Weiter im Schneckentempo Vatikan bremst deutschen Reformeifer
Ein Schreiben aus dem Vatikan weist den Reformprozess "Synodaler Weg" in Deutschland in seine Schranken. Eine zweite Reformation befürchtet manch Kritiker. Doch den Reformern geht es um etwas ganz anderes.

Die Deutschen haben im Vatikan nicht den allerbesten Ruf. Stimmt, da war mal was. Vor 500 Jahren machte sich ein renitenter deutscher Mönch daran, lautstark Reformen in der katholischen Kirche zu fordern. Das Ergebnis ist bekannt: Die Reformation Martin Luthers und die Spaltung der Kirche. „Wir haben schon eine evangelische Kirche, wir brauchen keine zweite“, hat der Papst neulich zu den Reformdiskussionen in der katholischen Kirche in Deutschland gesagt.
Und das war wohl kaum als Kompliment an deutsche Protestanten gerichtet, sondern als Mahnung an deutsche katholische Bischöfe, die gemeinsam mit Vertretern der Basis seit mehreren Jahren auf dem Synodalen Weg über eine Reform der Kirche nachdenken. Dabei sind keine Denk- und Diskussionsverbote gesetzt. Also wird offen diskutiert: über die Weihe von Frauen zu Diakoninnen, über die Beschränkung der Macht von Bischöfen, über eine zeitgemäße Sexualmoral. Und dann abgestimmt. Das Ergebnis? Auch eine große Mehrheit der Bischöfe ist für weitgehende Reformen. Das dürfte dem Papst besonders Sorgen machen.
Sorge vor einer zweiten Reformation
Alles eine Frage der Information: Es gibt seit Beginn dieses Synodalen Wegs nicht nur in Deutschland, mehr noch in der Weltkirche Widerstand gegen das Reformprojekt. Die Gegner kommen aus konservativ-traditionellen Kirchenkreisen, sind international gut vernetzt und kennen offenbar auch in Rom die richtigen Leute. Sie warnen vor einer zweiten Reformation. Schon wieder in Deutschland. Offenbar kam diese Botschaft auch beim Papst an. Die Veranstalter des Synodalen Wegs, also die Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken haben dagegen keine Lobby in Rom. Man bemüht sich schon seit Urzeiten um einen Termin beim Papst. Der kommt nicht zustande.
Dabei wäre Aufklärung über das Projekt „Synodaler Weg“ dringend nötig. Anders als es das Schreiben des Vatikans unterstellt werden beim Synodalen Weg keine Bischöfe oder Gläubige verpflichtet, Beschlüsse umzusetzen, die nicht im Einklang mit der Weltkirche stehen. Natürlich wird es Forderungen geben, die Prälaten in Rom als revolutionär oder gar unbotmäßig empfinden werden. Aus Forderungen aber lässt sich kein deutscher Sonderweg ableiten. Das haben auch reformwillige Bischöfe immer wieder betont. Nur wenn ihnen in Rom niemand zuhört, wird es schwierig mit der Kommunikation.
Auch engagierte Christen treten aus
Noch eine Botschaft, die in Rom nicht angekommen ist: Die letzte Mitgliederstatistik der katholischen Bischofskonferenz hat gezeigt, dass jetzt auch engagierte Christen die Kirche verlassen. Der Zorn über das Versagen der Kirche im Missbrauchsskandal ist mindestens genauso groß wie der Frust über das römische Schneckentempo bei Reformen. Und wenn sich der Vatikan und der Papst einmal vorurteilsfrei mit dem Synodalen Weg auseinandersetzen, werden sie feststellen: Es sind nicht nur die renitenten Deutschen, die ihre Kirche verändern wollen. In Australien, in Frankreich, in Spanien, überall brennt es. Nur im Vatikan nicht.