BR Heimat

Bayerisches Feuilleton Bayerische Passionen: Das Derblecken

Samstag, 09.03.2019
08:05 bis 09:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BR Heimat

Bayerische Passionen
Das Derblecken
Von Thomas Grasberger

Wiederholung am Sonntag, 20.05 Uhr, Bayern 2
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Der Bayer frotzelt gern, macht sich lustig über andere, nimmt sie auf den Arm, um sie bei nächster Gelegenheit auch mal unsanft fallen zu lassen. Dieses Verhöhnen kann mit feiner Ironie geschehen, manchmal aber recht grob daherkommen. Je nachdem, wer grad wen derbleckt und warum. Getrennt wird dieses „Derblecken“ übrigens nicht zwischen „derb“ und „lecken“, obwohl es dabei oft derb zugeht, sondern zwischen „der“ und „blecken“. Letzteres bedeutet so viel wie entblößen. Ob es nun die Zunge ist, die da gezeigt wird oder besser ein anderer Körperteil, ist gewiss von Fall zu Fall zu entscheiden. Eines aber steht fest: Wer derbleckt, zeigt Zähne, ohne gleich zu beißen. Eine Art Drohgebärde also, die dem Derbleckten signalisiert: „Obacht, wir kennen Dich und Deine Verfehlungen!“

Das damit verbundene öffentliche (Aus-)Lachen stellt mitunter die gängige Ordnung in Frage. Oder stellt sie wieder her. Wie einst beim Haberfeldtreiben, einem grobschlächtigen Rügebrauch im Bayerischen Oberland. Dort haben sich die Haberer in Rufweite des zu Schmähenden versammelt, um dessen sittliche Verfehlungen lautstark anzuklagen. Dezenter ging es meist am Stammtisch zu, wo der Wirt als örtliche Instanz den Honoratioren von Zeit zu Zeit die Leviten las. Auch der Hochzeitslader hält mit seinen Gstanzln dem Brautpaar samt Gästen einen Spiegel vor, indem er sie derbleckt, (hoffentlich) ohne beleidigend zu werden.

Solch ungeschriebene Gesetze gelten auch für das Politiker-Derblecken auf dem Münchner Nockherberg: Nicht zu harmlos, nie zu grob! Und vor allem: Immer schön mitlachen, wenn es einen selber erwischt hat, sonst wird´s doppelt lustig für die anderen. Thomas Grasberger geht der bayerischen Kunst des Derbleckens nach und hat dafür namhafte Spottkünstler wie Luise Kinseher, Hannes Burger, Bruno Jonas oder Christian Springer getroffen.

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

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