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Berg-Exerzitien Schweigen, beten, schwitzen

Berg-Exerzitien sind kein Spa für Sinnsucher. Die Teilnehmer setzen auf Bewegung in der Natur. Eine neue Form von Wandern – selbst für geübte Kraxler eine Herausforderung.

Von: Elisabeth Friedgen und Paula Konersmann

Stand: 26.06.2012 | Archiv

Der Berg ruft – nach Menschen, die schweigen wollen. Berg-Exerzitien schaffen einen Raum der Stille in der Natur. Exerzitien – das ist der Versuch, sich "geistlich einzuüben" und dem Glauben im eigenen Leben mehr Raum zu geben. Diese Erfahrung beim alpinen Klettern zu erleben, bedeutet für Max Bauer, "sowohl im echten als auch im übertragenen Sinne herausgehoben zu sein aus dem Alltag".

Für Max Bauer sind Bergexerzitien genau die richtige Form der Seelsorge.

Der 57-jährige Lehrer mag die Berge, gleichzeitig ist ihm geistliche Besinnung wichtig. Vor einigen Jahren entdeckte er das Angebot für Berg-Exerzitien vom DJK-Sportverband der Erzdiözese München-Freising: "Dabei kann ich beides miteinander verbinden." Anfangs hatten vor allem kirchlich engagierte Menschen mitgemacht, so Bauer. Doch mittlerweile gibt es zunehmend Teilnehmer ohne religiösen Hintergrund: "weltanschauliche Sinnsucher".

Wer Wellness will, muss leiden

Doch was genau suchen Menschen, die sich für eine Auszeit in die Berge verabschieden? "Man kann Antworten auf die Fragen erfahren, die man im Alltag mit sich herumträgt." Für ihn ist das Angebot eine wichtige Form der Seelsorge. Schließlich braucht die Kirche neben den bewährten religiösen Riten heutzutage auch anderes. "Nur der Gottesdienst reicht nicht mehr", findet er. Jedes Jahr fährt er mit dem Pastoralreferenten Helmut Betz aus München eine Woche in die Berge.

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Der 53-jährige Betz hat früher Sportexerzitien angeboten – fast das Gegenstück zu Bergexerzitien. "Wir rasen nicht, um möglichst schnell möglichst viele Gipfel zu erreichen", erläutert er. Als ausgebildeter Bergführer weiß er, dass die Anstiege nur Schritt für Schritt zu bewältigen sind. Eines nach dem anderen – ein Grundsatz, der im hektischen Berufsleben seiner Schützlinge oft zu kurz kommt. "Ich versuche, die Leute zu entschleunigen", sagt Betz. "Die meisten Teilnehmer suchen einen Ort, an dem sie durchschnaufen können." Wenn das gelingt, kann auf den Touren durchaus ein Wellness-Gefühl entstehen: "Gutes tun für Körper, Geist und Seele – nach dem christlichen Menschenbild bilden diese drei eine Einheit."

Die Elemente der Exerzitien

Stille

Stille- und Schweigezeiten helfen, aus dem gewohnten Alltag herauszukommen. Dazu gehört, die Gedanken kommen und gehen zu lassen, auch einmal "gar nichts" zu denken und die Stille einfach auszuhalten. Bei Berg-Exerzitien spielt dabei auch die Betrachtung der Natur eine große Rolle.

Gebet

Die Nähe zu Gott finden – das ist das wesentliche Ziel von Exerzitien. Im Anschluss möchten viele Teilnehmer ihren Alltag stärker aus dem Blickwinkel des Glaubens betrachten, ihren Glauben bewusster erleben. Das Gebet kann dabei helfen – die Einkehr in Hütten und Kapellen ist bei Berg-Exerzitien zentral.

Impulse

Bei den meisten Exerzitienformen steht den Teilnehmern ein geistlicher Begleiter zur Seite, der Impulse gibt – etwa aus der Bibel oder meditativen Texten. Die Gedanken daraus kann der Teilnehmer in den Schweigezeiten für sich weiterentwickeln – ein Prozess, den jeder mit sich selbst ausmacht.

Gespräche

Die Gruppengespräche sind  für die geistlichen Begleiter ein Hilfsmittel, über das jeder Einzelne mit sich selbst ins Reine kommen soll. Zudem können die Teilnehmer mit den Leitern persönliche Gedanken austauschen. In den Bergen spüren viele Menschen, dass es immer weitergehen muss – auch in schweren Momenten.

Das sieht Klaus Graser anders. Er hat bereits an fünf Exerzitien-Anstiegen teilgenommen. "Mit Wellness is‘ da goar nix", sagt er. Vielmehr versorge die Woche in der Höhe die Teilnehmer mit Werkzeugen für den Alltag. "Die Impulse bleiben länger im Kopf als die eine oder andere Blase von einem Ausflug", sagt Graser.

Klaus Graser war schon bei fünf Exerzitien-Touren durch die Berge dabei.

Besonders in Erinnerung geblieben ist dem Unternehmer aus München übrigens eine Tour, auf der es acht Stunden durchgeregnet hat. "Eine große Überwindung", erinnert er sich. Aber auch eine Erfahrung, die ihn verändert hat. Seine Quintessenz: "Aufgeben tun ma net."


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