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Homunculus Erlanger Studenten gründen eigenen Verlag

Rund 1.800 Verlage gibt es in Deutschland. Wer sich neu in dieses Geschäft hineinbegibt, ist entweder ein gnadenloser Enthusiast oder hat mächtig Mumm. In Erlangen haben es vier Studenten gewagt und ihren eigenen Verlag gegründet.

Von: Tilla Schnickmann

Stand: 30.08.2016 | Archiv

"Viele haben uns geraten, denkt an die großen Verlage wie Fischer, Rowohlt, Suhrkamp – das sind immer Eigennamen das Verlegerpersönlichkeiten. Das wollten wir auf keinen Fall."

Joseph Reinthaler

Bei vier gleichwertigen Gründungsmitgliedern wohl auch schwerlich machbar: Neben Joseph Reinthaler gehören Laura Jacobi, Philip Krömer und Sebastian Frenzel zum Gründungsteam des neuen Verlages. Also musste ein anderer Name her:  

"Es leuchtet! seht! – Nun läßt sich wirklich hoffen,
Daß, wenn wir aus viel hundert Stoffen
Durch Mischung – denn auf Mischung kommt es an –
Den Menschenstoff gemächlich componiren."

Aus Goethes Faust II

Aus der richtigen Mischung erschafft Goethes Faust den Homunculus. Nach ihm, dem Kunstwesen und Sinnbild für Kreativität, haben die vier Studenten aus Erlangen dann ihren Verlag benannt.

Klassiker und Zeitgenössisches

Cover der Zeitschrift Seitenstechen

Das Frühjahrprogramm des neuen Verlages bietet mit 13 Titeln eine bunte Mischung: Klassiker und Zeitgenössisches, darunter auch ein Eigenwerk von Philip Krömer. Aber auch bekannte Namen wie etwa Poe, Spoerl und Dickens neben zu Unrecht vergessenen wie Arthur Holitscher und Carl Einstein, Hardcover-Schmuckausgaben sowie E-Books, und ein Non-Book-Bereich, in dem sich literarische Kartenspiele finden oder die aufwendig betreute Zeitschrift Seitenstechen. Wer bei diesem Klein-Verlag Orchideenthemen oder Regionales erwartet, liegt falsch. Nein, Manuskripte für Minderheiten wollen sie nicht verkaufen, sagt Laura Jacobi:

"Wir sind der Meinung, auch wenn man klein ist, dass man sich breit aufstellen kann, von Klassikern bis zu aktueller Literatur. Wir wollen eine Breite, die unterhält, schön aussieht und einen gewissen Anspruch hat."

Laura Jacobi

"Was ich gerne ergänzen würde ist das Credo, das wir uns selbst gesetzt haben: Literatur für alle Zeit! Wie wir das so schön prätentiös formuliert haben."

Joseph Reinthaler

Literatur für alle Zeit - das klingt wie ein Treueschwur, den die vier abgelegt haben. Ein Leben im Dienste des Buches. Davon zeugt bereits ihre Studienwahl der Buch- und Literaturwissenschaft – selbst gegen Widerstände. Die Neuverleger wollen nun nicht allein Texte, sondern ganze Bücher selber schaffen. Was zwischen Masterarbeiten und Prüfungen als Kneipenlaune begann, wurde bald professioneller Ernst.

Eigene Software für E-Books entwickelt

Die eigenen Ansprüche der vier Studenten sind ehrgeizig: professioneller Vertrieb, gründliches Lektorat, hochwertige Ausstattung, detailgenaue Typographie und sorgfältiger Satz – besonders auch im E-Book, wo dieses oft immer noch kläglich vernachlässig wird. Hierfür haben sie sogar eine eigene Software entwickelt. Sie legen die Messlatte hoch – doch die Erstlingsausgaben nehmen die selbstgesetzte Hürde.

Liebe zum Detail

In der Buchbranche heißt es oft: Kleinverlage seien das Salz in der Suppe des Literaturbetriebes. Bei ihnen stehe Liebe zum Detail noch vor dem Kommerz. Auf Homunculus trifft das zu. Aber es heißt auch: Kleinverlage überleben nur, weil sie sich selbst ausbeuten. Und auch da ist etwas dran. Die vier Erlanger Studenten haben nicht nur Zeit und Mühe, sondern ihre Ersparnisse in ihr Projekt gepumpt. Ein Liebhaberprojekt?

"Nein, es ist kein exzentrisches Hobby, wir wollen schon, dass es sich trägt und uns mit. In welchem Maße das in den nächsten Jahren passieren wird, können wir natürlich noch nicht absehen."

Joseph Reinthaler

Die Jungverleger beweisen jedoch neben dem literarischen auch ein gewisses unternehmerisches Gespür: Ihre Schmuckausgabe von Charles Dickens hat das Zeug zum Geschenkklassiker. Die Reihe Kriminalgeschichte ist sicherlich gut gesetzt. Und für ihre Zeitschrift Seitenstechen sind sie mit Crowdfunding ganz neue Finanzierungswege gegangen.

Monster der Weltliteratur als Kartenspiel

Ein kleiner Coup könnte aber auch die erste literarische Tischdecke mit ISBN-Nummer werden. Auf dieser findet sich – passend zum Jubiläumsjahr des bayerischen Reinheitsgebotes – waschbar und bügelfest die bayerische Biergartenordnung samt juristischen und literarischen Kommentaren. Und Bier und Buch finden auf 2,50 Tischtuchlänge zusammen. Und für den literarischen Biergartenbesuch bietet Homunculus noch ein Kartenspiel on top. Da sticht nicht der Ober den Unter, sondern Frankenstein  Moby Dick. 30 Monster aus 3.000 Jahren Weltliteratur ringen um den nächsten Stich.

Der Erlanger Homunculus Verlag verströmt den Reiz eines erfrischenden Jungunternehmens und agiert dabei sehr professionell. Ein Durchbruch wäre den vier jungen Verlegern zu wünschen. Denn: Literatur für alle Zeit – davon hätten wir gern mehr.


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