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200 Jahre Biergarten Not macht erfinderisch

Ein Sommer ohne Bier – heute unvorstellbar. Doch im 16. Jahrhundert durften die Brauer laut bayerischer Brauordnung nur zwischen dem 29. September (Michaeli) und dem 23. April (Georgi) Bier brauen. Da musste eine Lösung her.

Von: Gloria Stenzel

Stand: 20.12.2011 | Archiv

Salvator-Anstich auf dem Nockherberg in München (1935) | Bild: SZ Photo/ Foto: Scherl

Bier auf Vorrat, das war die Lösung. Doch wie bleibt es frisch und kühl? War die Erfindung des Kühlschranks doch noch in weiter Ferne. Kein Problem für die einfallsreichen Brauer. Sie gruben bis zu zwölf Meter tiefe Kellerhöhlen, in denen sie die Bierfässer lagerten. Auf die Fässer legten sie Eisplatten, die sie im Winter aus zugefrorenen Seen und Flüssen schlugen.

Die Geburtsstunde des Biergartens

Zum Schutz vor Sonneneinstrahlung pflanzten die Brauer über den Bierkellern Kastanien und Linden. Diese lauschige Atmosphäre verführte die Bürger dazu, das Bier nicht nur abzuholen, sondern dort auch gleich zu trinken. Am 4. Januar 1812 erteilte König Max I. den Brauern dann ganz offiziell die Ausschankerlaubnis. Sehr zum Ärger der bayerischen Wirte. Denn die bangten nun um ihr Geschäft. Jahre später gelang es Ludwig I., sie zu besänftigen. Er verbot den Brauern, neben dem Bier auch noch Speisen zu verkaufen. Kein Hinderungsgrund für die Bierkäufer: Wer sein kühles Helles mit einer Brotzeit genießen wollte, brachte sie von da an einfach selbst mit.

Biergartenkrieg im 20. Jahrhundert

Demonstranten der "bayerischen Biergarten-Revolution" protestierten 1995 ...

Doch bei aller "liberalitas bavariae" – die beschauliche Biergartenruhe sollte nicht von ewiger Dauer sein. Mitte der 1990er gingen 25.000 Münchner auf die Straße, weil Biergartenanwohner eine vorgezogene Sperrzeit auf 21.30 Uhr gerichtlich durchgesetzt hatten. Die Demonstranten bekamen prominente Unterstützung. Sogar der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber trat in den Widerstand. Doch die Anwohner gaben nicht auf. Bis zum Bundesgerichtshof stritten die Parteien um die Biergartensperrzeit.

Um 23.00 Uhr muss das Licht ausgehen ...

Im Jahr 1999 kühlte ein Kompromiss in Form der neuen Biergartenverordnung die erhitzten Gemüter schließlich ab. Für Wohngebiete gilt seitdem: Bis 22.00 Uhr darf die Musik spielen, die letzte Mass wird um 22.30 Uhr ausgeschenkt, und das Licht geht um 23.00 Uhr aus.

"Brotzeitrecht"

Aus der Bayerischen Biergartenverordnung

Kennzeichnend für den bayerischen Biergarten im Sinne der Verordnung sind vor allem zwei Merkmale: der Gartencharakter und die traditionelle Betriebsform, speziell die Möglichkeit, dort die mitgebrachte, eigene Brotzeit unentgeltlich verzehren zu können, was den Biergarten von sonstigen Außengaststätten unterscheidet.

Auch wenn die Besucher heute ihre Brotzeit im Biergarten kaufen können, hat sich an der Tradition des Selbermitbringens nichts geändert. Denn wer sich als Wirt mit einem Biergarten rühmen will, muss den Gästen erlauben, selbst Speisen mitzubringen – so will es die Bayerische Biergarten-Verordnung.


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