsführer Arne Peper bezeichnet eine solche Verteilung der Sponsoring-Gelder als "sehr problematisch", "nicht nachvollziehbar" und nach den Regeln des Fundraising-Verbandes "nicht ethisch". Nach den ethischen Richtlinien des Verbandes sollte der Anteil, den eine Vermittlungsagentur für sämtliche Dienstleistungen für sich behält, 25 Prozent nicht überschreiten.

Metatop: "Unternehmerisches Risiko zu 100 Prozent bei Metatop"

Firmensitz der Metatop in Stuttgart

Ob es zutrifft, dass Metatop im Rahmen der Sponsoren-Akquise und Vermittlung für die Special Olympics Verbände tatsächlich gut 60 Prozent von den eingeworbenen Geldern jeweils als Provision für sich einbehält, beantwortet die Firma weder mit Ja noch mit Nein. Metatop erklärt zu ihrer Vergütung unter anderem:

"Wir erhalten einen prozentualen Anteil an den vermittelten Sponsoring-Beträgen. Wir werden nur im Erfolgsfall vergütet und übernehmen für die Verbände das gesamte Risiko."

Metatop GmbH

Erste Konsequenzen nach ARD-Recherche

Innerhalb der Special Olympics-Bewegung gibt es bereits erste Konsequenzen infolge der ARD-Recherche. Diese förderte auch zutage, dass in Österreich gegen Metatop staatsanwaltlich ermittelt wird. Der deutsche Dachverband Special Olympics Deutschland (SOD) untersucht nun laut seinem Geschäftsführer Sven Albrecht die Zusammenarbeit der Landesverbände in Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen mit der Firma. Man habe das Thema "Ethik" mit den Landesverbänden nicht ausreichend diskutiert und wolle dies nun ausbauen, sagt Albrecht selbstkritisch. Darüber hinaus werde man festgelegte Standards bei der Finanzakquise einführen.

"Fragwürdige Verteilung der Gelder"

Auch andere Special Olympics Landesverbände seien nach Informationen der "ARD-Radio-Recherche Sport" von Metatop wegen einer Zusammenarbeit kontaktiert worden, hätten sich dann aber entschieden, wie Special Olympics Bayern:

"Wir wurden in der Vergangenheit von Metatop kontaktiert, haben aber eine Zusammenarbeit aufgrund der fragwürdigen Verteilung der Gelder, wenn ich es richtig im Kopf habe 60 Prozent für Metatop, abgelehnt."

Manuela Brehmer, Special Olympics Bayern


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Kommentieren

Bea, Mittwoch, 08.März 2017, 09:59 Uhr

10. Arbeit sollte bezahlt werden

Ich bin doch sehr überascht, dass wohl viele Menschen denken, die vielen Mitarbeiter die sich Tag täglich bemühen Sponsorengelder für soziale Institutionen
zu finden, das alles umsonst machen! Abgesehen davon stelle ich mir die Aufgaben nicht leicht vor. Ich denke nicht, dass man da nur "ein bisschen" telefonieren muß, und die dankbarste Aufgabe ist das bestimmt auch nicht.
Wenn man diese Dienstleistung in Anspruch nimmt, muss die natürlich auch bezahlt werden, wie bei jedem anderen.
Gott sei Dank gibt es noch Firmen, die diesen Service anbieten, da sonst vielen Institutionen wichtige Gelder fehlen würden. Als Ehrenamtlicher hat man
einfach nicht die zusätzliche Zeit.

Thommy, Mittwoch, 08.März 2017, 08:16 Uhr

9. Provisionsregelung ist zu hinterfragen

Ich finde es eine Schande, dass gerade im Bereich der Wohltätigkeit hier auf dem Rücken der schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft eine Provisionsregelung angewendet wird, die in meinem direkten Umfeld (Sparte IT) kein Unternehmen in Anspruch nehmen würde. Normal sind etwa 30% Provision für den Vermittler eines Vertrages. Auch hier hat der Vermittler das alleinige unternehmerische Risiko, um seine Aquise zu finanzieren. Das interessiert den Hersteller auch nicht die Bohne.
Was also hat die die Firma Metatop zu beklagen? Scheinbar können die, wie in einem der ersten Kommentare bereits erwähnt, den Hals nicht voll genug bekommen oder aber sie arbeiten nicht effektiv genug. Schade, dass die Moral im Geschäftsleben immer mehr abnimmt.

Susanna, Montag, 06.März 2017, 21:14 Uhr

8. Sponsoring ist eine Dienstleitung und Dienstleitungen kosten Geld

Bin echt erstaunt, dass hier alle scheinbar davon ausgehen, dass Dienstleistungen nichts kosten. Selbst im Artikel der ARD-Radio-Recherche Sport. Ich biete auch Dienstleistungen an und meine Mitarbeiter wollen jeden Monat ihr Gehalt. Egal wie viele Aufträge ich generieren kann, sie wollen Ihr Gehalt und der Vermieter seine Miete, etc.. Das ist das Risiko, welches jeder Unternehmer trägt. Wenn ich alle meine Kosten bezahlt habe, habe ich keinen Gewinn von 30-40%, den ich abgeben könnte. Also was soll das hier? Hat die ARD hier nicht doch relativ einseitig berichtet? Die headline des Artikels deutet zumindest darauf hin. Und eines ist klar, die ARD finanziert sich selbst von Sammelgeldern, d.h. von GEZ-Zwangs-Gebühren in Milliardenhöhe. Davon könnte die ARD sicherlich auch einen Teil an Behinderte, an den Behindertensport sponsern. Machen sie das? Ich persönlich bin froh, dass der Behinderten Sport auch von Sponsoring Unternehmen unterstützt wird und 30-40% sind ein prima Gewinn.

  • Antwort von Andreas Will, Mittwoch, 08.März, 08:53 Uhr

    Ihr Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf. Offensichtlich haben die ARD-Redakteure nicht eine Sekunde gefragt, wie viel Zeit und Arbeitskraft es benötigt um auch nur einen Sponsor von einem Sponsoringengagement zu überzeugen. So eine Akquise kostet jede Menge Geld. Zumal es sich beim Behindertensport um eine völlig unbedeutende und in der Öffentlichkeit unterrepräsentierte Sportart handelt. Würden gerade die öffentlich rechtlichen Medien häufiger darüber berichten, dann wäre es auch einfacher Sponsoren zu finden.

Bernhard, Montag, 06.März 2017, 13:09 Uhr

7. da gebe ich Wolfgang Schönfelder recht!

Die Kritik bitte nicht über treiben.
Der DFB und die Sportvereine, einschließlich der FC Bayern, sind meist Steuerbefreite Vereine.
Und dort werden Unsummen hinterzogen.

El Mayimbe, Montag, 06.März 2017, 12:48 Uhr

6. Spendergelder Metatop

Bei Metatop AG in Dietlikon (CH) noch krasser. Sie akquirieren f. Plusport mit dem Argument, dass sie das Zewo-Siegel haben. 1 unterst.Paket kostet 250 SFR. 1/3 geht an den Behindertensport.!!?? Das gleiche
Das gleiche mit prosports GmbH in Dübendorf wurde von beiden Firmen oft angefragt um Spenden