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Zum Tag der Franken Ausgefranstes Franken

Der Tag der Franken findet dieses Jahr erstmals grenzüberschreitend statt. Gefeiert wird in Neustadt bei Coburg in Oberfranken und gleichzeitig in Sonneberg in Thüringen. Die Partnerstädte verbindet eine lange gemeinsame Geschichte.

Von: Petra Nacke

Stand: 27.06.2019 | Archiv

Geografisch stehen sich Neustadt bei Coburg und Sonneberg in Thüringen nahe. Beide verbindet die Jahrhunderte alte Tradition der Spielwarenfertigung, hier wie dort spricht man Itzgründer Fränkisch und ist stolz auf seine Bratwurst, und beide Städte teilten in der Zeit des Eisernen Vorhangs das Schicksal, eine Franse an dessen äußerstem Rand zu sein. Von daher ist es naheliegend, dass die Partnerstädte den Tag der Franken gemeinsam begehen.

Grenzüberschreitender Tag der Franken – eine Premiere

Eine Premiere ist dieser grenzüberschreitende Tag der Franken allemal, aber war er deshalb auch zwangsläufig naheliegend? 30 Jahre nach der Wiedervereinigung bereisen wir diese so eng miteinander verflochtenen Partnergemeinden, die durch die Teilung Deutschlands auseinandergerissen wurde. Geschichte und Geschichten von diesseits und jenseits des ausgefransten Randes von Franken.

Entlang der ehemaligen Grenze

Hinweisschild an der historischen Grenze

Los geht’s an der "Gebrannten Brücke", dem ehemaligen Grenzübergang, im früheren Niemandsland also, ballen sich heute die Schnäppchentempel des Konsums: Supermarkt, Discounter, Baumarkt, Möbelmarkt, Fitnessstudios, Fastfood-Ketten und massenhaft Parkplätze. Es herrscht die Tristesse der Betonwüste. Dann ein Metallschild, kleiner als der Deckel eines Schuhkartons, das auf den 1.Juli 1990 verweist. War hier wirklich die Grenze zwischen Ost und West?

Sonneberg und Neustadt – wie Schwestern

Ein freundlicher Radfahrer aus Thüringen, unterwegs zum Bioladen in Oberfranken, bestätigt es. Er freue sich, dass die Grenze weg ist, denn Sonneberg und Neustadt seien immer schon wie Schwestern gewesen – auch wenn sie sich, wie unter Geschwistern üblich, nicht immer ganz grün waren

"Zwischen Neustadt und Sonneberg, da gab es früher, als die Grenze noch nicht bestand, immer Gehänsel. Die Sonneberger sagten immer, die Neustädter sind die Hundsfresser."

Radfahrer aus Thüringen

Hundsfresser – der Faktencheck

Wildenheid, ein Stadtteil von Neustadt, unmittelbar an der ehemaligen Grenze. Doris, Asti und Hans sind mit ihren Hunden Fichte, Biber und Biggi unterwegs und wirken wie ganz normale Hundehalter auf dem Gassigang. Aber man kann ja nie wissen, eventuell werden die drei Fellnasen später zu Hotdogs oder ähnlichem verarbeitet. Alle lachen, sie wissen schon, dass ihre Sonneberger Nachbarn sie für Hundsfresser halten. Woher kommt das?

"Hundefett war ja als Heilfett angesagt, zum Einreiben. Jetzt nimmer, das war früher. Da ist einiges an Fett dran."

Hans, Hundehalter in Neustadt

Hunde fressen sie jedenfalls gewiss nicht, wie alle versichern.

Wie sieht es mit der Grenze in den Köpfen aus?

Auf der fränkischen Seite parallel zur ehemaligen innerdeutschen Grenze erinnert nichts mehr an diese Grenze, die Natur hat alle Spuren überwuchert, die der Mensch nicht schon beseitigt hat. Und wie sieht es mit der Grenze in den Köpfen aus?

"Das waren zwei verschiedene Länder. Wir haben zwar dieselbe Sprache gesprochen, aber das machen die Österreicher auch und sind ein eigenes Land. Das gab's nie für mich, dass das Deutschland einmal zusammen gewesen wär. Das kam so eigentlich nie in meinen Kopf. Ich wusste es zwar, aber es war ein fremdes Land."

Martina Schoder, Landwirtin

Martina Schoder bewirtschaftet zusammen mit ihrem Mann einen Hof mit 72 Milchkühen in Ebersdorf. Im Jahr der Grenzöffnung war sie 18 Jahre alt

"Für mich war das gar nichts Besonderes. Ich kannte ja die Leute da drüben. Weil, meine Eltern drüben Verwandtschaft haben und wir waren da regelmäßig in Urlaub. Für mich war das ein Urlaubsland."

Martina Schoder, Landwirtin

Und heute? Fühlt es sich jetzt 30 Jahre später an wie ein Land?

