Kultur - Literatur


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Axel Hacke Der weiße Neger Wumbaba auf dem Wortstoffhof

Wir kennen ihn, den Münchner Erfolgsautor Axel Hacke. Schließlich lesen wir Woche für Woche seine Kolumnen. Doch was wissen wir wirklich über ihn? Über Hautschuppen, Kindererziehung, weiße Neger? Hacke sichtet und protokolliert für uns die Geheimnisse der modernen Welt - doch er verrät sie nicht.

Von: Rüdiger Dingemann, Michael Kubitza

Stand: 01.04.2019 | Archiv

Axel Hacke und ein Zitat aus seinen Werken | Bild: BR, picture-alliance/dpa, Montage: BR / Christian Sonnberger

Wussten Sie, dass der Mensch täglich 40.000 Hautschuppen verliert? Nein? Dann staunen Sie mit Axel Hacke darüber, dass sein Lesesessel nicht längst in einem Hautschuppenhaufen versunken ist. Und vielleicht teilen Sie seine Ahnung, dass unser "Inneres nichts ist als eine leise ratternde Hautfabrik". Geteilte Ahnung ist halbe Ahnung.

Mit einfachen Antworten auf die drängenden oder verdrängten Fragen unseres komplizierten Daseins lässt sich Hacke nicht abspeisen. Lieber zeigt er sich öffentlich ratlos, warum es zwar immer mehr Call Center gibt, aber keinen dritten Arm für Regenschirmtage. Und geht mit gebotenem Ernst der Frage nach, was mit München passiert, wenn die Zugspitze eines Tages zum Sommerurlaub nach Sylt aufbricht.

Tage in der Redaktion, Nächte mit Bosch

Schon sein erstes Buch von 1991 war eine ungewöhnliche Beichte. Es schildert seine "Nächte mit Bosch", einem Kühlschrank, dem er sein Leben erzählt. Dazu stellte er noch weitere 17 "unwahrscheinlich wahre" Geschichten. Das Buch wurde ein Bestseller - auch, weil Hacke, seit 1981 Redakteur und Kolumnist bei der Süddeutschen Zeitung, sich bereits eine treue Leserschaft erworben hatte, die am Küchentisch diskutierte, welches der ohne Autorennennung publizierten "Streiflichter" seiner Edelfeder entstammte.  

Geheimnisse des Alltags in der Aktentasche: Axel Hacke

Als die Familie Hacke Nachwuchs bekam, machte sich der junge Vater Gedanken über die Herausforderungen zeitgemäßer Pädagogik und verfertigte einen "Kleinen Erziehungsberater" - wieder ein Bestseller. Die Frontberichte aus dem Kleinkrieg mit den Kleinen entsprangen einer Kolumne im SZ-Magazin.

Und wie geht's Luis?

Für alle, die gern im Werk nach dem Leben des Autors fahnden: Hacke ist ein echter Münchner, obwohl er 1956 in Braunschweig zur Welt kam, und die kleine Kolumnen-Familie gibt es wirklich. Dass Paola, Luis und Sophie anders heißen, nützt ihnen indes wenig - längst sind sie anonyme Berühmtheiten wie einst der Streiflichtautor Hacke. Vielleicht auch ein Grund, warum der Kolumnist sich entschloss, "das Beste aus meinem Leben" gegen "das Beste aus aller Welt" einzutauschen und trotz vieler enttäuschter Fan-Mails auch die intimen Gespräche mit Bosch einzufrieren.

Eine weitere Veränderung in Hackes Tagesablauf ereignete sich von den Lesern unbemerkt: Um die Jahrtausendwende hatte er den Redaktionsalltag satt und etablierte sich, beflügelt von den Erfolgen seiner in 13 Sprachen übersetzten Bücher, als freier Autor mit Wohnsitz in München und im Chiemgau.

Abenteuerspiele im Sprachmüll

Hackebücher

1993 - Der kleine König Dezember*
1994 - Das Streiflichtbuch (Hrsg.)
1995 - Hackes kleines Tierleben*
1998 - Ich hab's euch immer schon gesagt
1999 - Auf mich hört ja keiner*
2000 - Ich sag's euch jetzt zum letzten Mal
2001 - Ein Bär namens Sonntag*
2004 - Der weiße Neger Wumbaba
2005 - Prálinek. Eine Weihnachtsgeschichte*
2007 - Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück*
2008 - Wortstoffhof. Sprachgeschichten von Äh bis Zeitfenster
2009 - Wumbabas Vermächtnis. Drittes Handbuch des Verhörens
2009 - Alle Jahre schon wieder. Ein Weihnachtsbuch*

Unverändert sind seine Neugier für die Dinge und die Sympathie für die Menschen, denen der Kolumnist und Reporter scharf - hier ist die Floskel am Platz - "aufs Maul schaut". Der Freund kreativen Sprachgebrauchs ist ein unermüdlicher Sammler von amtlichen Verlautbarungen, schlecht übersetzten Speisekarten und falsch verstandenen Liedzeilen; seit 2008 recycelt er den buntschillernden Sprachmüll in seinem "Wortstoffhof" zu philosophisch funkelnden Glossen.

