BR Heimat

Bayerisches Feuilleton Ein Indianer kennt keinen Scherz

Samstag, 02.02.2019
08:05 bis 09:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BR Heimat

Ein Indianer kennt keinen Scherz
Kleine Philosophie des Lachens
Von Thomas Kernert

Wiederholung am Sonntag, 20.05 Uhr, Bayern 2
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Auch wenn Winnetou meist sehr würdevoll und ernst über die Weiten der Prärie blickte, lachten und lachen die Indianer Nordamerikas gerne und viel. Sie kennen sogar hauptberuflich tätige Clowns bzw. Hofnarren, die sog. "Heyoka". Und Witze reißen sie selbstverständlich ebenfalls, so z.B.: "Geht ein Indianer zum Friseur. Als er rauskommt, ist sein Pony weg." Mit anderen Worten: Der Indianer kennt, wie jeder normale Mensch, den Scherz, die Zote, den Kalauer, kann also laut und herzlich lachen, vielleicht sogar so laut und "unauslöschlich" wie dies die antiken Götter Griechenlands mit ihrem sagenhaften, angeblich nicht enden wollenden "homerischen" Gelächter einst taten.

Wenn ein Indianer dennoch über Stunden hinweg auch nach dem dümmsten aller Indianer-Witze die Mundwinkel nicht nach oben bekommt, so handelt es sich bei ihm höchstwahrscheinlich um keinen indigenen Amerikaner, sondern um einen verkleideten Bayern im Fasching. Für den bayerischen Faschingsindianer ist Lachen tabu. Das hat, erstens, mit der psychophysiologischen Tatsache zu tun, dass Humor für den Bayern eine ernste Angelegenheit ist, zweitens, mit der historischen Tatsache, dass der Münchner Fasching seinen Höhepunkt längst schon hinter sich hat, und drittens, mit der theologisch-ikonografischen Tatsache, dass kein Heiliger je auf einem Heiligenbildchen lacht.

Weder Korbinian, noch Benno oder Severin und auch nicht die heilige Afra. Vielleicht, ein ganz, ganz klitzekleinwenig die heilige Jungfrau beim mütterlich-huldvollen Blick auf das Jesuskindlein. Aber dies hat nichts mit jener schrecklichen Reflexbewegung zu tun, bei der allein innerhalb der menschlichen Gesichtsregion mindestens 17 Muskeln in Mitleidenschaft gezogen werden, sondern ausschließlich mit den Glücksgefühlen einer von der Erbsünde befreiten Mutter.

Thomas Kernert versucht sich so trocken und humorlos wie möglich dem Phänomen der vemeintlichen Scherzunempfindlichkeit und dem Wesen des Lachens anzunähern ... denn natürlich kennt auch der Bayer jede Menge Scherze. Und über das Lachen lässt sich trefflich philosophieren.

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

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