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Hannes Burger "Man muss es ihnen ins Gesicht sagen"

22 Jahre lang, von 1992 bis 2003, hat Hannes Burger für vier Redner die Texte zum Starkbieranstich auf dem Nockherberg geschrieben. Ein schwieriges Geschäft. Im Interview mit BR.de plauderte Burger aus dem Nähkästchen.

Von: Das Gespräch führte Maximilian Burkhart

Stand: 06.03.2012 | Archiv

BR.de: Herr Burger, Sie haben 1982 bis 2003 die Salvatorreden für den Nockherberg verfasst, bei dem traditionell die Politiker derbleckt werden. Können Sie uns den Begriff „Derblecken“ erklären?

Burger: Das Wort „Derblecken“ kommt vom Wort „Blecken“: Mit den Zähnen blecken, aber nicht beißen. Es ist eine Mischung aus Spott und spöttischem Lob. Wenn man jemanden derbleckt, lobt man ihn für einen Blödsinn, den er gemacht hat.

BR.de: Wie sind Sie zum Nockherberg gekommen?

Burger: Ich bin Zeitungsredakteur und habe eine ganze Reihe von Glossen geschrieben, wie die „Filserbriefe“ im Münchner Stadtanzeiger. Darum ist die Brauerei auf die Idee gekommen, der müsste doch eigentlich auch die Rede schreiben können für Walter Sedlmayr.

Ein Leben für den Journalismus

BR.de: Wie war das erste Mal?

Burger: Das war natürlich sehr aufregend, ich kannte den Sedlmayr ja nicht persönlich. Ich habe mir seine Radio-Werbespots nach Wien schicken lassen, wo ich als Korrespondent gearbeitet habe und sie während des Schreibens angehört. Die Rede 1982 ein Riesenerfolg, das haben wir dann neun Jahre lang gemacht.

BR.de: Sie hatten sehr  berühmte Vorgänger wie Jakob Geis, den Weiß Ferdl, Adolf Gondrell, den Roider Jackl und Emil Vierlinger. Wer war Ihr persönliches Vorbild?

Burger: Das war Emil Vierlinger. Die Vorgänger hatten nichts mit dem Politikerderblecken zu tun. Das waren einfach Humoristen, die lustige Einlagen auf dem Salvatoranstich gebracht haben. Das politische Derblecken hat Emil Vierlinger aus der bayerischen Wirtshaustradition übernommen, indem er die Begrüßungsansprache immer mehr ausgeweitet hat. Emil Vierlinger hat das meisterhaft gekonnt mit einer sehr feinen Ironie. Damals hat auch die Landespolitik noch eine wesentlich stärkere Rolle gespielt.

BR.de: Der Nockherberg ist kein politisches Kabarett, sondern etwas ganz eigenes mit einem sehr speziellen Publikum. Sie müssen für Insider schreiben, die unten im Publikum sitzen. Und Sie müssen gleichzeitig für ein großes Fernseh- und Radiopublikum schreiben. Wie schafft man diesen Spagat?

Burger: Sie haben völlig Recht, es wird leider immer als politisches Kabarett missverstanden. Man muss Textmischungen haben. Man braucht ein paar Insidergags, über die nur die politisch Informierten im Saal lachen können. Im Radio sehen die Leute nichts, hören aber alles. Und bei der Fernsehübertragung sehen die Leute die Politiker von vorne, was wiederum die Gäste im Saal nicht können. Man braucht Themen, die schon einigermaßen bekannt sind - aber eine neue Pointe!

BR.de: Die Kunst der gelungenen Nockherberg-Rede liegt in der Balance von Nähe und Distanz. Als Bayern-Korrespondent der „Welt“ hatten Sie stets Zugang zur politischen Klasse in Bayern, haben Sie dann aber auf dem Nockherberg derbleckt. Wie sind Sie damit umgegangen?

Burger: Das ist schwierig und das merkt man manchmal auch erst hinterher. Das Risiko ist, dass man manchen Leute zu nahe kommt. Fast jeder Politiker ist gerne bereit, einem sämtliche Streiche und Fehler von anderen Politikern zu erzählen – erwartet aber dann, dass er selber geschont wird. Da kommt man in die Situation, dass man dann gegen jemanden, den man schon zwanzig Jahre kennt, Beißhemmungen hat.

BR.de: Bei wem hatten Sie denn Beißhemmungen?

Burger: Beim Theo Weigel. Nach der Wiedervereinigung hatte er es als Finanzminister unendlich schwer. Alois Glück habe ich 40 Jahre gekannt. Das war ein braver Mann, der nichts Schlimmes angestellt hat. Aber er musste natürlich vorkommen. Bei Max Streibl war ich zu nah dran. Da konnte ich nicht mehr richtig bissig derblecken, nur noch unsanft streicheln.

BR.de: Nach dem Mord an Sedlmayr und einem Jahr Pause wegen des Golfkrieges 1991 wurde 1992 für Max Grießer die Rolle des Barnabas eingeführt. Haben sich die Reden dadurch verändert?

Burger: Ja, und das wurde mir manchmal übelgenommen. Der Mönch hat eine versöhnliche Rolle. Nach der Wahl musste man mit einer Mass Salvator den Übermut der Sieger dämpfen und man musste mit einer Mass Salvator die Verlierer wieder stärken. In der Mönchsrolle kann man nicht so aggressiv auftreten, wie es der Lerchenberg gemacht hat. Das ist schiefgegangen. Wir haben die Rolle eingeführt, um Max Grießer vom Sedlmayr abzuheben. Er ist ein völlig anderer Typ und hat auch nicht seine Autorität. Da habe ich gesagt: Nehmt doch die Figur aus der eigenen Brauerei-Tradition, den Bruder Barnabas. Das hat sehr gut eingeschlagen.

BR.de: Sie haben für vier Redner geschrieben: für Walter Sedlmayr, Max Grießer, Erich Hallhuber und Gerd Fischer. Jeder von ihnen ist ein ganz eigener Typus, mit eigener Intonation, Mimik und Gestik - und natürlich auch mit eigener politischer Weltanschauung. Wie schwierig ist es denn, den jeweiligen Duktus zu treffen?

Burger: Das ist sehr schwierig und das gelingt auch nicht immer gleich beim ersten Mal. Der Sedlmayr konnte mit dem Florett zustechen, mit einem zugespitzten kleinen Nebensatz. Meiner Meinung nach war er der beste von allen, aber er war unendlich schwierig. Er hat mich den Text oft dreimal umschreiben lassen. Max Grießer war sehr viel schwerfälliger. Der konnte leichter mit dem Schwert draufhauen und nicht mit dem Florett fuchteln. Dennoch war er der pflegeleichteste, der hatte in kürzester Zeit den Text auswendig gelernt. Aber es war schwierig, ihm Aktualisierungen reinzuschreiben, weil er den ersten Entwurf schon im Kopf gehabt hat. Der Hallhuber konnte mit feiner Ironie arbeiten, mit ihm kam ich ganz gut zurecht. Nur hat er nachträglich immer noch was geändert - ich stehe aber als Autor drin. Der wollte immer von links derblecken. Da habe ich gesagt, wen wollen Sie denn von links derblecken? Glauben Sie, eine Pointe über jemanden, den niemand kennt, ist lusitg? Am besten konnte ich mit Gerd Fischer. Er war im Grunde kein Schauspieler sondern Musikkabarettist und hat mit mir zusammen am Text gearbeitet.

BR.de: Herr Burger, herzlichen Dank für das Gespräch.


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