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Nachgefragt Das Referat

Ein Vortrag kann eine Rede oder ein Referat sein. Je nach Anlass gibt es klare Unterschiede. Daran richten sich auch der Aufbau und die Argumentationslinie des Vortrags.

Stand: 01.04.2012 | Archiv

Merkel und Sarkozy halten eine Rede beim deutsch-französischen Gipfeltreffen | Bild: picture-alliance/dpa

Eine Rede will entweder eine

  • Meinungsänderung: veränderte Beurteilung von Recht und Unrecht (klassisch: Gerichtsrede) oder eine
  • Gesinnungsänderung: veränderte Einschätzung/Ehrung oder Tadel einer Person oder Tat (klassisch: Prunk- bzw. Festrede) oder eine
  • Tat bzw. eine Unterlassung einer bestimmten Tat herbeiführen (klassisch: beratende politische Rede).

Die Rede will ihre Zuhörer zu etwas bewegen, sie zu etwas bringen: Element und Ziel der Rede ist die menschliche Praxis.

Das Referat will dagegen den Zuhörern oder Lesern

  • etwas berichten,
  • sie belehren,
  • ihnen Wissen über ein bestimmtes Sach- oder Fachgebiet vermitteln.

Das Referat will Wissen vermitteln: Element und Ziel des Referats ist die Theorie: das Betrachten und Darlegen eines Seienden.

Zweifellos ist es auch für den Redner, seine Sicherheit im Auftreten und seine Glaubwürdigkeit, wichtig, sich möglichst gut und lange und unter Umständen auch wissenschaftlich auf sein Thema vorzubereiten Aber alle wissenschaftlichen Ergebnisse und Einsichten dienen dem Redner nur als Instrument, um sein Ziel zu erreichen, die Leute zu etwas zu bewegen, nicht sie zu belehren.

Beispiel für die Unterscheidung
Um sich den Unterschied zwischen Redner und Referenten klarzumachen, muss man nur eine Gerichtsverhandlung aufsuchen: Da treffen in der Regel neben Richter, Zeugen und Angeklagten auch referierende Gutachter (Gerichtsmediziner, Sachverständige aller Couleur), Staatsanwalt und Verteidiger zusammen. Alle tragen etwas vor, aber Vortrag ist nur der Sammelbegriff für viele mündliche Stellungnahmen, die in Anspruch und Absicht sehr verschieden sind.

Anspruch und Absicht der referierenden Sachverständigen ist es, unparteiisch über den Sachverhalt zu berichten, gestützt auf überprüfbare Fakten (Fotos der beschädigten Sache, Blutproben des Angeklagten) und allgemeine wissenschaftliche Erkenntnisse Sachverhalte zu klären: Etwa, wie groß der Schaden ist, oder, ob der Angeklagte fahrtüchtig oder nicht war, schuldfähig oder nicht ist.

Instanz des Referierenden ist die empirische, wissenschaftliche, nachprüfbare Wahrheit.

Der Staatsanwalt und der Verteidiger dagegen halten vor der Urteilsfindung jeweils Reden, Plädoyers. Darin versuchen sie mit allerlei Argumenten und Indizien die Schuld und Unschuld des Angeklagten zu erweisen, wobei alle (möglicherweise auch wissenschaftlichen) Argumente und Indizien nur soweit relevant sind, als sie dem jeweils parteiischen Ziel der Rede dienen.

Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten, die sich aus dem unterschiedlichen Element, Anspruch und Zielsetzung von Rede und Referat ergeben, verdeutlicht abschließend folgende Tabelle.

Art und Anforderungen des Referats im Vergleich zur Rede:
 Referat Rede
Element/ Geltungsbereich Theorie Praxis
Anlass prinzipiell immer, wenn jemand etwas Bestimmtes wissen will nur bei bestimmten Gelegenheiten, wo Leute etwas entscheiden, beraten oder feiern müssen/wollen
ZielHörer/Leser informieren/unterrichten/belehren Hörer zu etwas bringen, von etwas überzeugen, zur Zustimmung zu etwas bewegen
Art des Vortragsmöglichst frei, nur mit Stichpunkten, sachlich orientierte kompetente Offenlegung eines Sachverhalts möglichst frei, nur mit Stichpunkten, parteiische Offenlegung einer Lage/Situation und der gebotenen Handlung, Beurteilung,

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