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2014 Glocken läuten die Weihnacht ein

Der Dichter und Philosoph Johann Gottfried Herder hielt das Ohr des Menschen für "die eigentliche Tür zur Seele". So verwundert es nicht, dass der Glockenklang vielen Menschen bis in den Wesensgrund dringt.

Von: Georg Impler

Stand: 24.12.2014 | Archiv

Ob sie uns zu Häupten erschallen oder dünn verschollen aus der Ferne rufen, ob sie zur Christmette läuten oder zum Morgenamt, sie tragen dem Lauschenden, als käme ihr Klang nicht aus dem Erz sondern aus der Zeitlosigkeit, eine unüberhörbare Botschaft zu: "Hoch überm niedern Erdenleben" gibt es eine metaphysische Dimension, die all unsere Erfahrung übersteigt.

Zeugnisse der Größe Gottes und Wahrheit des Christentums

Van Wouglocke im Braunschweiger Dom

Das Wort, Glocken würden Himmel und Erde verbinden, ist oft gefallen. In der Zeit, da sich Philosophen und Theologen besonders intensiv mit den Fragen der Metaphysik und der Transzendenz, der Unsterblichkeit der Seele, dem Absoluten und dem Ewigen im Endlichen auseinandersetzten, wurden auch die gewaltigen, romanischen Dome errichtet. In ihnen sollte sich die Größe Gottes und die Wahrheit des Christentums widerspiegeln.
Und noch heute, nach tausend Jahren, berühren sie die Menschen - ob gläubig oder nicht - als Zeugnisse des Glaubens und der Kunst und einer Zeit, als sich die Sonne noch um die Erde drehte und alles menschliche Hoffen um das Paradies.

Mächtige Stimmen romanischer Dome

Für das Weihnachtsläuten 2014 hat Georg Impler die mächtigsten Stimmen romanischer Dome unseres Landes ausgewählt: So werden die Glocken der Dome in Braunschweig, Hildesheim, Speyer, Mainz, Bamberg und Würzburg die Christnacht 2014 einläuten.

Bedeutende romanische Dome

Braunschweig

Die ehemalige Stiftskirche St. Blasii in Braunschweig wurde 1173 – 1195 von Heinrich dem Löwen erbaut. Heute ist die dreischiffige Gewölbebasilika evangelisch-lutherischer Dom. Neben dem Grabmal Heinrich des Löwen beherbergt sie bedeutende Kunstwerke des Mittelalters. Zentrales liturgisches Ausstattungsstück ist der Marienaltar. Er wurde von Heinrich dem Löwen in Auftrag gegeben und 1188 geweiht. Ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert stammt der siebenarmige Leuchter mit imposanten Maßen: er ist etwa fünf Meter hoch, hat eine Spannweite von vier Metern und wiegt über 400 kg.  
Das Geläut des Braunschweiger Doms gehört zu den bedeutendsten in Deutschland. Von den 12 Glocken sind zehn noch aus dem Mittelalter erhalten. Die älteste, das „Adämchen“ bzw. "Blasius Minimus" könnte ihrer Form nach aus dem 14. Jahrhundert stammen.

Hildesheim

Der Mariendom in Hildesheim gilt als eine der ältesten Bischofskirchen in Deutschland. Seine Ursprünge reichen bis in das Jahr 815 zurück. Unter Kaiser Ludwig dem Frommen wurde bereits eine Marienkapelle errichtet, 872 unter Bischof Altfrid der erste Dombau geschaffen. Im Laufe der Jahrhunderte kam es zu zahlreichen Um- und Anbauten.
Die einzigartige Bernwardtür, eine doppelflügelige, reich ausgestaltete Bronzetür bezeugt die reichhaltige Ausstattung mit Kunstwerken um das Jahr 1000 unter Bischof Bernward.
1945 zerstörten Bomben den Hildesheimer Dom bis auf die Grundmauern. Drei Jahre zuvor mussten acht bis neun der Domglocken zu Rüstungszwecken geopfert werden. Mittlerweile ist der Mariendom wieder neu aufgebaut und geweiht, 12 Glocken ertönen aus seinem Westwerk. Seit 1985 ist er UNESCO- Weltkulturerbe.

