Buchtipp "Erlangen Noir – 12 Geschichten über Erlangens düstere Seiten"
In ihrem Buch "Erlangen Noir" erzählen die beiden Autoren Björn Bischoff und Philip Krömer zwölf Geschichten über die düsteren Seiten Erlangens. Mit einer Mischung aus Fakten und Dichtung leuchten sie die verborgenen Winkel der Stadt aus.
Dass es viel Wissenswertes über Erlangen gibt, hatten ältere Semester bereits zu Beginn der 1980er Jahre über den gleichnamigen Song der Avantgarde-Pop-Band Foyer des Arts gehört. Über Nacht hatte der Bandgründer und Textdichter Max Goldt der Hugenottenstadt damit zu skurriler Berühmtheit verholfen. Tatsächlich aber erfährt man aus dem Song absolut nichts Wissenswertes über Erlangen, allenfalls über eine gewisse Spießigkeit von Stadtführungen zu Beginn der 80er.
Die dunklen Seiten Erlangens
Vierzig Jahre später haben sich Philip Krömer und Björn Bischoff mit "Erlangen Noir" aufgemacht, wirklich Wissenswertes über Erlangen zusammenzutragen und den Fokus dabei auf einen ganz bestimmten Aspekt zu legen: die dunklen Seiten der Stadt.
"Wir gleiten über den Schlossplatz, wo nach Sonnenuntergang Cops mit Maschinenpistolen patrouillieren, auf den monumentalen Markgrafen zu. Die alte Statue war zu klein geworden für Erlangens gewachsenes Ego, also ersetzte man sie durch eine 10 Meter hohe Kopie aus verchromtem Stahl. Ihre weit ausgebreiteten Arme sind als T-Träger im Schienennetz der H-Bahn verbaut, das sich über Jahrzehnte hinweg in der Stadt breitmachte wie das wuchernde Geäst eines wilden Buschs. So fährt man heute durch ganz Erlangen, ohne den Fuß auf den Boden setzten zu müssen, von Neu Arkadien bis zu den Glastürmen am Martin-Luther-Platz, vom Siemens-Cube bis in die Büchenbacher Slums. Am Boden hingegen, wo ständig die Blaulichter der Einsatzwagen zucken, ist man nicht mehr sicher."
Auszug aus 'Erlangen Noir'
Mit Vandalenland, einer dystopischen Phantasie über die in den 1970er Jahren angedachte aber nie realisierte Hängebahn eröffnet Philip Krömer die soeben erschienene Sammlung aus zwölf Kurzgeschichten. Die meisten davon waren 2021 bereits in den Erlanger Nachrichten zu lesen – allerdings nur in stark gekürzter Form. Bei der Themenauswahl für die einzelnen Beiträge sei man sehr frei vorgegangen, meint Co Autor Björn Bischoff, habe sich hauptsächlich von Neugier und Interesse leiten lassen.
"Wir sind da sehr offen rangegangen und haben geschaut, dass wir uns in die Stadtgeschichte einarbeiten. Jeder von uns hatte dann seine Steckenpferde. Bei mir war das dann das Musikthema. So bin ich in dem Jazzclub Pupille gelandet, den ich vorher nicht kannte. Das war auch ein Durchwühlen durch sehr, sehr viele Texte, durch sehr viel Material und Themengebiete. Und dann haben wir da Gottseidank immer etwas gefunden haben, was sehr dankbar war und das wir nutzen konnten."
Björn Bischoff, Autor
Info und Bewertung

Das Buch "Erlangen Noir, 12 Geschichten über Erlangens düstere Seiten" ist erschienen im Homunculus Verlag und kostet 22 Euro.
Auf diese Weise erfährt man zwar nicht unbedingt Sensationelles über Erlangen, vielleicht nicht einmal Neues. Aber die Art und Weise, wie hier erzählt wird, die Freude am literarischen Experiment und am Recherchieren, sind deutlich spürbar und machen die Lektüre spannend. Dass die Anthologie dieser beiden durchaus unterschiedlichen Autoren wie aus einem Guss wirkt, liegt am titelgebenden Noir, einer Bezeichnung, die ursprünglich für ein bestimmtes Filmgenre geprägt wurde.
"Also für mich ist Noir auch diese Atmosphäre, die man vielleicht aus alten Noir-Filmen kennt: düster, schwarz-weiß, der einsame Detektiv auf der Jagd. So ist unser Buch nicht durchgehend geworden, aber das 'andere' Erzählen über die Stadt macht noch einen neuen Aspekt auf, denn Stadtgeschichten gibt es über Erlangen ja schon einige."
Björn Bischoff, Autor
Erlanger Geschichten – schwarz eingefärbt
Die Idee, ihre Erlanger Geschichten Noir, also schwarz einzufärben, kam den beiden Autoren über das Dialogbuch "BRD Noir", in dem Philipp Felsch und Frank Witzel dem Abgründigen und Verdrängten im Nachkriegsdeutschland nachspüren, eben ganz in der Tradition des Film Noir, in dem es immer auch ums Demaskieren und das Aufspüren von Abgründen in einer nur scheinbar heilen Welt geht. Auch die Universitätsstadt Erlangen hätte hier durchaus Einiges zu bieten gehabt, aber in "Erlangen Noir" versteht sich das Schwarz nicht als Abgrund, sondern als Farbfilter.
"Ich denke, das ist tatsächlich größtenteils der Stil und die Herangehensweise gewesen. Jede Geschichte hat schon eine schwarze Grundfarbe, kann man sagen. Das liegt auch ganz einfach am Schreiben, wie wir es sonst machen."
Björn Bischoff, Autor
Marienerscheinungen, das letzte Stadttor und ein legendärer Jazzclub
Wer von "Erlangen Noir" ein Kompendium verdrängter Nachkriegsgeschichte erwartet, wird enttäuscht. Hier geht es einfach nur um Vergessenes, wie die Marienerscheinungen bei Heroldsbach, um Randnotizen wie das Ende des letzten Stadttors, aber auch um Erinnerungen zum Beispiel an den legendären Jazzclub Pupille oder die berühmteste Erlanger Beat Band. Deshalb ist diese Anthologie nicht nur für aktuelle Erlanger, sondern auch für Ex-Erlanger zu empfehlen, die gern mal wieder zurückschauen möchten.