Respekt - Respekt

Digitalisierung

RESPEKT Digitalisierung

Stand: 15.06.2020

  • Manche Politiker*innen nutzen Digitalisierung sehr effizient, um ihre (potenziellen) Wähler*innen zu erreichen.
  • Das Problem bei sozialen Medien und Netzwerken: Die Nutzer*innen befinden sich oft in einer Realitätsblase, in der es keine Meinungsvielfalt gibt.
  • Außerdem ist es bei Verleumdungen und Verbreitung von anderen Unwahrheiten schwer, Richtigstellungen unters Volk zu bringen.
  • Digitalisierung bietet auch viele Vorteile: Wer sich für die Demokratie einsetzt, erreicht auch schneller und direkter Mitstreiter*innen - im eigenen Land, aber auch weltweit.

Wahlkampf in Zeiten von WhatsApp und Bots

Wahlkampf früher: auf den Straßen, in den Fußgängerzonen. Flyer wurden verteilt oder Kugelschreiber verschenkt. Wahlkampf heute: immer öfter digital in den sozialen Netzwerken: Facebook, Twitter, Instagram, Youtube. Hier erreichen politische Botschaften spezielle Zielgruppen. Bei der letzten Bundestagswahl wurde für den Online-Wahlkampf so viel Geld ausgegeben wie noch nie. Jede Partei hat inzwischen Digitalexpert*innen.

So geht digitaler Wahlkampf

  • Zielgruppen werden genau ausgewählt und passend angesprochen.
  • Zum Beispiel, indem die Digitalexpert*innen Kommentare, Likes und Re-Tweets auswerten.
  • Die Reaktionen der User*innen beeinflussen Inhalte und Form der weiteren Wahlwerbung.
  • Politiker*innen führen über Social-Media-Plattformen, Chat-Foren und Messenger-Dienste eine scheinbar persönliche Kommunikation mit dem Volk. Davon profitieren oft v.a. weniger bekannte Kandidat*innen.
  • Social Bots übernehmen oft Diskussionen im Netz und lenken so die politische Ausrichtung. Das sind Computerprogramme, die selbstständig Inhalte posten, auf Hashtags reagieren oder Beiträge kommentieren.

Nachteile des digitalen Wahlkampfs

Erstmal ist das ja gut: Wähler*innen können sich in den sozialen Netzwerken mit anderen vernetzen. Sie können Informationen austauschen und sich politisch orientieren. Doch soziale Netzwerke sind auch extrem geeignet für Manipulationen. Fake News, bewusste Falschmeldungen, verbreiten sich rasend schnell. Selbst wenn Falschmeldungen später korrigiert werden müssen: Die Richtigstellung kommt meist zu spät und erreicht selten die Klickzahlen der ursprünglichen Fake News. All das macht es schwierig, sich über soziale Netzwerke wirklich unabhängig zu informieren.

"Das gab es früher schon, das ist alles nicht neu. Aber es geht jetzt wesentlich schneller und effizienter und jeder der 80 Mio. Deutschen ist jetzt Verleger und Produzent seiner eigenen Meinung. (...) Mein Eindruck in den letzten Jahren ist, dass Demokratiefreunde es eher verschlafen haben, die Technologie zu nutzen, weil sie andere Wege hatten, zu kommunizieren, sich abzustimmen, sich zu organisieren."

Martin Fuchs, Wahlbeobachter und Politikberater

Politische Meinungsbildung läuft heute übers Netz

Politische Entscheidungen fällen die Abgeordneten weiterhin im Bundestag und in den Landtagen. Früher wurde darüber im Radio, im Fernsehen und in den Zeitungen berichtet, in der Regel von Journalist*innen. Heute kann jede*r über Politik berichten, Meinungen verbreiten, der Zugang zum Internet und zu einer Plattform hat. Durch diesen Cyberaktivismus kommen viel mehr Berichte, Informationen und Meinungen zusammen als je zuvor. Doch wer prüft, wie ausgewogen sie sind?

Auch Rechtspopulisten nutzen soziale Netzwerke

In Brasilien wird mit Jair Bolsonaro ein Rechtsextremist neuer Präsident des Landes. Gewonnen hat er die Wahlen im Oktober 2018 nicht zuletzt wegen einer aggressiven, aber auch sehr modernen WhatsApp-Kampagne. Auch der amerikanische Präsident Donald Trump nutzt sehr geschickt die digitalen Medien, um seine Wahrheiten und Fake News unter die Fans zu bringen. Ähnlich wie die AfD. In abgeschotteten digitalen Echo-Kammern werden Fake News und (Rechts-)populismus meist nicht mehr hinterfragt. Rayk Anders hat an der Dokumentation "Lösch dich" mitgearbeitet, die 2018 bei funk (ZDF) lief. Undercover ermittelte er, wie organisierter Hass im Netz funktioniert.

"Wir haben mitgehört, wie die Leute sich über Sprachchat ausgetauscht haben. Sie haben sich beraten, wie man bis zu 99 Accounts gleichzeitig managen kann. D. h., du hast einen Typen, der im Internet in den Kommentaren sich als 100 Leute gleichzeitig ausgibt. So soll in den Kommentarbereichen die Illusion geschaffen werden, dass die feindliche Haltung, die sie vertreten, dass das der Wille, die Stimme des Volkes wäre."

Rayk Anders, Youtuber und Politik-Blogger, Journalist bei funk

Vorteile der Digitalisierung

Der Arabische Frühling ab Dezember 2010 wäre ohne soziale Netzwerke nicht möglich gewesen. Die staatlichen Machthaber*innen konnten die vielen Veröffentlichungen im Internet nicht mehr kontrollieren. So entwickelten demokratische Initiativen im gesamten nordafrikanischen Raum eine große Wirkung, die zumindest zeitweilig für Demokratie sorgte. Das Prinzip der schnellen Vernetzung und die Möglichkeit eines Austauschs an den zensierten Staatsmedien vorbei stützt hier die Demokratie.

Fazit

Informationsverbreitung und politische Meinungsbildung erfolgen über soziale Netzwerke deutlich schneller als über analoge Medien. Vor allem kleine Parteien, aber auch Gruppierungen mit extrem(istisch)er Ausrichtung machen sich dies zunutze. Wer sich also ausschließlich über digitale Quellen informiert, sollte gezielt nach Gegendarstellungen suchen, um nicht in einer mitunter gefährlichen Blase zu landen.

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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