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Neues aus dem Stiftergrab Die Gründer von Kloster Tegernsee unterm Mikroskop

Das Gründungsjahr 746 steht zwar auf jedem Flaschl "Tegernseer Hell" - doch wurde das Kloster Tegernsee wirklich in diesem Jahr gegründet? Die historischen Quellen sind spärlich. Pathologische Untersuchungen an den Skletten liefern neue Erkenntnisse.

Von: Petra Martin

Stand: 26.02.2016 | Archiv

Gemälde der Klostergründer Adalbert und Otkar, Tegernsee | Bild: BR/Roland Götz

Die Forschung zur Entstehung des Klosters Tegernsee ähnelt ein bisschen einem Krimi. Denn wie im „Tatort“ hat der Kommissar Aussagen, die spärlich sind oder später getroffen werden. Dementsprechend gering ist der Wahrheitsgehalt. Und auch wenn Kirchenhistoriker Roland Götz keinen Täter sucht, wie es im „Tatort“ üblich ist, hat er ähnliche Probleme: Die „Aussagen“, also historische Quellen, sind nicht nur spärlich, sondern im Nachhinein oft ausgeschmückt worden.

Die erste, zuverlässige Angabe datiert auf 100 Jahre nach der Klostergründung. Das ist ungefähr so, als würden wir heute berichten, was im Ersten Weltkrieg geschah - aus der Erinnerung. Für den Historiker ergeben sich dennoch ein paar Anhaltspunkte: "Die beiden Stifter haben Anfang des 8. Jahrhunderts gelebt und Adalbert war 30 Jahre lang Abt. Gestorben ist er wohl zwischen 790 und 800", zitiert Götz aus Kirchenbüchern.

Mythos "Schachbrettlegende"

Unter dem Hochaltar liegen die Skelette der beiden Tegernseer Klostergründer

Das ist natürlich nicht viel. Jeder Tegernseer hat in der Schule von der „Schachbrettlegende“ gehört, auf die die Gründung des Klosters zurückgeht. Der Sohn des Frankenkönigs Pippin soll im Jähzorn über ein verlorenes Schachspiel Otkars Sohn erschlagen haben, woraufhin dieser mit seinem Bruder Adalbert der Welt entsagt und ein Kloster gründet. Doch hier muss Kirchenhistoriker Roland Götz einen Mythos brechen: "Diese Episode taucht um 1200 auf. Und wir kennen solche Erzählungen aus französischen Heldensagen. Historisch zutreffend ist die Geschichte mit Sicherheit nicht."

Doch - wie war das dann mit der Gründung des Klosters Tegernsee? Hier kommen die Naturwissenschaften ins Spiel. Denn die Knochen der Klostergründer sind bis heute erhalten. Sie liegen in einem Sarkopharg unter dem Altar der Tegernseer Kirche. Und als diese vor 15 Jahren saniert wurde, kamen die Skelette zu einer pathologischen Untersuchung. Die Pathologie sollte ein paar Eckdaten bestätigen – oder wiederlegen. Professor Andreas Nerlich vom Klinikum Schwabing und Bogenhausen nahm die Gebeine und Zähne unter die Lupe.

"Tegernseer Sagen" als Quelle

Die Skelette sind gut erhalten und geben Aufschluss über das Leben der beiden.

Unter Einbeziehung der historischen Vorgaben konnte der Pathologe seine Ergebnisse einordnen: "Wir konnten anhand der Untersuchungen bestätigen, dass die Knochen tatsächlich zwei Individuen sind. Und auch, dass sie Brüder sind und für ihre Zeit recht groß waren, stimmt." Adalbert und Oktar waren 1,85 bzw. 1,87 Meter groß und Adalbert war acht Jahre älter als Otkar. Otkars Knochen weisen starke Abnutzung auf, was auf harte körperliche Arbeit schließen lässt. Bei Adalbert gibt's diese Abnutzungen kaum, weshalb die Angaben, dass er Abt war, durchaus plausibel sind.

Unter dem Stich des Klosters ist das Gründungsjahr zu lese: 746

Das Lebensalter der Gründer-Brüder konnte Andreas Nerlich ebenfalls bestimmen und aufgrund der Quellenlage zu Adalberts Tod konnte er das Geburtsjahr ausrechnen: Um 740 wurde der ältere Bruder geboren. Doch wie passt das mit dem Gründungsjahr 746, das auf jedem Flaschl Tegernseer Hell zu lesen ist, zusammen?

"Das lange Zeit überlieferte Gründungsjahr 746 wurde von Historikern schon lange angezweifelt. 15 Jahre später erscheint wahrscheinlicher. Und jetzt lässt sich das mit Lebensalter der Stifter in Übereinkunft bringen. Denn 746 waren sie noch Kinder und haben da mit Sicherheit noch kein Kloster gegründet."

Kirchenhistoriker Roland Götz

Adalbert und Otkar stammen wohl aus der Bretagne

Außer dem möglichen Geburtsjahr hat der Pathologe noch mehr herausgefunden. Zum Beispiel auch die Herkunft der beiden. Denn im Zahnschmelz ist „gespeichert“, was man als Kind gegessen hat. "Interessanterweise sind in den Zähnen und Knochen Signaturen, die auf hohen Fischkonsum hinweisen. Weil die Konzentration im Zahnschmelz so hoch ist, müssen die beiden in ihrer Kindheit Fisch aus dem Meer gegessen haben," fasst Nerlich zusammen.

Das heißt, dass Adalbert und Otkar wohl aus der Bretagne stammen, denn auf diese Region passt sowohl der Verzehr von Meeresfischen als auch andere Indikatoren der Ernährung, die Andreas Nerlich bei seinen Untersuchungen nachweisen konnte. Für den Kirchenhistoriker ist das die große Überraschung: "Wir ahnten zwar, dass sie wohlhabende Adelige waren, aber dass sie von soweit hergekommen sind, überrascht uns dann doch."

Diese Erkenntnisse aus der Naturwissenschaft eröffnen dem Historiker ganz neue Forschungsansätze. Roland Götz wird nun auch Quellen aus der Bretagne neu lesen und interpretieren, immer auf der Suche nach Informationen zu Adalbert und Otkar, den beiden Gründern des Klosters Tegernsee.


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