"Ich sag mal, bei uns ist das so zusammengewachsen mittlerweile. Man sagt zwar noch Wessi und Ossi, aber das ist mir eigentlich wurscht."

Martina Schoder, Landwirtin

Sonneberg – die Spielzeugstadt am südlichen Rand von Thüringen

Seit dem 16. Jahrhundert ist die Gegend um Coburg und Sonneberg bekannt für ihr Spielzeug. Beide Städte lagen an den damals wichtigen Handelsstraßen zwischen Nürnberg und Leipzig beziehungsweise Nürnberg und Erfurt. Die durchziehenden Händler ließen hier, wo die Löhne deutlich günstiger waren, vor allem Puppen und Holzspielzeug fertigen. 1910 wurde Sonneberg zur Weltspielzeugstadt.

Sina Martin ist die Geschäftsführerin der Martin-Bären GmbH. Ein Familienunternehmen, das sie in fünfter Generation leitet. Mit der Ost-West-Teilung änderte sich für die Teddyären-Manufaktur alles. Der Familienbetrieb wurde verstaatlicht, musste abspecken, strenge Vorgaben einhalten und eigene Ideen hintanstellen.

"Nach der Wende haben mein Vater und meine Großmutter zusammen beschlossen, das wieder neu aufzubauen und haben mit ihrem Wissen, ihrem Know-How und einigen Sachen, die sie noch retten konnten, alles eben wieder neu aufgebaut und die Firma wie sie heute ist, gegründet."

Sina Martin, Geschäftsführerin Martin-Bären GmbH

Eigener Frankenbär zum Tag der Franken

Für den Erfolg sorgten vor allem zwei Faktoren: der selbstständige Vertrieb; in Sonneberg waren traditionell Herstellung und Vertrieb voneinander getrennt. Zum anderen ein überaus geschicktes Marketing: Statt Masse setzte man bei Martin-Bären auf Klasse, auf Sammlerstücke aus Naturmaterialien und Handarbeit. Ein Beweis für das großartige Marketing-Gespür der Firma: der Frankenbär zum Tag der Franken. Hübsch ist er, der kleine pelzige Kerl. Ist er auch ein Symbol für die Zusammenarbeit zwischen thüringischen und fränkischen Firmen will ich von Sina Martin wissen?

"Es gibt Firmen, mit denen wir Projekte zusammen machen. Es gibt aber keine enge Verbindung. Die entsteht erst wieder, weil ja durch die Grenze der Kontakt lange Zeit abgeschnitten war. Obwohl wir die gleiche Sprache, also denselben Dialekt haben, dieselben Sachen machen, sind wir jetzt gerade erst dabei, uns wieder so richtig anzunähern. Weil geschichtlich gesehen viel passiert ist, was noch aufgearbeitet werden muss."

Sina Martin, Geschäftsführerin Martin-Bären GmbH

Der DDR-Sandmann – made in Franken

Zurück auf der fränkischen Seite der ehemaligen Grenze, in Neustadt. Dort wohnt jemanden, der seit vielen Jahren erfolgreich am Abbau der Grenze im Kopf arbeitet. Sechzig Jahre alt wird das Sandmännchen dieses Jahr und bei der Firma Plüsch-Heunec, die eine Lizenz für Herstellung und Vertrieb des kleinen Wichts hat, wurde das Sortiment entsprechend aufgestockt, erklärt Vertriebsleiterin Jasmin Schorble. Wohlgemerkt handelt es sich um den ehemaligen DDR-Sandmann, also den roten, der hier in mannigfaltiger Gestalt herumhängt, -liegt oder -sitzt. Seinen Kollegen aus dem Westen, das grüne Sandmännchen, sucht man vergebens.

"Nein, den haben wir nicht mehr im Programm. Früher hatten wir den, aber der rote hat Wiedererkennungswert und deshalb haben wir nur noch den roten Sandmann im Programm."

Jasmin Schorble, Vertriebsleiterin Plüsch-Heunec

Warum wird das rote Sandmännchen nicht von einer Thüringer Spielwarenfirma produziert und vertrieben? Das hinge, sagt Frau Schorble, mit den Lizenzen zusammen. Und produziert werde ohnehin zumeist in Asien. Zum 60. Geburtstag vom Sandmännchen kämen aber auch hiesige Firmen zum Zug.

Eine fränkisch-thüringische Wurstfusion zum Tag der Franken

Und dann erzählt Frau Schorble noch vom Tag der Franken, für den es unter dem Motto "gemeinsam, fränkisch, stark" zu einer grenzüberschreitenden Wurstfusion kommen soll, einer speziell für diesen Anlass geschaffenen Bratwurst mit völlig neuer Rezeptur.

"Ob man es wirklich schafft, diese Bratwurst zu kreieren, zu braten, das wird der Tag der Franken zeigen. Ob die Partnerschaft eben so weit fortgeschritten ist, dass man sich auch beim Thema Wurst einigen konnte – wir sind gespannt."

Jasmin Schorble, Vertriebsleiterin Plüsch-Heunec


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