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Überdosis Koffein Energydrinks: Risiko für Kinder und Jugendliche

Der Verkauf von Energydrinks wächst so schnell wie kein anderes Segment im weltweiten Getränkemarkt. Die Hersteller werben mit leistungssteigernden Effekten. Davon fühlen sich vor allem Kinder und Jugendliche angesprochen. Doch gerade für sie stellt der hohe Koffeingehalt ein Risiko dar.

Von: Anna-Louise Bath

Stand: 26.11.2019

Eine Jugendliche trinkt einen Energydrink. | Bild: picture-alliance/dpa

Einer Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von 2013 zufolge trinken fast 70 Prozent der europäischen Zehn- bis 18-Jährigen regelmäßig Energydrinks. Aber auch Kinder mögen die süßen "Koffeinbomben": Unter den befragten Drei- bis Zehnjährigen gaben 18 Prozent an, bis zu vier Liter Energydrinks pro Monat zu trinken. Ihnen gefällt der gummibärchenartige Geschmack der Drinks, der das bittere Koffein vollständig überdeckt.

Koffein: Empfohlene Maximaldosis häufig überschritten

Eine herkömmliche 250-Milliliter-Dose eines Energydrinks enthält im Schnitt 80 Milligramm Koffein – etwa so viel wie eine Tasse starker Kaffee. Viele Hersteller jedoch bieten Energydrinks in 500-Milliliter-Dosen oder weiteren Abfüllgrößen bis hin zu Drei-Liter-Flaschen an.

Gemäß der EFSA gilt jedoch nur eine Tagesdosis von maximal drei Milligramm Koffein pro Kilo Körpergewicht für Kinder und Jugendliche als unbedenklich. Anja Schwengel-Exner von der Verbraucherzentrale Bayern zeigt anhand einer üblichen Verkaufsgröße auf, wie schnell diese von Kindern und Jugendlichen überschritten werden kann.

"Wenn sie eine 500-Milliliter-Dose von diesem Energydrink trinken, dann haben sie 160 Milligramm Koffein zu sich genommen. Und bei einem 30 Kilo schweren Kind wären 90 Milligramm die maximale Tagesdosis."

Anja Schwengel-Exner, Verbraucherzentrale Bayern

Gesundheitsrisiko für Kinder und Jugendliche

Oft aber bleibt es nicht bei einer Dose. Umfragen zufolge trinken zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland einen Liter und mehr zu bestimmten Gelegenheiten. Das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung, das im Mai 2019 eine Stellungnahme zum Thema Energydrinks für Kinder und Jugendliche veröffentlicht hat, führt in erster Linie den häufigen Überkonsum als gesundheitlichen Risikofaktor an.

Überkonsum führt möglicherweise zum Tod

Koffein regt die Nebenniere zur Ausschüttung der Stresshormone Kortisol und Adrenalin an. Dadurch steigt der Blutdruck, das Herz schlägt schneller. Man fühlt sich vorübergehend wacher, ist möglicherweise konzentrierter. Bestimmte Theorien vermuten sogar eine antioxidative Wirkung sowie eine leistungssteigernde Anregung der Muskulatur.

Die poppige Aufmachung der Energydrinks soll gezielt Jugendliche ansprechen.

Bei zu viel Koffein jedoch können sich kurzfristig bekanntermaßen Nervosität, Angstzustände, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Herzrhythmusstörungen und Herz-Kreislaufprobleme einstellen. Langzeitfolgen sind nicht ausreichend belegt, diskutiert werden jedoch unter anderem Inkontinenz und die Möglichkeit einer dauerhaft erschöpften Nebenniere.

Todesfälle in Verbindung mit Energydrinks

Eine extreme Überdosierung kann zum Tod führen. Das Herz beginnt zu rasen, kann aus dem Takt geraten und im schlimmsten Fall stehenbleiben. Körperliche Aktivität wie Sport oder Tanzen erhöht die Gefahr, dass es völlig überfordert ist.

