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Vertiefende Informationen Wichtige Fakten zu "Die geheimen Muster der Selbstinszenierung auf Instagram"

Warum ist die perfekte Post auf Instagram so wichtig? Oder der richtige Blick? Und was ist gefährlich daran? Ein kompakter Überblick mit den wichtigsten Fakten gibt Antwort.

Stand: 09.11.2021

Schaffi als Therapeut mit einem Smartphone mit Instagram und vielen Bildern | Bild: Montage: BR

Die Unterrichtseinheit „Die geheimen Muster der Selbstinszenierung auf Instagram“ basiert auf Studien-Erkenntnissen des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI). 

  • „Die Selbstinszenierung von Influencerinnen auf Instagram und ihre Bedeutung für Mädchen“
  • „Man braucht ein perfektes Bild“- Die Selbstinszenierung von Mädchen auf Instagram
  • „Das'zufällig' überkreuzte Bein – Selbstinszenierungsmuster von Influencerinnen auf Instagram“ (alle IZI)
  • „Muskeln, Mode, Maskulinität – Selbstinszenierungsmuster von Influencern auf Instagram“

Ziel der Unterrichtseinheit ist es, dass die Schüler*innen die Systematiken in den Bildern von Influencer*innen erkennen, welche Werte dadurch vermittelt werden, und am Ende die Chance für sich selber erkennen können: Wie kann ich mich auf Instagram und in den Sozialen Medien individuell und zum eigenen Charakter passend darstellen?

Autorin: Dr. Maya Götz, Leiterin des IZI und des PRIX JEUNESSE INTERNATIONAL, München.

Sie lächeln mit perfektem Gesicht in die Kamera und posen an schönen Orten. Ihre Körper sind superschlank, ihre Kleidung von angesagten Marken. Es ist eine perfekte Welt mit Mode, Reisen und trendigem Lifestyle, die Influencerinnen in ihren Bildern vor allem auf Instagram inszenieren.

Schon 2016 verkündete Instagram: Jede Minute werden im Durchschnitt mehr als 95 Millionen Fotos und Videos hochgeladen. Damit ist Instagram eine ausgesprochen attraktive Plattform für Online-Marketing und Influencer*innen, die durch die Fokussierung auf Bilder und Videos eine sehr direkte visuelle Form der Selbstpräsentation mit einem hohen Marktwert ermöglicht.

Auch bei Jugendlichen in Deutschland ist Instagram neben TikTok, Snapchat, YouTube und Whats-App das beliebteste Internetangebot. Gerade bei den 14- bis 15-Jährigen ist die Instagram-Nutzung besonders hoch: 73 Prozent der Jugendlichen nutzen es täglich oder mehrmals pro Woche (Feierabend et al., 2018). Mindestens 85 Prozent der 12- bis 19-Jährigen, die Instagram nutzen, posten selbst Fotos und Videos.

Was Influencerinnen von sich posten

Influencer*innen sind die neuen Vorbilder heutiger Preteens und Jugendlicher. Ihre Attraktivität liegt vor allem im von ihnen selbst vermittelten Bild, authentisch, integer, Expert*innen auf ihrem Gebiet zu sein und ähnlichen Werten wie die Zielgruppe zu folgen. Selbst-Branding gehört zu ihrem kulturellen Kapital und ist die Grundlage für ihren kommerziellen Erfolg. Um sich als Marke für die Follower*innen attraktiv zu positionieren, ist es für Influencerinnen notwendig, regelmäßig Bilder von sich zu posten. Jedes Bild ist dabei als Einzelnes und der Account als Ganzes Teil des Selbst-Brandings. 300 Bilder der followerstärksten Influencerinnen in Deutschland wurden in der Studie analysiert.

Analyse von Posen, Gesten und Blickverhalten

Analysiert wurden Fotos, auf denen die Influencerinnen allein zu sehen sind und auf denen sie offensichtlich für eine professionelle Kameraaufnahme inszeniert wurden. Es zeigten sich wiederkehrende Muster. Hierbei wurde deutlich: Es werden ausschließlich Bilder von schön inszenierten und/oder gut gelaunten Frauen gezeigt. Influencerinnen sind stets sehr dünn, mit langem Haar und gepflegtem und geschminktem Gesicht.

Auf den Fotos inszenieren sich die Influencerinnen in immer wieder ähnlichen Körperhaltungen. Sie stehen meist asymmetrisch in einer Haltung, die ihre Körperformen optimiert. Typische Ausprägungen sind Posen wie zum Beispiel: das zur Seite ausgestellte Bein, oder der in S-Form gebogene Körper. Typische Gesten sind die Hand "wie beiläufig" im Haar oder die Hand im Gesicht. Auch beim Blickverhalten lassen sich wiederkehrende Muster identifizieren.