In die Alltagssprache eingegangen ist seine Ver-Hörgeschichte vom "weißen Neger Wumbaba" - eine Verballhornung des "weißen Nebel wunderbar" aus Matthias Claudius' "Der Mond ist aufgegangen". Nach dem ersten Auflachen scheint auch hinter dem weißen Neger am Horizont die poetische Melancholie auf, die Hackes Staunen über die Seltsamkeiten der Welt und der Sprache begleitet. Axel Hacke "witzelt" nicht. Er ist vielmehr ein Vertreter des Witzes im besten, klassischen Sinne des Althochdeutschen "wizzi", was soviel wie Esprit, Wissen und scharfe Beobachtung bedeutet.

Werke (Auswahl)

1991

Nächte mit Bosch

Nachts, wenn der Ich-Erzähler einsam ist, geht er in seine Küche und unterhält sich mit Bosch, einem Kühlschrank der gleichnamigen Marke für Haushaltsgeräte. Er schätzt diese Gespräche sehr; auch, weil es immer was zu trinken gibt. Hackes Alltagsgeschichten sind ironisch, doch nicht verletzend, sondern immer mitfühlend: "Er sei, sagt Bosch, nun auch nicht mehr der Jüngste, das Tiefkühlfach tue es nicht mehr so recht, die Abtauautomatik schmerze, und dann immer das viele kalte Bier."

1992

Der kleine Erziehungsberater

Ein Trostbuch für alle Eltern, die glauben, nur sie versagten als Erziehungsberechtigte. Vater Hacke schildert mit leichter Feder viel Anekdotisches aus seinem Eltern-Kind-Alltag. Inzwischen haben über eine Million Eltern zu diesem ironischen Klassiker der "Ratgeber-Literatur" gegriffen, der alles andere ist als ein pädagogisches Sachbuch. Die kongenialen Illustrationen stammen, wie bei vielen Büchern Hackes, vom Berliner Maler und Grafiker Michael Sowa.

2003

Das Beste aus meinem Leben

Eine Sammlung der einst wöchentlich im Magazin der SZ und des Tagesspiegels erschienenen Kolumne gleichen Titels. Hier gibt Hacke lakonisch Auskunft über das Alltagsleben eines Ehemannes, dessen Frau Paola und Sohn Luis: Geschichten über Käsereste auf dem Autositz und sprechende Zahnbürsten, wichtige, unwichtige und andere Beiläufigkeiten des Alltäglichen.

2004

Deutschlandalbum

Rund 30 Reportagen aus dem neuen Deutschland bieten subtile Einblicke in die deutsche Mentalität. Hacke verfolgt die historische Entwicklung der Identität des einst geteilten Landes. Er beschreibt unterschiedlichste Lebenswege, unter anderem von "Kiezläufern" im Wedding, Sozialhilfeempfängern und einem Pfarrer in Thüringen, und erweist sich als "Experte für die Zwischenräume des Existenziellen".

2005

Wortstoffhof

Nie war Sprachkritik unterhaltsamer: Kein akademisches Schurigeln, sondern "Spaß am Valschen, die Poesie des Irrtuhms, die Freude an der Fehlleistunck". Ein Kompendium des Sprachreichtums, der "erst durch menschliche Schwäche" entstehe, ist im Vorwort zu lesen. Die Sprachgeschichten von "Äh" bis "Zeitfenster" sezieren genüsslich Beispiele aus Prospekten, Speisekarten und Gebrauchsanweisungen.

2009

Wumbabas Vermächtnis

Der schmale Band ist die zweite Fortsetzung über das Ver-Hören und daraus entstehende Missverständnisse. Oder doch "Besser-Verständnisse"? Herbert Grönemeyer hat "Fruchtzwerge" im Bauch. Peter Maffay geht über "sieben Donkleare". Und dann hören wir noch vom "Kuhfürsten" mit seinen Bullen und einem "Ejakulationsteam", das in der Schule auftaucht ...

Geburtstag

*20. Januar 1956 in Braunschweig
lebt in München


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