BR Heimat

Bayern - Land und Leute Das seltsame Tagebuch des Ignaz Meyer

Montag, 21.05.2018
15:05 bis 16:00 Uhr

BR Heimat

Kaum zu fassen
Das seltsame Tagebuch des Ignaz Meyer
Von Ulrich Zwack

Wiederholung von 13.05 Uhr, Bayern 2
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Niemand weiß, wie das weit über 350 Seiten starke Tagebuch ins Stadtarchiv von Aichach gelangte. Der derzeitige Archivleiter hat es auch nur rein zufällig entdeckt. Und wäre dem Werk kein Dechiffrier-Schlüssel beigelegen, könnte es keiner lesen. Denn der königlich bayerische Volksschullehrer, Gemeindeschreiber, Kirchenmusiker und Anwaltsgehilfe Ignaz Meyer hat seine täglichen Aufzeichnungen zwischen 1870 und 1879 in Geheimschrift verfasst.

So bemerkenswert wie die Geschichte des Tagebuchs ist auch sein Inhalt. Hat der Autor doch akribisch und sachlich nüchtern alles festgehalten, was jeder andere tunlichst verschweigen würde: Seine permanenten Alkoholexzesse und die hochgradige Karten-Spielsucht. Seine Faulheit und die chaotische Schlamperei bei der Berufsausübung - und die Reaktionen von Eltern und Vorgesetzten darauf. Seine häufigen Jähzornausbrüche und die von Lieblosigkeit und körperlicher Gewalt geprägte Ehe. Kurzum, seinen notorischen Hader mit Gott und der Welt, der ihm innerhalb von zehn Jahren so manches blaue Auge, acht verschiedene Arbeitsstellen und sieben verschiedene Wohnsitze bescherte.

Wirklich Entspannung fand Ignaz Meyer offenbar nur, wenn er abends in die Kleider seiner Frau schlüpfte und dann etwas las, strickte, nähte oder sich ans Spinnrad setzte. Trotzdem war er vermutlich kein verkappter Trans- oder Homosexueller, sondern erwies sich dem anderen Geschlecht gegenüber durchaus als viril: Er zeugte vier Kinder, gönnte sich den einen oder anderen Seitensprung und ging auch schon mal ins Bordell.

Ulrich Zwack stellt ein höchst ungewöhnliches Tagebuch und dessen nicht minder ungewöhnlichen Verfasser vor.