Religion & Orientierung


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Standort Der lange Weg zum neuen Zentrum

Münchens Oberbürgermeister Christian Ude zeigte sich aufgeschlossen der Idee gegenüber, das Zentrum im Herz der Stadt bauen zu lassen. Nebenbei konnte damit auch eine unansehnliche Baulücke geschlossen werden.

Stand: 08.11.2011 | Archiv

München: St.-Jakobs-Platz vor der neuen Synagoge, Baustelle vor dem Stadtmuseum | Bild: picture-alliance/dpa

Oberbürgermeister Christian Ude hatte die Idee von Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), aufgegriffen, das neue Zentrum inmitten der Stadt bauen zu lassen. Auch er wollte die Münchner Juden, deren Synagoge bislang in einem Rückgebäude untergebracht war, symbolisch wieder ins Stadtzentrum holen. Nebenbei konnte man damit auch eine kriegsbedingte Baulücke schließen. Der St.-Jakobs-Platz war seit der Bombenzerstörung im Zweiten Weltkrieg eine unansehnliche Freifläche (siehe Bild oben).

Das neue Zentrum: für OB Christian Ude Chefsache

Aber auch die Kultusgemeinde war lange auf der Suche nach einem neuen Zentrum. Das bisherige Gebäude in der Reichenbachstraße war über das graue Flair des Provisoriums nie so recht hinausgekommen. Schon in den 1970er-Jahren suchte das IKG-Präsidium ein geeignetes Grundstück.

Nicht an die Peripherie

Da die IKG selbst kein Grundstück besaß, war man auf die Hilfe der Stadt angewiesen. Naheliegend wäre das Gelände der alten, von den Nazis 1938 abgerissenen Hauptsynagoge hinter dem Karstadt-Kaufhaus in der Nähe des Lenbachplatzes gewesen. Doch das war aus sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich, da sich darunter eine Tiefgarage befindet. Später bot die Stadt Knobloch ein Grundstück am Stadtrand in Aubing und Neubiberg an. Doch sie lehnte ab, die jüdische Gemeinde wollte sich nicht - wie in voremanzipatorischen Zeiten - an die Peripherie drängen lassen. Erst mit Ude wurde die jetzige Lösung möglich.

Freiwilliges Ghetto?

Innerhalb der Juden in München fand die Ansammlung der vielen Institutionen - Synagoge, Museum, Gemeindehaus, Schule, Kindergarten, Rabbinat etc. - an einem Ort nicht nur ein positives Echo. So merkte der Journalist Richard C. Schneider an: "Bleibt abzuwarten, ob diese Bündelung jüdischer Einrichtungen an einem Ort nicht ein neues 'Ghetto' schaffen wird, ein freiwilliges sozusagen. Viele Juden halten das neue Gemeindezentrum für überflüssig. Sie wollen kein Ghetto, sie wollen ihre Kinder nicht auf einem 'Präsentierteller' in die Schule schicken, der St.-Jakobs-Platz ist ihnen verkehrstechnisch viel zu abgelegen, und in die neue Synagoge werden sie ebenso wenig gehen wie in die anderen, bestehenden Synagogen. Die Säkularisierung schreitet im Judentum genauso voran wie in der christlichen Welt." Andererseits bleibt abzuwarten, ob sich solche Befürchtungen langfristig bewahrheiten. Laut Knobloch besuchen in der neuen Synagoge inzwischen rund doppelt so viele Menschen die Gottesdienste wie früher.

Jakobsplatz im Mittelalter: Dult und Durchgangsstation

Im Mittelalter war das Areal vor der Klosterkirche Schauplatz der wirtschaftlich bedeutenden Jakobi-Dult und wichtige Durchgangsstation auf dem berühmten Jakobsweg von katholischen Pilgern ins spanische Santiago de Compostela. Seit 1945 hatten sich diverse potenzielle Bauherren vergeblich um den Platz bemüht. Erst meldete die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien Interesse an, später das benachbarte Stadtmuseum, wo man von einem groß dimensionierten Museumsquartier träumte. Entsprechende Planungen wurden aber Mitte der 1990er-Jahre vom leeren Stadtsäckel verschluckt.

Finanzierung - nicht ohne Opfer

Das Zentrum kostete zwischen 57 und 71 Millionen Euro, die Angaben schwanken. Finanziert wurde das Projekt von der IKG, vom Freistaat Bayern, der Landeshauptstadt München und durch Spenden. Der Beitrag der Landeshauptstadt belief sich auf 40 Millionen Euro, der der bayerischen Staatsregierung auf 14 Millionen.

Denkmal für die alte Münchner Hauptsynagoge | Bild: BR / Ernst Eisenbichler

Neben dem Grundstück der alten Hauptsynagoge steht heute ein Mahnmal.

Der Löwenanteil der Bausumme - ebendiese 40 Millionen Euro - wurden aus dem Verkauf des Geländes erzielt, auf dem die alte Hauptsynagoge in der Nähe des Lenbachplatzes stand. Käufer war Karstadt, das mit dem Grundstückserwerb sein benachbartes Oberpollinger-Kaufhaus erweitern konnte.

Dieser Teil des Finanzierungsplans von Knobloch löste Differenzen innerhalb der jüdischen Gemeinde aus. Damaligen Medienberichten zufolge war ein Teil der Münchner Juden mit dem Verkauf nicht einverstanden. Als im Jahr 2000 das Geschäft mit Karstadt bekannt wurde, trat Simon Snopkowski, damaliger und inzwischen verstorbener Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, an die Öffentlichkeit. Er sei "schockiert und empört über den Deal". Die Stadt habe 1964 das ehemalige Synagogen-Gelände unter der Bedingung erworben, es "für alle Ewigkeit" als Mahnmal zu erhalten. Durch eine Bebauung, so argumentierte Snopkowski als Sprecher eines Teils der jüdischen Gemeinde, könne der Platz nicht mehr Ort der Erinnerung sein.


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