In den vergangenen Jahren häufen sich Berichte über Todesfälle, bei denen ein Zusammenhang mit Energydrinks vermutet wird: In Deutschland starb 2013 ein 23-Jähriger an plötzlichem Herzstillstand, in den USA 2017 ein 19-Jähriger an Herzrhythmusstörungen. Beide hatten kurz zuvor größere Mengen Energydrinks zu sich genommen. In den USA starb im gleichen Jahr ein 16-Jähriger nach raschem Konsum verschiedener koffeinhaltiger Getränke, darunter ein Energydrink.

Unerkannte Vorerkrankungen erhöhen das Risiko

Im Jahr 2011 starb eine 14-jährige US-Amerikanerin nach nur zwei Dosen Energydrinks. Das Mädchen hatte an einer Vorerkrankung gelitten, die die Blutgefäße schwächt.

Hatte Glück: Yasin Cobanoglu, 18, in der Praxis von Dr. Martin Hulpke-Wette

Gerade bei einer Vorschädigung des Herzens kann exzessiver Koffeinkonsum gravierende Folgen haben. Der Schüler Yasin Cobanoglu kam nach einer Routineuntersuchung beim Hausarzt, der einen erhöhten Blutdruck feststellte, in die Göttinger Praxis des Kinderkardiologen Dr. med. Martin Hulpke-Wette. Dieser diagnostizierte eine Bluthochdruckerkrankung und nahm eine Herz-Ultraschall-Untersuchung vor. Diese ergab, dass Yasins Herzkammerscheidewand doppelt so dick war wie normal. Befragt zu seinem Koffeinkonsum stellte sich heraus, dass der damals 17-Jährige täglich Energydrinks konsumierte.

Darin sah Dr. Hulpke-Wette einen eindeutigen Zusammenhang mit dem Krankheitsbild. Nachdem Yasin komplett auf Energydrinks verzichtete, bildete sich die Herzwandverdickung innerhalb weniger Monate vollständig zurück. Wenn Yasin jedoch damals nicht seine Praxis besucht hätte, wäre seine bis dato unentdeckte Bluthochdruckerkrankung infolge des hohen Koffeinkonsums weiter angefeuert worden und hätte zu einer fortschreitenden Verdickung der Herzmuskelwand geführt, sagt Dr. Hulpke-Wette. Es sei nicht auszuschließen, dass das zunehmend geschwächte Herz eines Tages infolge einer Beanspruchung etwa beim Schulsport plötzlich versagt hätte.

Energydrinks und Alkohol

Besonders beliebt ist auch der Verzehr von Energydrinks in Form von Mischgetränken mit Alkohol. Ähnlich wie beim Koffein überdeckt der süßlich-intensive Geschmack auch weitgehend den Geschmack von Alkohol, der zumindest von Kindern noch häufig als unangenehm empfunden wird.

"Das ist etwas, was man aus einer kardiologischen Sicht als ebenfalls sehr gefährlich ansieht. Weil der hochprozentige Alkohol bei Konsumenten, die das nicht gewohnt sind, zu einer Erweiterung der Gefäße führt."

Dr. med. Martin Hulpke-Wette, Kinderkardiologe

Damit sinke der Blutdruck. Gleichzeitig lasse das durch Koffein ausgeschüttete Adrenalin das Herz schneller schlagen – welches nun vergeblich versuche, den gesunkenen Blutdruck wieder steigen zu lassen. Das könne dann möglicherweise zu einem tödlichen Kollaps auf der Tanzfläche führen.

Werbung spricht Bedürfnisse von Jugendlichen an

Die Aufmachung der Energydrink-Produkte ist auffällig szenig, poppig, jugendlich. Unter den Produktversprechen: sportliche Leistung, Erfolg beim Zocken, erhöhte Konzentration oder "Vollgas geben" wie die Rennsportprofis, die als Werbepartner auftreten. Spezielle Gewinnspiele adressieren ausdrücklich die Gaming-Szene.

"Es gibt eine Studie, die besagt, dass bei einem niedrigen Werbekontakt etwa jedes dritte Schulkind im Verlauf von zwei Jahren mit dem Konsum von Energydrinks beginnt. Wenn ein hoher Kontakt mit Werbung von Energydrinks stattfindet, steigt diese Wahrscheinlichkeit. Und dann trinkt jedes zweite dieser Kinder nach Ablauf von zwei Jahren Energydrinks."

Anja Schwengel-Exner, Verbraucherzentrale Bayern


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