Drei dominante Typen der Selbstinszenierung

Insgesamt, so zeigt die Medienanalyse, können drei dominante Typen der Selbstinszenierung der Influencerinnen in Bildern zusammengefasst werden: die erotisch Attraktive, die sympathisch Naive und die schöne, beiläufig Fotografierte. Alle drei Typen sind Formen tradierter Weiblichkeitsinszenierungen. Menschen, die sich in vielerlei Hinsicht in ihrer Individualität deutlich unterscheiden, inszenieren sich auf erstaunlich ähnliche Weise in gleichen Gesten, an ähnlichen Orten und mit einem ähnlichen Portfolio.

Die Bedeutung für Jugendliche

Instagram ist eine der größten Plattformen der visuellen Selbstdarstellung von Jugendlichen, und insbesondere Mädchen und junge Frauen veröffentlichen hier massenhaft Bilder von sich und stellen anderen ihr Leben und ihre Identität vor. Hier eröffnen sich neue Chancen für junge Frauen, um sich zu visualisieren, in ihrer ganz eigenen Identität zu zeigen und sich eine Stimme zu geben. Doch schon ein oberflächlicher Blick zeigt, dass eine erstaunlich hohe Ähnlichkeit der Bilder dominiert. Der Frage, wie dies zustande kommt, wurde in qualitativen Fallstudien und einer repräsentativen Befragung nachgegangen. Wie Mädchen ihre Posts auf Instagram gestalten, was ihnen dabei wichtig ist und was sie vermeiden, wurde anhand von sieben Einzelfallstudien von Mädchen (14 bis 16 Jahre) untersucht.

Dabei zeigte sich: Die Mädchen sind meist schon länger als ein Jahr auf Instagram und posten regelmäßig Fotos. Dabei stehen sie selbst im Mittelpunkt ihrer Inszenierung. Die Bilder, die sie posten, sind nicht zufällig, sondern meist gezielt inszeniert. In der Inszenierung sind ihnen ihr Gesichtsausdruck, die Haare und die Körperhaltung besonders wichtig, all dies soll „perfekt“ und „natürlich“ aussehen. Niemals würden sie ein Bild hochladen, das „nicht perfekt“ ist, auf dem sie zum Beispiel nicht schlank aussehen, wirres Haar haben oder das Make-up fehlt. Um diese Bilder zu erstellen, nehmen die Mädchen einen deutlichen Aufwand in Kauf und brauchen oft bis zu 20 Anläufe, bis ihnen das perfekte „natürliche“ und „spontane“ Bild gelingt. Wie ein perfektes Bild aussieht, schauen sie sich bei Influencerinnen ab, kopieren deren Körperhaltung und Tricks und nutzen Filter, um unerwünschte Menschen auf den Bildern zu entfernen und gefühlte Unzulänglichkeiten bei sich auszugleichen. Die repräsentative Befragung bestätigte die Ergebnisse.

Vergleich der Selbstinszenierung von erfolgreichen Instagrammerinnen und Mädchen

Im nächsten Schritt wurden die 300 Bilder von erfolgreichen Influencerinnen mit den Bildern der Mädchen aus den Fallstudien verglichen. Dabei fielen deutliche Übereinstimmungen auf. Beide inszenieren sich als sehr schlank (z. T. mit Filtern bearbeitet), stets mit gezielt gesetzten Posen und Gesichtsausdrücken, mit Make-up und ohne jede Hautunreinheit. Sowohl Influencerinnen als auch „normale“ Mädchen zeigen in ihrer Selbstinszenierung typische Posen (S-Form, zufällig überkreuztes Bein, Hand im Haar etc.). Soweit es möglich ist, reisen die Mädchen zu den gleichen Orten wie die Influencerinnen und kopieren deren Inszenierungen bis ins Detail. Neben dem Druck, sich ständig selbst inszenieren und nachbearbeiten zu müssen, bedeutet dies für die Mädchen, dass die meisten Facetten des Selbst und die meisten Alltagserlebnisse keinen Platz in der Selbstpräsentation bekommen. Die eigene Identität ist nur in einem sehr schmalen Rahmen vorzeigbar, der von Influencerinnen und damit u. a. der Mode- und Schönheitsindustrie geprägt wird, ohne dass die Mädchen diesen Zusammenhang erkennen könnten.

