Hörbuch der Woche "Ich bin zu zart für diese Welt. Tagebücher 1998 - 1999" von Manfred Krug
Manfred Krug kennt man vor allem als "Liebling Kreuzberg", als singenden Kommissar Stoever in über 40 Tatort-Folgen, als Fernfahrer Klaus Meersdonk in der Serie "Auf Achse", aber auch von zahlreichen Hauptrollen in Spielfilmen und als Sänger von Jazzstandards, Schlagern und Chansons. Vor einem Jahr sind seine Tagebuchaufzeichnungen 1996-97 erschienen, jetzt unter dem Titel „Ich bin zu zart für diese Welt“ die Folgejahre 1998-99. Die Hörbuchfassung hat Manfred Krugs Sohn Daniel eingelesen – für Bernhard Jugel ist es das Hörbuch der Woche.

"Donnerstag, 1. Januar 98. Otti und ich haben uns entschlossen, einfach in einer Kneipe Silvester zu feiern. Im Santiago am Käthe-Kollwitz-Platz in Ostberlin trafen wir alte Freunde aus der Jugendzeit, Peter und Jutta Vogt."
Zitat aus Hörbuch
Akribisch hat Manfred Krug in seinen Tagebüchern festgehalten, wen er getroffen, wo er gefeiert, was er gearbeitet hat. Oder auch, was ihm bei der Zeitungslektüre, beim Kinobesuch, vorm Fernseher aufgefallen ist. Und zwar nicht stichwortartig, sondern in wohlformulierten Sätzen, als hätte er schon bei der Niederschrift an eine spätere Veröffentlichung gedacht. Zwar springt Krug zwischen verschiedenen Themen oft hin und her, aber es ziehen sich auch viele rote Fäden durch diese Aufzeichnungen, etwa seine nach einem überstandenen Schlaganfall ziemlich angegriffene Gesundheit.
"Ich bin nur noch krank. Heute ist es mein linkes Knie. Ich kann vor Schmerzen kaum einen Schritt gehen. Zum ersten Mal musste ich das Fahrrad stehen lassen."
Zitat aus Hörbuch
Ein weiterer roter Faden. Die Erlebnisse mit seiner unehelichen Tochter Marlene. In der Öffentlichkeit gibt Krug die kleine Marlene als seine Enkelin aus, seine Frau Ottillie weiß zur Zeit der jetzt veröffentlichten Tagebucheinträge bereits Bescheid und toleriert, dass Krug mehrere Abende in der Woche bei Marlene und ihrer Mutter verbringt.
"Wir spielen Schrottpresse.
Papa: 'Du bist der Schrott, ich bin die Presse. Wenn der Schrott zu fest gepresst wird, muss er halt rufen. Also: press, press, press!'
Marlene: 'Halt!'
Papa hört auf zu pressen.
Papa: 'Ächz, die Presse ist jetzt ganz müde.'
Marlene: 'Aber der Schrott geht jetzt mit seiner Mutter ins Bett."
Zitat aus Hörbuch
Man kann beim Hören manchmal ganz vergessen, dass hier gar nicht Manfred Krug selbst, sondern dessen Sohn Daniel spricht. Dessen Stimme ist nicht ganz so sonor wie die des Vaters, aber der ostdeutsche Zungenschlag, die kecke Sprechweise, das sich Hineinversetzen in verschiedene Charaktere, das alles passt. Daniel Krug lässt uns die Tagebuchnotizen seines Vaters gewissermaßen miterleben, etwa wenn der im Flugzeug Udo Lindenberg trifft. Lindenberg lässt sich Rotwein kommen und fängt an zu trinken und zu reden.
"Er erzählt von der Feier zur Goldenen Kamera und von Ben Becker, der ihm gut gefällt. Er erzählt von den Free-Style-Rappern und verfällt für eine Viertelstunde mühelos in Verserzählung nach der Art der Free-Style-Rapper. Alles reimt sich, und zwar perfekt: 'Über den Wolken ist der Himmel weit / Über den Wolken bin ich gerne breit."
Zitat aus Hörbuch
Manfred Krugs Tagebücher sind nicht nur sehr unterhaltsam, sie erzählen nicht nur seine persönliche, sondern – weil Krug ein politisch und kulturell interessierter Mensch war – auch ein Stück Zeitgeschichte. Und: man sollte sie nach Möglichkeit hören – denn nur im gesprochenen Wort kann sich der Witz und die Schlagfertigkeit von Manfred Krug voll entfalten.
"Sonntag, 31. Januar 1999. Im Fernsehen etliche kokette Worte von Elfriede Jelinek, darunter: 'Man soll als Künstler nicht berühmt, sondern im Verborgenen sein. Berühmtsein macht kaputt.' Sag ich doch!"
Zitat aus Hörbuch
"Ich bin zu zart für diese Welt" – die Tagebücher 1998/1999 von Manfred Krug, gelesen von Daniel Krug, sind auf mp3-CD im Kanon Verlag erschienen.