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Die Isar Wo die Moorente mausert

Wenige wissen es, doch direkt vor den Toren von München in nord-östlicher Richtung liegt ein Vogel-Paradies: Seinen Ursprung hat es in der Hölle nach dem Ersten Weltkrieg, sein Schatz stank einst in den Kanälen der Stadt. Das ist kein Widerspruch, im Gegenteil.

Von: Maximilian Burkhart

Stand: 05.04.2012 | Archiv

Im Vogelparadies an der Isar genießt die Moorente einen ruhigen Moment. | Bild: picture-alliance/dpa

Einst war die Moorente in ihren Brutgebieten in Osteuropa die dominante Entenart. Heute ist ihr Bestand weltweit um mindestens 95 Prozent eingebrochen. In ihrem riesigen Verbreitungsgebiet von Westeuropa bis in die Mongolei (West-Ost) und von Litauen bis Iran (Nord-Süd) leben keine 50.000 Exemplare der sehr scheuen und in ihrem Bestand stark gefährdeten Tauchentenart. Und so freuen sich Vogelschützer über jeden Vogel, den sie beobachten können. Am Ismaninger Speichersee sind es sogar drei!

Weltkrieg und Wasserkraft

München, nach dem Ersten Weltkrieg: Energie ist eine extrem knappe Ressource. In der Isar-Metropole besinnt man sich der Kraft der reißenden Isara. 1919 wird der Mittlere-Isarkanal angelegt, 1929 ist der 54 Kilometer lange künstliche Wasserlauf fertig. Auf seinem Weg vom Oberföhringer Wehr nach Moosburg überwindet er ein Gefälle von 80 Metern und treibt heute sieben Wasserkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 126 Megawatt an.

Pettenkofer und die tote Königin

Der Hygienearzt Max Josephn von Pettenkofer beginnt nach dem Tod der Königin Therese 1854 mit dem Ausbau des Münchner Abwassersystems.

Die Ingenieure um Theodor Rümelin haben jedoch mehr als nur die Energiegewinnung im Blick. Im 19. Jahrhundert fängt München enorm zu wachsen an - mit katastrophalen hygienischen Folgen. Nach einer verheerenden Cholera-Epidemie 1854, die auch die bayerische Königin Therese das Leben kostet, darf der Hygienearzt Max von Pettenkofer endlich mit dem Ausbau des Abwassersystems beginnen. Doch das ist schon bald den stinkenden Fluten nicht mehr gewachsen. So wird 1926 die Kläranlage Großlappen bei Freimann errichtet.

Wunderwerk der Technik

Über den Mittleren-Isar-Kanal fließen die Abwässer von Großlappen in den Hauptstrom. Schon in den 1920er-Jahren verfolgt die Münchner Stadtentwässerung dabei ein ökologisches Konzept. Zur Endreinigung werden über 30 Fischteiche und der Speichersee angelegt, an dessen nördlichen Ende sich zudem ein Kraftwerk befindet - eine technische Meisterleistung.

Die vorgeklärten Abwässer sind eine hervorragende Nahrungsgrundlage für allerlei Zoo- und Phytoplankton, wovon sich wiederum Karpfen und Wasservögel ernähren. Die Ismaninger Teichanlagen liefern lange den Fischbedarf der Stadt München.

Ein stinkendes Vogelparadies

Da es aber in der Anlage ziemlich riecht, verirrt sich außer den Fischern und Ingenieuren kaum einer in das Gebiet, mit einer Ausnahme: Ornithologen. Denn der Speichersee verfügt über alles, was Wasser- und Zugvögel brauchen: Viel Wasser, reichlich Nahrung und Ruhe vor dem Menschen. Der Ismaninger Speichersee wird Mauserzentrum.

Bunte Kostbarkeiten

Gut 50.000 Vögel bevölkern derzeit in den Sommermonaten den See und werfen hier nach der Brutzeit während der sogenannten Mauser ihr Gefieder ab. Für die Kolbenente ist es gar der wichtigste Rückzugsraum. Über 10.000 Tiere des mittlerweile gesicherten Bestandes kommen in den Münchner Norden, bevor sie sich in ihr Winterquartier am Bodensee aufmachen.

Seit 1976 wird der Speichersee in der Ramsar-Liste für geschützte Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung geführt - und dank modernster Abwassertechnik riecht es hier auch gar nicht mehr so übel.


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