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Der Fackelläufer Feuer und Flamme für die Spiele

Ein Gänsehaut-Moment für Günter Zahn: Vor 85.000 Zuschauern entzündet der 18-jährige Mittelstreckenläufer bei den Olympischen Spielen 1972 in München das Feuer. Dieser Moment prägt sein Leben. Von nun an träumt er davon, einmal selbst als Athlet dabei sein zu können.

Von: Inga Kilian

Stand: 01.07.2011 | Archiv

Günter Zahn | Bild: ifp/Inga Kilian

Günter Zahn läuft. 300 Meter durch das Olympiastadion. Dann die Treppe. 200 Stufen, 200 gleichmäßige Schritte. In wenigen Minuten wird er das olympische Feuer entzünden und damit die Olympischen Spiele 1972 in München eröffnen. 85.000 Zuschauer schauen gebannt nach oben, als Zahn sich mit seiner Fackel der Feuerschale nähert. Eine Woche lang hat er für diesen Auftritt geprobt, zwei Mal am Tag, den Ablauf kennt er im Schlaf. Langsam schiebt der 18-Jährige die Fackel auf die Gasleitung in der Feuerschale zu. Tobender Applaus brandet auf, als das olympische Feuer aufflackert.

"Das war ein unheimlich beeindruckender Moment für mich", sagt Zahn 39 Jahre später. Gänsehaut habe er damals bekommen beim Blick in das voll besetzte Stadion. Heute ist Günter Zahn 57 Jahre alt. Das Feuer von damals, sagt er, hat sein Leben geprägt.

Sein schöner Laufstil gab den Ausschlag

Der junge Günter Zahn läuft für sein Leben gern. Und er läuft gut. Als er im Sommer 1972 Jugendmeister über 1.500 Meter wird, läuft er nicht nur schnell, sondern auch schön. So schön, dass es den anwesenden Mitarbeitern des Olympischen Komitees ins Auge sticht. Sie sind auf der Suche nach einem Fackelläufer. Zahn - jung und voller Lebensfreude - verkörpert das Motto der heiteren Spiele besser als jeder andere. Er soll die Spiele eröffnen – das Feuer entfachen. "Ich war natürlich überrumpelt von der Idee", erinnert sich Zahn. "Im ersten Moment wollte ich absagen – ich war gerade Deutscher Meister geworden und hatte mit einigen Kollegen meine Siegesfeier geplant. Aber so eine Chance bekommt man nur ein Mal", sagt er. Schon am nächsten Tag steht er vor dem Präsidenten des Olympischen Komitees, Willi Daume. Und auch der ist begeistert von dem jungen Läufer.

Günter Zahn 1972 bei Olympia | Bild: picture-alliance/dpa

Fackelläufer Günter Zahn

Für Zahn beginnt die aufregendste Zeit seines Lebens. Völlig unerwartet wird er zusammen mit anderen Sportlern in einer Wohnung im olympischen Dorf einquartiert. "Ich war unglaublich neugierig", sagt er. "Ich bin überall rumgeschlichen und war immer dort, wo was los war." Das Größte für ihn: Beim Training der Athleten heftet er sich an die Fersen der berühmten Sportler, trainiert mit seinen Idolen, saugt Gespräche, Erlebnisse, die Stimmung im Dorf in sich auf.

"Das hat mir schon weh getan"

Zahn packt das Olympiafieber. Selbst ein talentierter Sportler, träumt er von nun an davon, als Athlet an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Der Erfolg gibt ihm Recht. In den folgenden Jahren wird er mehrmals Deutscher Meister, schafft 1984 sogar die Olympianorm im Marathonlauf. Als Dritter bei den Deutschen Meisterschaften ist er eigentlich für die Olympischen Spiele in Los Angeles qualifiziert. Doch sein Verband entscheidet, in diesem Jahr nur zwei Athleten zu den Wettkämpfen zu schicken. "Das hat mir schon weh getan, dass ich nie als Teilnehmer zu den Olympischen Spielen gekommen bin", sagt er. Die Frage, ob er damals nicht entschiedener für seine Teilnahme hätte kämpfen, seinen Verband hätte überzeugen müssen, lässt ihn nicht los. "Das wäre das Beste gewesen, einmal das olympische Feuer zu entzünden und einmal als Läufer dabei zu sein".

Günter Zahn läuft noch immer. Und gibt – als Trainer der Leichtathletikgemeinschaft Passau – anderen Läufern Ratschläge. Einige von ihnen sind erfolgreich, nehmen an internationalen Wettkämpfen teil. Vielleicht schafft einer es irgendwann zu den Olympischen Spielen, verwirklicht so auf Umwegen Zahns großen Traum. Ihm selbst wird es nicht mehr gelingen, seine Athletenkarriere ist beendet. Der Ruf des Fackelläufers begleitet ihn allerdings noch immer. "Den werde ich nicht mehr los", sagt Zahn. Er lacht. "Ein Freund meinte mal, dass später wohl auch auf meinem Grabstein stehen wird: ‚Hier ruht der Fackelträger'". Sicherheitshalber hält er sich deshalb fit für 2018. Man weiß ja nie.

Kuriositäten beim Fackellauf

All

Um die Wunder der Technik hervorzuheben, übertrugen die Kanadier für die Spiele in Montreal 1976 das Feuer via Satellit von Athen nach Ottawa. Nicht minder eindrücklich war die Reise der Fackel - nicht aber des Feuers - in den Weltraum, getragen von Astronauten für die Spiele in Atlanta (1996) und Sydney (2000).

Wasser

1986 brachten Schwimmer im Meer von Veracruz das Feuer für die Olympischen Sommerspiele in Mexiko-Stadt vom Schiff bis ans Ufer. Zu den Winterspielen in Grenoble im gleichen Jahr schwamm ein Taucher durch den Hafen von Marseille und hielt die Fackel über Wasser. Im Jahr 2000 transportierte ein Taucher das Feuer unter Wasser über das Great Barrier Reef für die Spiele in Sydney.

Luft

Erstmals in der Geschichte der Olympischen Spiele fand die Fackelübergabe für Lillehammer (1994) zwischen zwei Fallschirmspringern statt. Auch die Ankunft im Stadion war spektakulär: Ein Skispringer trug sie während seines Sprungs. Nach Albertville (1992) reiste das Feuer eine Etappe mit Überschallgeschwindigkeit in einer Concorde von Athen nach Paris.

Wilder Westen

Einige Transportmittel für Atlanta 1996 erinnern an große Momente der amerikanischen Geschichte. So reiste die Fackel in einem indianischen Kanu, auf einem Mississippi-Dampfer und in einem Wagen der Union Pacific, der ersten transkontinentalen Eisenbahnlinie.

Schnee

Zu den Winterspielen in Oslo 1952 wurde das Feuer auf der gesamten Strecke von norwegischen Skilegenden oder ihren Nachkommen getragen. Für die Spiele 1988 in Calgary überquerte das olympische Feuer den Polarkreis und wurde teilweise von Skibob und Motorschlitten gezogen.


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