Fazit

Die Studie zeigt, dass Mädchen, die sich auf Instagram selbst darstellen, dies mit einem sehr kritischen Blick auf ihre natürliche Erscheinung tun. Influencerinnen haben für Mädchen eine nachweisbare und bedeutende Vorbildfunktion in der Selbstinszenierung. Sie erkennen sie unhinterfragt als Ideal an und versuchen, ihnen in Aussehen, Gestik, Mimik, Orten etc. zu folgen. Hierbei werden die immer wieder gleichen Posen maskeradenhaft repetiert. Da im Normalfall die eigene Erscheinung der Mädchen für die Erreichung des Standards nicht reicht, helfen sie mit Inszenierungstricks und Filtern nach, um den Körper „spontan natürlich“ erscheinen zu lassen. Es kommt zu einer Verzerrung des Verständnisses von „natürlich“ und „spontan“ und die Maskerade wird zum unhinterfragten Standard und lässt keine Abweichung zu. Das nachbearbeitete Bild erscheint natürlicher als die wirkliche Erscheinung. Es entsteht eine Spirale, in der die Selbstinszenierung der Mädchen – aber auch der Profis – immer eingeschränkter und gleicher wird.

Autor*innen: Daniel Brenner, 1. und 2. Staatsexamen für gymnasiales Lehramt und Bachelor of Education, ist Promotionsstudent an der Universität Augsburg und Mitarbeiter beim Prix Jeunesse, München.

Rebekka Seelmann, B.Sc. Psychologie, ist Mitarbeiterin des Bayerischen Rundfunks in der Initiative „so geht MEDIEN“.

Maya Götz, Dr. phil., ist Leiterin des IZI und des PRIX JEUNESSE INTERNATIONAL, München.

Was posten erfolgreiche Influencer auf Instagram? Untersuchungsgegenstand sind die Instagram-Feeds der zehn followerstärksten deutschen Influencer. Von jedem Feed wurden ab dem Stichtag 10.03.2021 die 30 aktuellsten Beiträge auf wiederkehrende Muster hin analysiert. Zunächst wurden grundlegende Tendenzen bezüglich Bildausschnitt, erotischer Aufladung etc. untersucht und die 300 Bilder nach Ähnlichkeiten in Körperhaltung, Gestik, Mimik, Blickverhalten und Kontext genauer betrachtet.

Die Typen der Selbstinszenierung von Influencern

Aus den in der Detailanalyse herausgearbeiteten wiederkehrenden Merkmalen hinsichtlich Körperhaltung, Gestik, Mimik, Blickrichtung und Kontext ergeben sich in der Kombination typische Ausprägungen der Selbstinszenierung, in die sich die veröffentlichten Beiträge einordnen lassen.

1. Der bewusste Poser

Mit einem direkten Blick in die Kamera, breiten Beinen und raumeinnehmender Körperhaltung posieren die Influencer vor ihren Luxuswagen, Jets, Häusern, Urlaubszielen oder neben Prominenten. Ein typisches Muster der Körperhaltung hierbei ist die „Russen-Hocke“. Weitere Haltungen sind breitbeinig hockend, Arme lässig über die Beine gelegt oder am Auto lehnend. Die Influencer haben einen ernsten Gesichtsausdruck oder deuten mit leicht hochgezogenen Mundwinkeln ein Schmunzeln an. Typisch ist eine ausdrucksstarke Gestik wie eine offene einladende Armhaltung, das Zeigen des Mittelfingers, des Shaka- oder Peace-Zeichens oder mit erhobenem Daumen. Die Kleidung ist von Lässigkeit geprägt. Jogginganzüge und Caps werden mit teurem Schmuck kombiniert. Ergänzend werden diese Luxusgegenstände mit Privatjets, Autos, Zigarren, Motorrädern, Designer-Taschen, iPhones, Luxus-/Markenkleidung und Pools in Luxushäusern präsentiert.

2. Der beiläufig Coole

Der beiläufig Coole wird in einer Aufnahme während einer scheinbar spontanen Beschäftigung charakterisiert. Die Influencer sind hier immer in Bewegung und in jeder beliebigen Situation cool. Der Blick zur Seite und in die Ferne prägt diesen Typus. Es wirkt, als wäre der Influencer in Gedanken vertieft. Die Mimik ist durch Ernsthaftigkeit gekennzeichnet, um ein markantes Gesicht zu zeigen. Die Influencer zeigen sich mit einer standhaften und offenen Körperhaltung und die Beine scheinen immer in Bewegung zu sein, was eine gewisse Dynamik erzeugt. Die Körperhaltung ist raumeinnehmend und locker.

3. Der liebevoll Sympathische

Bei diesem Typus liegt der Fokus auf zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Bilder erwecken den Eindruck, spontan und authentisch zu sein und direkt aus dem Leben der Influencer zu stammen. Überwiegend werden Körperberührungen und Umarmungen gezeigt. Dabei hält der Influencer eine ihm nahestehende Person im Arm oder umarmt sie. Die Influencer zeigen hier ein Bild des fürsorglichen, liebevollen Mannes. Sie sind nahbar, stellen Gefühle dar und zeigen ihre freundliche Seite und zwischenmenschliche Bindungsfähigkeit. Die Körperhaltung ist beschützend und von intimen Umarmungen geprägt.