Speyer

Es sollte die größte Kirche seiner Epoche sein, nahm sich zumindest Kaiser Konrad II. vor, als er um 1030 den Grundstein legte. Mit dem Dom in Speyer wollte er seinen religionspolitischen Machtanspruch gegenüber dem Papsttum demonstrieren. Die Salier wählten die Kirche als letzte Ruhestätte. So liegen in der Krypta acht deutsche Kaiser und Könige, vier Königinnen und zahlreiche Bischöfe. Die Krypta ist noch unverändert erhalten, der Dom wurde 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg beinahe zerstört und in den Revolutionskriegen 100 Jahre später verwüstet . Unter Bayerns König Max I. begann der Wiederaufbau.
Ursprünglich trug keiner der Türme eine Glocke. Die neun Glocken, die heute im "Glockenturm" in der Westkuppel hängen, stammen von 1822 bzw. 1963.
Seit 1981 ist der Speyrer Dom UNESCO-Weltkulturerbe.

Mainz

Willigis, Erzbischof und Erzkanzler des deutschen Reiches, legte 975 den Grundstein für dieses gewaltige Bauwerk. Im Lauf der Jahrhunderte beschädigten immer wieder Feuer und Kriege das Gotteshaus. So kamen Anbauten und Ausschmückungen unterschiedlichster Kunstepochen hinzu, wie die angebauten gotischen Seitenkapellen, die barocken Turmhelme der Westtürme oder der neuromanische achteckige Mittelturm aus dem 19. Jahrhundert. Ein lebendiges, stetig wachsendes Gotteshaus eben. Eine Baustelle über Jahrhunderte, an der alle Generationen beteiligt sind.
Bereits in der romanischen Zeit besaßen die beiden großen Domtürme jeweils ein eigenes Geläut. Mehrfach zerstört und wieder neu errichtet, ertönen heute neun Bronzeglocken aus dem Westturm über der Turmuhr.

Bamberg

Prächtig steht das Grab Heinrichs II. und seiner Gemahlin Kunigunde von Luxemburg im östlichen Mittelschiff des Bamberger Doms. Tilman Riemenschneider und seine Steinmetzgehilfen haben das marmorne Hochgrab in 14-jähriger Arbeit geschaffen. Reliefs zeigen Legenden aus dem Leben dieses einzigen heilig gesprochenen Kaiserpaars, das in liegenden Figuren auf der monumentalen Deckplatte dargestellt ist. Heinrich II. hatte 1004 den Grundstein zum Dom gelegt.
Das grandiose Geläute der zwei Osttürme besteht aus zehn Glocken. Acht befinden sich im Süd-, die zwei legendären Kaiserglocken im Nordostturm. Ob nun die aus dem 12. Jahrhundert stammende Kunigundenglocke oder die etwa 130 Jahre jüngere Heinrichsglocke die wohlklingendere ist, darüber soll der Legende nach das Kaiserpaar selbst schon gestritten haben.

Würzburg

Karl der Große war anwesend, als  787/88 der "neue" Dom zu Würzburg geweiht wurde. Doch zwei große Brände machten 1040 einen Neubau unter Bischof Bruno notwendig. Nach seinem Tod schaffte sein Nachfolger Adalbero eines der eindrucksvollsten Monumente der Salier-Zeit. In den folgenden Jahrhunderten wurde immer wieder umgebaut und erweitert - um 1250 erhielt der Dom seine endgültige äußere Gestalt.
Auch innen wurde - je nach Stil der Zeit - umgestaltet, bis um 1700 mit der umfassenden Barockisierung begonnen wurde. Bedeutende Künstler wie der Architekt und Stuckateur Pietro Magno und Balthasar Neumann schufen ein prächtiges barockes Kunstwerk.
Fliegerbomben legten 1945 das Gotteshaus in Schutt und Asche. Von den zwölf Glocken ist die Lobdeburg-Glocke die einzige, die den Bombenangriff unbeschadet überstanden hat. Alle anderen Glocken sind damals geschmolzen.


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