4. Der muskulöse Macho

Dieser Typ ist durch die Präsentation von Muskeln und des nackten Oberkörpers charakterisiert. In diesen Bildern positioniert sich der Influencer mit angespannten Armen zur Kamera, der Fokus auf den Bizeps unterstreicht die offene und auffordernde Körperhaltung, die raumeinnehmend wirken soll. Der Influencer wird bewusst in frontaler Oberkörperansicht abgebildet, die an Bodybuilderposen angelehnt ist. Der muskulöse Influencer inszeniert sich hier als präsent und maskulin. Die Mimik ist meist angestrengt und ernst, was den Eindruck des emotionslosen, harten Mannes verstärkt.

5. Der attraktive Schöne

In diesen Beiträgen sind die Influencer das Hauptmotiv und stehen selbstbewusst im Mittelpunkt mit entweder nach unten gewandtem oder mit direktem Blick in die Kamera. Wiederkehrende Merkmale sind ein lasziver Gesichtsausdruck, gekennzeichnet durch einen leicht geöffneten Mund, gespitzte Lippen, ein angehobenes Kinn und Hände im Gesicht oder Haar. Auch werden die Hände spielerisch für einen dynamischen Bildaufbau eingesetzt. Auf den Bildern sind die Influencer zur Situation passend gekleidet und unterstreichen so ihre Schönheit.

Fazit

Die Formen der Selbstinszenierung erfolgreicher Influencer sind trotz ihrer sehr unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkte und Individualitäten ähnlich. Sie präsentieren sich in ähnlichen Mustern: „bewusster Poser“, „beiläufig Cooler“, „muskulöser Macho“, „attraktiver Schöner“ oder „liebevoll Sympathischer“. Dabei sind ihre Selbstinszenierungen cool, lässig und stark und ihre Körperhaltungen durchweg raumeinnehmend und dominant. Ihre Maskulinität stellen sie in ihren Beiträgen unter anderem mithilfe des Bildkontexts dar. Das bedeutet, dass Sportwagen, Luxushäuser, Schmuck, Prominente oder Frauen in den Bildern als zusätzliches Mittel eingesetzt werden, um ihren Status, Geltungs- und Einflussbereich zu unterstreichen. Dass Influencer eine sympathische und zugängliche Seite haben, zeigen sie nur in Inszenierungen im familiären Umfeld bzw. Freundeskreis.

Im Vergleich zur Selbstinszenierung der erfolgreichsten Influencerinnen (Götz & Becker, 2019) sind viele Details der Selbstinszenierung typischerweise meist diametral zueinander ausgerichtet: Der Influencer geht und steht raumeinnehmend vor der Kamera, wohingegen sich die Influencerin durch das zufällig überkreuzte Bein möglichst schlank und wenig raumeinnehmend inszeniert. Die Gesten der Influencer signalisieren eine gefestigte Einstellung, Überzeugung und so manches Mal auch Macht. Die Gesten der Influencerinnen symbolisieren ein anflirtendes und eher unsicheres Positionieren hin zur Kamera. Der Influencer schaut (meist) ernst und seiner Sache gewiss, die Influencerin lächelt (meist) die Betrachtenden an. Ist der Influencer betont nicht inszeniert fotografiert, ist er dennoch wie beiläufig in Bewegung. Die Influencerin wirft, indem sie lächelt, dem Betrachtenden "wie zufällig" einen Blick über die Schulter zu.

Die „männlichen“ Zeichen des selbstsicheren, aufrechten Sich-Ausbreitens stehen im Gegensatz zu den „weiblichen“ Zeichen der Körpersprache des schüchternen, sich beugenden Zurückweichens – das „männliche Streben nach Dominanz“ gegen die „weibliche Unterwerfung“. Posen von Dominanz durch Expansion und breiter Vereinnahmung von Raum, sowie durch das Herabschauen von einem erhöhten Standpunkt verbunden mit ernsthafter Mimik beanspruchen die Position „des umarmenden, einhüllenden, umschlingenden, wachenden, alles überblickenden Beschützers“. Die weibliche Position ist hingegen zarter, feiner, elastischer modelliert, mit unterordnenden Gesten und von einem niedrigeren Standpunkt aus mit beschwichtigend hochblickender Mimik. Die typischen Selbstinszenierungsvarianten der erfolgreichsten Influencer*innen verfestigen somit traditionelle, (überholte) Geschlechterrollen.

Studien des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) zum Thema:


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